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Köln.Sport

1. FC Köln: Vom Verein zur Marke

Fan-Choreographie

„Tradition hat nur dann Sinn, wenn der Wille zu noch größeren Taten vorhanden ist“ – die Kölner Südtribüne mit ihrer Geburtstagschoreo
Foto: imago/Moritz Mueller

Der 1. FC Köln präsentiert sich ­gerne „Spürbar anders“. Der Slogan ist Ausdruck der groß angelegten Entwicklung einer ­Markenidentität, mit der der ­Verein an große Zeiten anknüpfen und sein vormals angekratztes Image aufpolieren will.

Ein süffisantes Lächeln huschte Jörg Schmadtke über das Gesicht, als der Geschäftsführer Sport des 1. FC Köln Ende Februar im Aktuellen Sportstudio zu Gast war. Nach der Derbyniederlage bei Borussia Mönchengladbach saß er gemeinsam mit seinem Gladbacher Managerkollegen Max Eberl am Tisch von Gastgeber Sven Voss. Auf die Frage des Moderators, ob denn der Rivale vom Niederrhein in Sachen Markenaufbau weiter sei als der FC, reagierte Schmadkte im Anschluss an sein Lächeln mit einer gewohnt unaufgeregt wie klaren Antwort: „Ich würde sagen, nein!“

Als Beleg für seine Aussage zog der FC-Boss die aktuellen Mitgliederzahlen zu Rate: „Mehr als 76.000 Mitglieder nach all den Jahren Auf und Ab zeigen, dass die Marke an sich extrem stark ist.“ Im deutschlandweiten Vergleich ist der 1. FC Köln damit tatsächlich weit vorne angesiedelt. Nur Bayern München, Schalke und Dortmund liegen nach dieser Rechnung vor den „Geißböcken“. Und der FC arbeitet fleißig an weiterem Zuwachs, wie die jüngste Mitgliederkampagne „Werde FC“ zeigt.

Das Köln.Sport-Cover 04/2016

Wirklich anders? Die Marke FC ist die Titelgeschichte der Köln.Sport 04/2016

Im Mittelpunkt des Interesses stehen dabei die Kölnerinnen und Kölner. Denn nur rund 19.000 Mitglieder kommen direkt aus dem Stadtgebiet. Dies liege daran, dass der Verein in der Identität der Stadt so tief verwurzelt sei, dass die meisten Kölner glaubten, sie hätten die Mitgliedschaft mit der Geburt in Köln schon automatisch erworben, hatte Geschäftsführer ­Alexander Wehrle zum Auftakt der Kampagne gesagt. Der Appell des Vereins, die Liebe zum FC durch eine Unterschrift offiziell zu machen, stieß bislang auf positive Resonanz. Beim Heimspiel gegen Hertha BSC wurde das 1.500ste neue Mitglied seit dem Startschuss der Kampagne offiziell geehrt. Mittlerweile zählt die FC-Familie knapp 2.000 neue Mitglieder. Zahlen, mit denen der Verein sehr zufrieden ist.

Marke als Vorstellungsbild
Doch warum schließen sich so viele Menschen einem Fußballverein an, identifizieren sich mit ihm, tragen ­sogar im Urlaub stolz sein Trikot? Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es auf den ersten Blick nicht. Denn jedes der über 76.000 Mitglieder kann seine ganz persönliche Geschichte erzählen, wie seine Beziehung zum FC entstanden ist. Und dennoch lassen sich die vielen Anekdoten auf einen Nenner bringen: Es geht um Vorstellungsbilder im Kopf.

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Sei es das FC-Trikot als Geschenk zur Einschulung, das Abklatschen mit den Spielern beim Trainingsbesuch mit der Schulklasse oder der erste Stadionbesuch mit dem Vater: Jeder Fan kann ein Schlüsselerlebnis nennen, das ihn an den Verein gebunden hat und auf dessen Basis sich ein unverwechselbares Bild des 1. FC Köln fest im Kopf verankert hat. Diese Verbindung zum Verein geht über die aktuelle sportliche Situation, festgemacht am Tabellenplatz, hinaus. Und sie ist die Grundlage für den Aufbau einer starken Marke!

„Ohne sportlichen Erfolg ist alles nichts. Dennoch ist die Marke 1. FC Köln nicht ausschließlich an sportlichen Erfolg gekoppelt“, sagt Wehrle. Der FC zählt – gemeinsam mit dem FC St. Pauli – nämlich zu den Positivbeispielen im deutschen Fußball, wie ein Verein trotz einer längeren Phase sportlichen Misserfolgs eine starke Marke bleiben kann – oder sogar noch stärker wird. „Wir haben vor drei Jahren in der 2. Bundesliga das beste Merchandising-Jahr in der Geschichte des Vereins gehabt“, kann Wehrle bestätigen.

Peter Stöger in schönem Pullover

Er ist FC: Trainer Peter Stöger steht für Kontinuität, sportlich und in Modefragen
Foto: GettyImages

Der Aufbau einer starken Marke und das Abkoppeln des wirtschaftlichen vom sportlichen Erfolg ist allerdings keinem Verein so gut gelungen, wie den Kiezkickern aus dem Hamburger Stadtteil St. Pauli. Im Zeitraum von 1995 bis 2004 stieg der Verein zwischenzeitlich sogar bis in die Regionalliga ab, konnte seine Merchandising-Umsätze im gleichen Zeitraum aber vervierfachen. Die Paulianer spielten zuletzt in der Saison 2010/11 in der höchsten deutschen Spielklasse, werden in der von der TU Braunschweig seit 2012 jährlich durchgeführten Fußballstudie aktuell dennoch als viertstärkste Vereinsmarke im deutschen Profi-Fußball gelistet. Im Hinblick auf die Entwicklung und den Aufbau eines unverwechselbaren Vereinsimages fungiert der FC St. Pauli damit für viele etablierte Bundesligisten und Traditionsvereine als Vorbild. Ähnlich wie Borussia Dortmund, deren Vorstoß mit dem Slogan „Echte Liebe“ in einer sportlich schwierigen Zeit aus Vereinssicht als grandioser Coup bewertet werden kann.

Markenprofil hat Gewicht
In Zeiten, in denen Fußballklubs nicht mehr wie Vereine, sondern wie mittelständische Unternehmen geführt werden, sind Mitglieder, Fans, Anhänger und Sympathisanten aber längst nicht mehr die einzige Zielgruppe, die es nachhaltig zu erreichen gilt. „Es gibt insbesondere in NRW, wo vergleichsweise viele Vereine angesiedelt sind, natürlich einen Wettbewerb um Sponsoren. Deswegen ist es ganz wichtig, nicht nur ein klares Markenprofil zu haben, sondern dieses auch zu kommunizieren, damit der Partner weiß, was er bekommt“, erläutert FC-Finanzexperte Wehrle, der darüber hinaus die stetig steigende Bedeutung des Vereinsimages für die Akquise der mitunter wichtigsten Mitarbeiter betont: „Auch viele Spieler, die vor der Entscheidung für diesen oder jenen Klub stehen, wollen heute genau wissen, für wen und was sie auflaufen.“

So wechselt ein international erfahrener Spieler wie Marco Höger, beim FC Schalke 04 Publikumsliebling, trotz aller Heimverbundenheit, mit Sicherheit nicht zu einem – objektiv betrachtet – Bundesliga-Mittelklasseklub, wenn er sich mit dessen Zielen und Werten nicht identifizieren könnte. Ein 1. FC Köln, der sich so chaotisch präsentiert wie zum Beispiel in der Abstiegssaison 2011/12 wäre als Arbeitgeber ganz sicher nicht die erste Wahl. Da unterscheiden sich Fußballvereine nicht von anderen Arbeitgebern.

Der Fussball als Markenkern
In Sachen Management der eigenen Marke gibt es dafür durchaus Unterschiede zwischen dem Sport- und dem Nicht-Sport-Sektor. „Im Nicht-Sport-Bereich“, sagt Frank Sahler, „versuchen sie täglich, ihre Marke zu emotionalisieren. Da haben wir im Sport einen großen Vorteil: Wir müssen nur das Stadion aufschließen und haben Emotionen.“ Der Marketingleiter des 1. FC Köln weiß, wovon er spricht, kümmerte er sich vor seinem Wechsel zum FC doch erfolgreich um den Markenauftritt der Hornbach Baumärkte.

Im Juni 2013 ist Sahler beim Klub angetreten, um den damaligen Markenkern „Meine Liebe. Meine Stadt. Mein Verein“ zu entstauben. „Aus meiner Sicht als gebürtiger Kölner und Marketing-Verantwortlicher war die Symbiose von Verein und Stadt zu groß. Die Schnittmengen konnte man fast übereinander legen. Wir waren damals eher eventgetrieben“, erklärt Sahler. Bester Beleg für eine solche Aussage ist der Fußballspruch des Jahres 2010 von Trainerlegende Udo Lattek, im Kölner Stadion herrsche immer eine gute Stimmung, da störe eigentlich nur die Mannschaft.

Eine solche Eventsäule helfe, laut Sahler, zwar in Zeiten sportlicher Krisen extrem, „nur wir sind der 1. Fußballclub Köln, wir leben vom Fußball. Deswegen war uns wichtig, im Auftritt des Clubs den Fußball wieder ohne Wenn und Aber in den Mittelpunkt zu stellen.“ Ergebnis dieser Erkenntnis war der Aufbau einer neuen Identität der Marke 1. FC Köln unter dem Slogan „Spürbar anders“.

Eine Litfaßsäule

Ein großer Erfolg war die Werbeaktion des 1. FC Köln auf den Litfaßsäulen der Stadt. Der Verein warb kostenfrei für sich, und die Litfaßsäulen wurden nicht mehr so häufig beschmiert
Foto: imago/Rudolf Gigler

Für Wehrle und Sahler eine nahe liegende Komposition: „Der Verein und die Fans – das alles ist hier in Köln wirklich anders, das kann ich als Schwabe beurteilen. Auch in Sachen Stimmung ist der FC anders, das kann man aber nicht erklären. Das muss man im Stadion selbst erlebt haben“, sagt Wehrle. Für Frank Sahler spielt die Verbindung zu den Anhängern eine besondere Rolle: „Sie können am Geißbockheim zum Training gehen und stehen drei Meter neben Jonas Hector. Der FC ist nahbar, das haben sie bei vielen anderen Bundesligisten nicht mehr.“

Die spürbare Andersartigkeit – beim 1. FC Köln wollen sie diese Marschrichtung nicht als abgekoppelte Marketing-Aktion, sondern als Leitidee einer markenbasierten Unternehmensentwicklung verstanden wissen: „Das bedeutet, dass alle Mitarbeiter die Werte des Vereins vertreten und nach ihnen handeln“, erklärt Wehrle. Doch was sind die Werte, an denen sich der Klub orientiert?

Das Herzstück der Vereinsidentität bildet der Markenkern „Hingabe zum Fußball und zum Erlebnis FC“. Dabei richtet sich die Vorgabe „Hingabe zum Fußball“ nicht nur an die Profis, die die Vereinsfarben in der Bundesliga vertreten, sondern explizit auch an den Nachwuchs. Die enge Verbindung zwischen Jugend und Profis ist den Verantwortlichen wichtig, was sich auch in der Diskussion um den Neubau von Trainingsplätzen am Geißbockheim zeigt. Eine räumliche Trennung beider Abteilungen ist für den Verein keine Option.

Auf Grundlage des Markenkerns hat der 1. FC Köln die Werte „Kölsche Authentizität, Treue, Wille und Professionalität“ als identitätsstiftend auserkoren. Während Treue und Wille als vergleichsweise sehr allgemeine Elemente daherkommen, die sich so auch in der Markenbeschreibung jedes anderen Bundesligisten wiederfinden können, trifft die Professionalität einen wunden Punkt der jüngeren FC-Vergangenheit. Wenn man bedenkt, dass der Verein einst führend im deutschen Vereinsfußball unterwegs war, erscheint es mehr als sinnvoll, diese Professionalität, die im Idealfall mit einem gut geführten und sportlich erfolgreichen Verein einhergeht, wiederzubeleben. Was die Ruhe im Verein angeht, haben die Personalentscheidungen der letzten Jahre – festzumachen an den Namen Schmadtke, Jakobs, Wehrle, Stöger – einen positiven Einfluss gehabt, der sich auch im langsam, aber stetig zurückkehrenden sportlichen Erfolg widerspiegelt.

Jonas Hector wirft Kamelle

Der Karneval spielt für die Marke 1. FC Köln eine ebenso wichtige Rolle, wie die Ausbildung junger Spieler wie Jonas Hector
Foto: Imago/Manngold

Einzigartig für den FC ist der Punkt „Kölsche Authentizität“, in dem der Karneval eine große Rolle spielt, wie Karnevalstrikots, regelmäßige Teilnahme am Rosenmontagszug und der Antrag, offiziell Karnevalsverein werden zu wollen, zeigen. War diese Bezeichnung in sportlich schwierigen Zeiten noch negativ belastet, nutzt der Verein den kölschen Fastelovend nun aktiv, um seine spürbare Andersartigkeit zu transportieren.

Markenbewusstsein bedeutet Verantwortung
Als Sprachrohr des Vereins und wichtiger Transporteur der Markenidentität kommt insbesondere den Social-Media-Kanälen des FC eine wichtige Rolle zu. Und hier liegt der 1. FC Köln auf Champions-League-Kurs. Launige Videos, etwa von Weihnachtswünschen des Trainerteams, sorgen regelmäßig für Begeisterung im Netz. Als Launch-Partner von Face­book bot der FC den Nutzern des Netzwerks als einer der ersten Bundesligisten zudem an, das eigene Profilbild mit Geißbock-Logo und dem Slogan „Spürbar anders“ zu versehen. Die Fans würden auf diese Weise zum Markenbotschafter, kommentierte Clubmedia-Teamleiter Maurice Sonneveld beim Start der Kampagne im Dezember.

Doch der Slogan „Spürbar anders“ bringt nicht nur Vermarktungsmöglichkeiten, sondern auch große Verantwortung mit sich. So machten zahlreiche Fans im Rahmen der mitunter heftig kritisierten Teilnahme des Klubs an der „Refugees Welcome“-Aktion der Bild-Zeitung deutlich, dass der FC eine Chance verpasst habe, sich spürbar anders zu präsentieren. So wie der FC St. Pauli es getan hat, für dessen Marke die strikte Ablehnung der Aktion einen weiteren Image-Gewinn bedeutete.

Aus Sicht mancher Anhänger ist der FC-Markenauftritt ohnehin ein künstliches, auf Hochglanz poliertes Gebilde, dem jede Authentizität verloren gehe. Dass bei der Kritik am Verein jedoch ausgerechnet der Slogan „Spürbar anders“ immer wieder auftaucht und als Ansatzpunkt genutzt wird, zeigt, dass der Markenslogan zumindest in den Köpfen der Fans präsent ist, und das überwiegend im positiven Zusammenhang.

Denn die Studie der Braunschweiger Wissenschaftler weist den FC aktuell als fünftstärkste Marke im deutschen Profifußball aus. Die Begründung, „seitdem wieder Ruhe und Kontinuität ins Vereinsumfeld eingekehrt sind, erfährt der Verein nicht nur unter sportlichen Gesichtspunkten, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung als Vereinsmarke eine erkennbar positive Fortentwicklung“, dürfte nicht nur bei Jörg Schmadtke für ein Lächeln sorgen.

Stefan Kühlborn