Gegen die alte Liebe
Beim FCS überzeugt er als Trainer, beim 1. FC Köln tat er dies viele Jahre als Spieler: Dirk Lottner ist eine echte FC-Legende und bei den Fans noch immer unvergessen. Nun trifft er Ende Oktober im Pokal auf seinen Herzensclub – für ihn kein Spiel wie jedes andere.
Es klingelt und klingelt und klingelt. Dirk Lottner sitzt in seiner Wohnung in Saarbrücken vor dem Fernseher, alleine, es läuft die Auslosung der zweiten Runde des DFB-Pokals. Stefan Kuntz und Christoph Metzelder ziehen die Kugeln aus der Schüssel, gerade ist das Spitzenduell MSV Duisburg gegen die TSG Hoffenheim ausgelost worden. Jetzt sind es noch 26 Teams im Topf. Dirk Lottners Anspannung steigt, als sich die nächste Kugel öffnet und das Wappen seines Klubs erscheint, der 47-Jährige ist seit 2016 Trainer beim 1. FC Saarbrücken.
FC-Fans ist er natürlich vor allem durch seine kölsche Vergangenheit bekannt und beliebt: Von 1999 bis 2004 trug Lottner das Trikot der Geißböcke, wurde zum Kapitän, gefürchteten Standardschützen und absoluten Publikumsliebling. „Als unser Gegner dann gezogen wurde, habe ich schon einen kurzen Jubelschrei herausgelassen“, erinnert sich Lottner im Interview mit Köln.Sport. Denn bei diesem handelt es sich um keinen geringeren als seine alte (und irgendwie noch immer aktuelle) Liebe, den 1. FC Köln. „Ich habe mich richtig gefreut. Das ist schon das perfekte Los für uns, und für mich persönlich sowieso“, sagt Lottner. Das Handy stellt er jedoch zunächst einmal stumm. „Ich konnte die Nachrichten nicht mehr zählen, unmittelbar nach der Auslosung und auch im Verlaufe des Abends klingelte es dann nur noch im Sekundentakt. Da kamen auch gleich die ersten Kartenanfragen. Es war also schon ein sehr intensiver Abend“, lacht Lottner. Familie, Freunde, ehemalige Weggefährten – alle wollen sie dabei sein, wenn Lottners Herzensclub am 29. Oktober ins Saarland reist, um beim FCS hoffentlich in die dritte Runde einzuziehen.
„Alles muss passen“
Bei aller Sympathie für seinen ehemaligen Verein dürfte es Dirk Lottner dem FC allerdings so einfach nicht machen. Mit seiner Truppe belegt Lottner aktuell den ersten Tabellenplatz in der Regionallliga Südwest, sein Team konnte gleich die ersten sieben Partien zum Saisonauftakt gewinnen. „Wir hatten einen guten Start, mit der Siegesserie in der Liga sowie dem Erreichen der zweiten DFB-Pokalrunde gegen Jahn Regensburg“, sagt Lottner im Gespräch mit Köln.Sport. Den Zweitligisten hatten die Saarbrückener nach 1:2-Rückstand mit sensationeller Moral in der Nachspielzeit noch 3:2 geschlagen und waren so in die nächste Runde eingezogen. „Als Underdorg muss gegen höherklassige Mannschaft einiges passen“, weiß der Coach. „Jahn Regensburg ist mit uns auf einen engagierten Gegner getroffen, der ihnen wenig Raum gelassen hat und auch immer wieder selbst aktiv geworden ist. Gegen einen Zweiligisten nach einer 1:0-Führung dann 1:2 in Rückstand zu gehen, da dachten viele, das Spiel sei bereits erledigt. Wir haben aber immer an uns geglaubt und wurden dank einem couragierten, offensiv ausgerichteten Auftritt in der Nachspielzeit belohnt.“
Fußball, wie ihn der ehemalige Klasse-Zehner sehen will. „Ich war selbst Offensivspieler und will dementsprechend immer nach vorne. Ich möchte attraktiven Fußball sehen, in den vergangenen Jahren ist uns das gut gelungen, da haben wir immer sehr viele Tore erzielt.“ Diese sollen auch in diesem Jahr wieder fallen und dafür sorgen, dass Lottner seine Mission beim FCS endlich vollenden kann. Denn bereits in den vergangenen Jahren spielte man Jahr für Jahr eine extrem starke Saison, klopfte an der Tür zur Dritten Liga – und musste sich dennoch immer wieder aus unterschiedlichen Gründen geschlagen geben.
Authentisch sein, reflektieren
„Der Anspruch ist es, aufzusteigen, das war seit ich hier bin immer unser Ziel.“ Im Mai 2018 beendet der FCS die Saison als Tabellenerster, scheitert jedoch in der Relegation an 1860 München. „Und in der vergangenen Saison hat Waldhof Mannheim eine wirklich herausragende Runde gespielt“, sagt Lottner, dessen Stil es jedoch nicht ist, die Hoffnung aufzugeben. „Jetzt werden wir alles dafür tun, dass wir in diesem Jahr dran sind.“
Lottner genießt in Saarbrücke ein hohes Ansehen, ist sehr beliebt und kann auch mit der hohen Erwartung aus dem Umfeld umgehen. „Die Erwartungshaltung ist beinahe identisch zu der in Köln, nur in einem kleineren Rahmen, das mediale Interesse ist natürlich nicht zu vergleichen“, sagt er. Das mag auch daran liegen, dass der FCS als Traditionsverein eigentlich andere Spielklassen gewöhnt ist. „Ich glaube schon, dass es gerade in einem Traditionsverein, wenn du gewisse Ansprüche und auch frühere Erfolge aufzuweisen hast, schon schwieriger ist, zu arbeiten. Das Umfeld wird schneller unruhiger, da ist es schwerer, den Ansprüchen gerecht zu werden.“ Bislang meistert Lottner dies jedoch ohne Probleme.
Das liegt auch an seiner Art der Mannschaftsführung. Dabei helfen ihm auch immer wieder Erinnerungen an seine aktive Zeit. „Ich versuche immer, authentisch zu sein, Dinge immer wieder zu reflektieren und darüber nachzudenken, wie es zu der Zeit war, als ich noch gespielt habe. Natürlich auch im Wissen, dass man heute mit vielem anders umgehen muss. Ich lege großen Wert darauf, einen guten Draht zur Mannschaft zu haben, offen und ehrlich mit ihnen zu sprechen.“
„Beim FC ein sehr gutes Gefühl“
Ein Indiz, dass der FC sich in Saarbrücken auf einen bis in die Haarspitzen motivierten und spielerisch durchaus fähigen Gegner einstellen muss. Die Partie wird jedoch nicht dort oder wie kurzzeitig von Lottner angeregt im RheinEnergieStadion stattfinden, sondern im Hermann-Neuberger-Stadion in Völklingen. Das Saarbrückener Ludwigspark wird aktuell umgebaut, in Völklingen finden 6800 Zuschauer Platz. „Das ist ein wenig schade, wir hätten gern hier zuhause in Saarbrücken gespielt“, sagt der Trainer. „Zum anderen liegt es für uns nicht wirklich ideal, da wir am Wochenende zuvor und auch direkt im Anschluss mit Offenbach und Elversberg gegen direkte Aufstiegskonkurrenten spielen“.
Die Vorfreude auf die Partie lassen er und seine Jungs sich jedoch trotzdem nicht nehmen. „Die Spieler haben sich auch gefreut, vielleicht nicht ganz so extrem wie ich, aber wir wissen schon alle, dass wir da ein sehr schönes und herausforderndes Los gezogen haben.“ Man könne einiges aus dieser Partie für den weiteren Saisonverlauf mitnehmen, sagt Lottner.
Und a propos Saisonverlauf: Wer Lottner kennt, weiß, dass dieser den FC immer noch sehr aufmerksam verfolgt. „Grundsätzlich habe ich beim FC, was die Ausrichtung und die Ideen innerhalb des Vereins mit dem neuen Trainer angehen, ein sehr gutes Gefühl. Bei dem schweren Auftaktprogramm wurde mit drei Punkten das Minimalziel erreicht. Viel mehr wäre Bonus gewesen. Nun wissen aber auch alle, dass jetzt die Spiele kommen, wo Punkte her müssen, um nicht von Anfang an hinten drin zu stecken.“ Angst vor einem erneuten Abstieg hat er jedoch keineswegs. „So, wie die Liga sich präsentiert, sollte es möglich sein, drei Mannschaften hinter sich zu lassen, die meiner Meinung nach nicht so gut aufgestellt sind wie der FC.“
Freude auf die Kölsche Kurve
Den will Lottner Ende April jedoch erst einmal ärgern. Auch wenn es nicht zuhause stattfindet, auch wenn es terminlich unglücklich liegt: Die Partie, das merkt man Lottner im Gespräch an, ist für ihn keine wie jede andere. „Aktuell ist es noch etwas hin, aber ich werde mich mit Sicherheit schon freuen, die kölsche Kurve zu sehen und das Geschehen auch eine Zeit lang beobachten. Das wird wie immer ein tolles Bild – leider unter der Prämisse, dass leider nur etwa 800 Gästefans eine Karte bekommen können.“
Für die restlichen 6000 dürfte Dirk Lottner bereits Anfragen bekommen haben, zumindest fast. Denn sein Handy beruhigt sich nach der Auslosung zur zweiten DFB-Pokalrunde auch dann nicht, als er es auf stumm geschaltet hat. Einen Tipp für die Partie lässt er sich auf die Frage, warum dem FCS die Sensation gelingt, jedoch nicht entlocken. „So weit werde ich mich nicht aus dem Fenster lehnen“, lacht Lottner. „Es soll aber ein Highlight für uns sein, auf dass sich unsere Fans freuen.“ Das tun sie mit Sicherheit. Doch niemand dürfte sich so auf die Partie freuen wie Dirk Lottner selbst.