fbpx
Köln.Sport

„Sport ist Chefsache!“

Im Interview mit Köln.Sport spricht Oberbürgermeister-Kandidat Andreas Kossiski Klartext!

Zu Gast in der Köln.Sport Redaktion: Andres Kossiski (2 v. links). (Foto: Horst Fadel)

Es ist Zeit, sich einmal mit dem Thema aus Sicht des Sports zu beschäftigen – schließlich gibt es in der Domstadt über 800.000 Wahlberechtigte, darunter Hunderttausende Aktive und Helfer im Sport! Andreas Kossiski, Oberbürgermeister- Kandidat der SPD bei der Kommunalwahl am 13. September 2020, macht den Sport zu einem seiner Kernthemen im Wahlkampf. Beim Treffen auf Abstand in den Redaktionsräumen von Köln.Sport bezog der 62 jährige Landtagsabgeordnete Stellung zu Themen wie fehlende Strukturen, Ausbau des Geißbockheims oder die Fortführung des Sportentwicklungsplans.

Herr Kossiski, Sie treten am 13. September als Oberbürgermeister- Kandidat zur Kommunalwahl in Köln an. Dafür haben Sie sich unter anderem das Thema Sport auf die Fahne geschrieben. Wo drückt der „Sportstadt“ in Ihren Augen aktuell am meisten der Schuh?

Es gibt in meinem Programm sieben, acht wichtige Schwerpunktthemen, und der Sport gehört definitiv dazu. Ich bin seit langem Abgeordneter im Landtag und dort Mitglied des Sportausschusses. Ich erlebe, wie das Thema Sport in anderen Städten in NRW angepackt wird und welche finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Zudem habe ich erkannt, welche Rolle Oberbürgermeister und politische Verantwortungsträger in dieser Hinsicht einnehmen müssen. Es ist wichtig zu begreifen, dass Sport der Kitt der Gesellschaft ist. Wir haben bei etwa 1,1 Millionen Einwohnern meines Wissens etwa 220.000 Aktive in Köln, die vereinsgebunden oder frei Sport treiben. Für diese Menschen tragen wir eine Verantwortung und müssen verstehen, dass der Sport für eine Stadt wie Köln auch ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Wir müssen erkennen, dass nicht alles nur Geld kostet, sondern auch Geld in die Stadt spült. Wir haben „Leuchtturm-Vereine“ wie den 1. FC Köln oder die Kölner Haie. Wir richten das „Final Four“ der Handball- Champions League aus, wissen, wie wichtig die Lanxess-Arena samt dieser Sport-Highlights für die Stadt sind. Aber mindestens genauso wichtig ist die große Breitensport-Landschaft. Ich erlebe aber täglich durch meine Tätigkeiten im Landtag, im Stadtsportbund Köln und bei Sportstadt Köln e.V., wie schwierig es der Sport in dieser Stadt auch haben kann.

Der aktuellen Oberbürgermeisterin Henriette Reker wird immer vorgeworfen, den Sport nicht hinreichend zu unterstützen. Können Sie das nachvollziehen – und was würden Sie als OB in dieser Hinsicht besser machen?

Ich muss leider sagen – und das ist meine persönliche Erfahrung –, dass ich die Oberbürgermeisterin während meiner Tätigkeit bei den Sport-Institutionen von Stadt und Land nie als Gesprächspartnerin wahrgenommen habe. Das Thema Sport, so scheint es, genießt bei Frau Reker nicht oberste Priorität, das würde ich völlig anders machen. In meinen Augen erklärt man den Sport als OB zur Chefsache – was nicht bedeutet, alles selber zu tun, sondern dafür zu sorgen, dass Strukturen funktionieren und der Sport auch ein Stück weit als Aushängeschild für die Stadt dienen kann. Das habe ich bei ihr in den vergangenen Jahren, soweit ich das beurteilen kann, leider nicht wahrgenommen.

Apropos Aushängeschild: Die Lanxess- Arena wurde von der Corona- Krise hart getroffen, Geschäftsführer Stefan Löcher erhofft sich Unterstützung seitens Stadt und Politik. Wie stehen Sie dazu?

Als das öffentlich wurde, habe ich Stefan Löcher angerufen und ihn gefragt, wie ich helfen kann. Für mich ist die Lanxess-Arena aus verschiedenen Gründen ein wichtiger Partner, nicht nur aufgrund ihrer Strahlkraft bei Sportevents. Natürlich darf sie gegenüber den „kleinen“ Sportvereinen nicht bevorzugt behandelt werden, das ist mir wichtig. Dennoch muss man sich bei solch einer Halle auch klar positionieren und für Unterstützung sorgen. Da sind Land und Bund gefragt, diese Halle ist wichtig für das Land NRW wie für die Bundesrepublik Deutschland. Da müssen die Leute an einen Tisch und einen Weg finden, um zu helfen.

Wie sieht es Ihrer Meinung nach an der Basis des Kölner Sports, bei den vielen Amateur- und Breitensportvereinen, aus? Sind wir da ebenso Sportstadt?

Was die Sporttreibenden angeht: ja. Denn es sind fast eine viertel Million Menschen in dieser Stadt aktiv. Was die Unterstützung seitens der Politik angeht, muss ich leider sagen: nein. Wir pflegen unseren Sport nicht, stellen viel zu wenige Mittel dafür zur Verfügung und haben noch nicht die Strukturen geschaffen, die dafür notwendig sind. Wir haben durch einen starken Stadtsportbund einige wenige Verbesserungen initiiert. Der Punkt ist jedoch, dass in dieser Stadt Sportpolitik nicht so richtig stattfindet. Wir haben gemeinsam den Sportentwicklungsplan (SEP) mit konkreten Projekten auf den Weg gebracht. Jetzt geht es an die Umsetzung, und da ist die Frage, wie das auch in Zeiten von Corona geschieht. Kann man Corona auch nutzen, um die Intention des SEP zu stärken, zu zeigen, wie wichtig Bewegung ist, auch für den sozialen Zusammenhang? Wir sehen jedoch ebenso die Reparaturnotwendigkeit von Sportanlagen. Wir haben bis heute keine Halle für 3.000 bis 5.000 Zuschauer auf den Weg bekommen, obwohl die Vereine uns spiegeln, dass der Bedarf da ist. Es fehlt der entsprechende „Wumms“. Das Thema Kunstrasen etwa ist ein massives: Es gibt Vereine, die für ihren Fortbestand auf solch einen Platz angewiesen sind. Beim Sportamt trifft man auf Verständnis, bei den Entscheidern sieht das jedoch anders aus. Der Hilfsgedanke für den Sport muss tief in der Stadt implementiert werden. Wenn man das nicht hinbekommt, dann aber eine aktive Rolle bei der Olympia- Bewerbung 2032 spielen möchte, frage ich mich: Wie soll das funktionieren, wenn gewisse Strukturen fehlen? Da gibt es viel zu tun – und ich bin festen Willens, etwas zu verändern.

Viele Breitensportvereine bangen in Corona-Zeiten um ihre Existenz und hoffen auf Unterstützung von Politik und Verwaltung. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?

Das war schon vor Corona ein Problem, es gibt eine große Hallen-Problematik, und wir haben zu wenig Wasserflächen. Es gibt viele Hilfen wie das Förderprojekt „Moderne Sportstätten 2022“, für das die Landesregierung 360 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Auch Köln profitiert mit einer hohen Summe davon, weil sich der Stadtsportbund sehr darum gekümmert hat. Für mich stellt sich immer die Frage: Wie kann sich die Stadt noch besser beteiligen? Es fehlt immer wieder an Verantwortlichkeit, etwas durchzusetzen, und darin muss die Stadt besser werden. Es hakt überall. Und die Vereinsverantwortlichen sind genauso frustriert wie Solo-Selbstständige, Künstler oder Veranstalter. Alle haben das gleiche Problem: Am Anfang gab es schnell Hilfen, im Sportbereich kamen die allerdings erst sehr spät oder sind überhaupt nicht geflossen.

Aktuell erlebt neben Corona das Thema Rassismus einen traurigen Höhepunkt. Auch auf Kölner Sportplätzen gibt es seit Jahren Probleme mit Rassismus und Gewalt, gerade im Amateurbereich, wo Schiedsrichter angegangen oder Gegenspieler rassistisch beleidigt werden. Wie kann der Sport zu einem wichtigen Player im Kampf dagegen werden?

Das haben wir im Landtag häufig diskutiert. Auf der einen Seite ist Sport eine Art Schutzpflaster, weil dort Menschen unabhängig von der Hautfarbe oder Religion zusammenkommen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Dies ist eine Erfahrung, die viele Menschen machen sollten. Auf der anderen Seite – und das kann ich als Polizeibeamter beurteilen – gibt es gerade in den niederen Spielklassen immer wieder Sportveranstaltungen, wo solche Übergriffe stattfinden und es aufgrund von Rassismus zu Polizeieinsätzen kommt. Dazu müssen sich Verbände und Politik stellen, es braucht klare Regeln. Wer behauptet, dass der Sport davon frei ist, lebt nicht in der Realität. Das kann auch nicht delegiert werden, es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir dürfen nicht einfach danebenstehen.

In ihrem letzten Wahlkampf hatte sich Henriette Reker klar zu den Ausbauplänen des 1. FC Köln positioniert. Während ihrer Amtszeit änderte die Oberbürgermeisterin in dieser Angelegenheit jedoch häufig ihre Meinung. Sie befürworten den Ausbau des Geißbockheims ebenfalls – wie können Sie garantieren, dass solche Meinungswechsel bei Ihnen nicht passieren?

Über meine gesamte sportpolitische Laufbahn hinweg habe ich diesen Sachverhalt beobachtet, gerade bei Sportstadt Köln e.V. hatten wir viele Gespräche mit dem 1. FC Köln. Bei mir muss niemand damit rechnen, dass ich bei diesem Thema umkippe. Ich bin der festen Überzeugung, dass der 1. FC Köln einen rechtmäßigen Antrag auf diesen Ausbau gestellt hat. Ich stehe dazu, weil es für den Verein eine Möglichkeit ist, sich zu entwickeln. Natürlich gibt es auch Gegenargumente, mit diesen muss man sich aber sachlich auseinandersetzen. Warum Frau Reker ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl eine andere Meinung vertritt, erschließt sich mir nicht. Ich habe dafür kein Verständnis.

In Ihrer Podcast-Reihe sprachen Sie mit der früheren Weltklasse-Hochspringerin Ulrike Meyfarth auch über die Lage der Sportstadt Köln. Dabei sagte sie, Köln könne sich einiges von der Sportstadt Düsseldorf abschauen. Was genau?

Das Entscheidende ist, Verantwortung zu übernehmen. In Düsseldorf gibt es einen sogenannten Sportbeauftragten – das ist eine Person, die nach innen und außen für den Sport Wirkung erzeugt und einen direkten Zugang zum Entscheider hat. Es muss jemanden geben, der Verantwortung hat und den Finger in die Wunde legt. Das Modell gefällt mir sehr, man muss sehen, ob es auf Köln passt. Und dann müsste man sich den Sporthaushalt in Düsseldorf anschauen – ich glaube, der ist etwas größer als der in Köln. Außerdem stehen wir kurz vor der Zusammenlegung von Sportstadt Köln e.V. und dem Stadtsportbund, was auch vor zwei Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Wir wollen Fundamente festigen und die Pfeiler in Zusammenarbeit mit der Verwaltung so stabil machen, dass es in eine richtige Richtung geht. Das könnte ein Sportbeauftragter des OB antreiben und so auch nach außen wirken. Wir haben so viele „Leuchttürme“ wie die Deutsche Sporthochschule in Köln, die die Menschen außerhalb des Sports aber kaum wahrnehmen. Da gilt es anzusetzen.

Auch der Schulsport ist seit Jahren ein Kölner „Problemkind“, Stichwort Sanierungsstau bei den Hallen oder wie angesprochen die fehlenden Wasserzeiten. Wie würden Sie dieses Problem als OB angehen?

In dieser Hinsicht darf unter anderem nicht die Tatsache außer Acht gelassen werden, dass in Köln 57 Schulen fehlen. Bei der Planung müssen Sporthallen immer mitbedacht werden – und in den heutigen Zeiten auch so, dass sie nicht nur für den reinen Schulsport da sind, sondern auch für Vereinsaktivitäten und mehr zur Verfügung stehen. Was den Schulsport betrifft, tragen auch die Schulen eine Verantwortung, wir brauchen Sportlehrerinnen und -lehrer. Wir haben in Köln fünf sogenannte „Sportschulen“, da gilt es zu prüfen: Ist das nur ein Begriff, oder werden sie ihrer Bezeichnung gerecht? Welche Unterstützung brauchen diese Schulen? Sport insgesamt muss mit Vereinen und Schulen zusammen- gedacht werden. Es gab ja auch vor einiger Zeit die Diskussion: Was bedeutet der offene Ganztag für die Vereine? Haben die Kinder dann überhaupt noch Zeit, Vereinssport auszuüben? Dort kann man verbindende Elemente schaffen und etwas Positives entwickeln. Die Probleme liegen auf dem Tisch, die Lösungen muss man jedoch vorantreiben. Und dort möchte ich sehr gerne unterstützen.

Das Interview führten Mick Oberbusch und Frank Schwantes.