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Köln.Sport

FC: Europa-Träume? Bitte nicht!

Vom Abstiegskandidaten Nummer Eins zum Europapokal-Aspiranten – die Spielzeit des 1. FC Köln gleicht bislang einer emotionalen Achterbahnfahrt, die aktuell nur noch höher zu steigen scheint. Das ist grade aufgrund des Umgangs von Fans und Medien mit dem Thema gefährlich – meint unser Köln.Sport-Kommentar.
Kommentar

Europa-Euphorie? Bitte nicht, sagt Köln.Sport-Redakteur Mick Oberbusch im KS-Kommentar.

Drei Monate sind im Profifußball eine verdammt lange Zeit – das wird in der Kölner Presselandschaft aktuell mehr denn je deutlich. Ziemlich genau auf den Tag genau drei Monate ist es her, dass der 1. FC Köln bei Mitaufsteiger Union Berlin in der Alten Försterei antrat – und nach einer jämmerlichen Vorstellung mit 0:2 baden ging. Etwas weniger als einen Monat war Markus Gisdol bis dahin im Amt, schon musste man im größten Kölner Boulevard-Blatt Schlagzeilen wie „Gisdol-Effekt schon verpufft“, „Der FC trat auf wie ein Absteiger“, oder „Wie soll man so ein Bundesliga-Spiel gewinnen?“ lesen. Hand aufs Herz: Hätte man den Effzeh-Fans zu diesem Zeitpunkt zum Saisonende Platz 15 angeboten, jeder Fußballliebhaber mit Geißbock auf der Brust hätte wohl Haus und Hof verkauft, um diesen Deal einzugehen.

Nun, drei Monate später, liest man Schlagzeilen wie „Europapokal? Ja, das nächste Wunder liegt in der Luft“ oder „Es ist Zeit für den Effzeh, sich neue Saisonziele zu setzen.“ Ein besonderes „Highlight“ auch die „Entschuldigungsschreiben“ diverser Zeitungen und Web-Blogs an Markus Gisdol, den man ja am Anfang so verteufelt hatte, nun jedoch als Markus „Gisdiola“ abfeiert. Dass es beim 1. FC Köln zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt ein schmaler Grat ist, ist dabei nichts Neues, wird seit Jahren so gehandhabt und macht diesen Klub zumindest für Außenstehende auch irgendwie aus. Nur sollten die Erlebnisse der jüngsten Vergangenheit selbst dem letzten unbelehrbaren Anhänger gezeigt haben, wie gefährlich diese „Nicht ganz Ernst gemeinte“ Europa-Euphorie auch nun schon wieder ist.

Denn: Zu Beginn der aktuellen Erfolgsserie mit acht Siegen aus zehn Spielen wurde das E-Wort auch bereits in den Mund genommen, damals medial wie auch aus Fansicht noch mit einer gehörigen Portion Augenzwinkern. Dieses Zwinkern hat sich jedoch in den letzten Wochen zugunsten von vollster medialer Zuversicht verabschiedet – nun bekommt man fast schon wieder das Gefühl, es wäre eine „verkorkste“ Saison, stände am Ende der Spielzeit nicht die erneute Teilnahme am Europäischen Wettbewerb, so „sensationell“ sie auch aktuell noch beschrieben wird. Das mag für den Moment zwar absurd klingen, aber ganz ehrlich: Bricht der Effzeh rein hypothetisch noch einmal ein (was, kaum zu glauben, tatsächlich immer noch möglich ist) und beendet die Spielzeit auf Rang 13 – wären Sie dann wirklich zufrieden mit dem Saisonausgang? Oder würde bei vielen nicht eher das Gefühl vorherrschen, eine „große Möglichkeit“ auf eine Rückkehr ins Internationale Geschäft ausgelassen zu haben?

Dass dieselben Fans und Journalisten, die nun die große Europa-Euphorie ausrufen, auch die ersten sind, die bei Misserfolg rollende Köpfe fordern, braucht dabei hoffentlich nicht noch einmal erwähnt zu werden. Dieser „Fähnchen-im-Wind“-Kurs ist seit Jahren das große Problem beim Effzeh, Ruhe und Kontinuität können so nicht einkehren und werden immer wieder zugunsten von kurzfristigen Erfolgsfantasien gefährdet. So wie vor der Spielzeit 2017/18, als man einem Sommer voller Europa-Euphorie eine der erbärmlichsten Bundesliga-Saisons der Fußballgeschichte folgen ließ. Und natürlich ist Träumen für Fans immer erlaubt – bei all dem Geschrei nach Europa, der plötzlichen Gisdol-Mania und der seit Jahren in einem exorbitanten Maße betriebenen Selbstbeweihräucherung sollten jedoch auch die Konsequenzen nicht außer Acht gelassen werden. Und diese könnten wie in der Spielzeit 2018/19 dann ein Jahr später wieder ganz übel aussehen, wenn man weiterhin vom einen in das andere Extrem schliddert. Der Effzeh selbst behält in dieser Angelegenheit ja auch noch weitestgehend Ruhe, im Umfeld sieht es hingegen anders aus.

Natürlich macht es die schöneren Schlagzeilen, von der Europa League zu träumen, als sich mit der realistischen Gegenwart des Bundesliga-Mittelfeldes zu beschäftigen. Mal eine Saison ohne emotionale Achterbahnfahrt wird in Köln – warum auch immer – vielleicht auch einfach nicht so gern gesehen – oder von medialer Seite aus geschehen lassen. Die Bürde, die die Medien und Fans dem Effzeh und dem nun so gefeierten Markus Gisdol damit allerdings auferlegen, erinnert schon wieder an chaotische Zeiten aus noch nicht ganz so lange vergangenen Tagen. Deshalb: Europa-Träume? Bitte nicht!