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Köln.Sport

EM-Tagebuch, Tag 17 (4. VF)

Geschmackssache. Da haben zwar überlegene, aber dennoch wenig überzeugende Italiener schwache Engländer im Elferschießen rausgeworfen, und schon stürmen binnen weniger Minuten Hunderte Italiener den Ring und fordern zu mitternächtlicher Stunde schlaftrunkene Kölner lauthals zum Gebrauch ihres länglichen, von Schleimhaut überzogenen Muskelkörpers im Mundbereich auf: „Germania Germania vaffanculo“. Naja, warten wir mal ab, wer wessen Hintern am Donnerstagabend säubert. Wir orientierten uns heute zunächst an unseren italienischen Mitbürgern. In der Südstadt war schon jede Menge los, hätte aber für die Möglichkeit eines Sieg der „Tifosi“ zu lange bis zum Ring gedauert. Also ab ins „Hellers Brauhaus“, wo vor der einzigen Leinwand (nix mit TV) Kinobestuhlung angesagt war. Und hier hatte sich schon ne größere Truppe Holländer (was machen die denn hier?) niedergelassen. Muss auch nicht sein. Weiter durch mehrere italienische Restaurants, wo zwar bereits Fernseher heiß liefen, aber das essende Volk nicht unbedingt den Eindruck hinterließ, bei eventuellen Toren kurzzeitig das Spaghetti-Drehen einstellen zu wollen. „Heimspiel“ war auch wieder ziemlich leer, also ab Richtung Ring. Im „Chattanooga“ wurde es allmählich besser. Gut besucht, der Laden, und nahezu jeder Tisch grün-weiß-rot verziert. Dennoch gings weiter. Das „Giga Center“ neben „Joe Champs Sportsbar“ war erwartungsgemäß fest in italienischer Hand, aber um mal zu prüfen, warum die Kroaten ihre Spiele ausgerechnet beim Italiener verfolgt hatten, kehrten wir nebenan im „La Strada“ ein. Gleich neben einer mit der Zeit stets anwachsenden italienischen Runde mit sehr sympathischen Leuten unmittelbar vor der Leinwand ließen wir uns nieder. Beste Sicht – nur nicht so ganz für die schräg versetzten Sitzplatzinhaberhinter un. Aber selbst das störte hier und heute keinen. Wenn die „Squadra Azzurra“ sich im Verlauf der nächsten zweieinhalb Stunden nicht ganz so blind angestellt hätte, wäre das für die Nerven unserer Tischnachbarn bestimmt besser gewesen. So war dann lange Nägelkauen angesagt. Und spätestens beim nicht gegebenen Tor in der Verlängerung habe ich erstmals bereut, kein Italienisch zu verstehen. Während Simon ab der 2. Halbzeit mit intensiverer Kontaktaufnahme zum Nebentisch beschäftigt war (und in der Verlängerung auch dort saß), staunten wir nur über die äußerst passive englische Taktik. „Ey Mann, wollen sich die Engländer etwa ins Elferschießen retten? Dat können die doch eh nicht!“, stellte Darko nicht zu Unrecht fest. Selbstverständlich sollte er damit recht behalten. Und kaum hatte Diamanti den entscheidenden Elfer ins Netz geballert, vergingen noch nicht einmal drei Minuten, bis Hunderte Tifosi den kompletten Ring zwischen Rudolfplatz und Ehrenstraße vereinnahmt hatten. Alles, was erstürmt oder zu erklettern war, hatte binnen Sekunden grün-weiß-rote Männchen auf sich stehen oder liegen – auch vor Autos völlig Unbeteiligter wurde nicht Halt gemacht. Eine riesige geniale Party – wenn nicht ständig die oben erwähnten drei ominösen Worte gefallen wären. Aber als zukünftiger Endspiel-Teilnehmer kann man da schon mal in sich ruhend milde drüber hinwegschauen. Jedenfalls wurde es noch eine lange Nacht – besonders für die doch bedauernswerten Anwohner. Aber tröstet euch: In einer Woche habt ihr es geschafft!! „Und morgen Deutzer Bahnhof!“, rufe ich triumphierend in die Runde. „Ey Alter, wat willste denn da? Morgen ist doch spielfrei“, raunzt mir Stefan zu. Wieder nix.