Ein Augenblick Gänsehaut
Auch zum Bundesliga-Start werden die FC-Fans wieder mit einer beeindruckenden Choreo punkten. Hinter den kurzen Momenten steckt viel Aufwand und noch mehr Herzblut.
Müngersdorf, RheinEnergieStadion, nur noch wenige Augenblicke bis zum Spielbeginn. Die Musik ertönt, die Stimmung liegt irgendwo zwischen angespannt und erwartungsfroh, die Spieler laufen ein – und die Fans auf der Südkurve präsentieren erneut eine Choreografie, die das Herz aller Anhänger höherschlagen lässt. Nicht das erste Mal: Die FC-Fans sind bekannt dafür, immer wieder beeindruckende Bilder auf der Tribüne zu organisieren.
Doch viele Betrachter wissen nicht, wie viel Arbeit die Anhänger in diese kurzen Momente stecken. Größtenteils sind es die oft gescholtenen Ultras, die ihre Freizeit opfern, um „ihren“ FC auch optisch bestmöglich zu unterstützen.
Der Aufwand sei schwer messbar, erklärt Stephan Schell, Vorsänger der Wilden Horde, die für die meisten Choreografien auf der Südtribüne verantwortlich ist. Auf dem Weg von der Idee über die Planung bis hin zur Durchführung müsse man mit einigen Steinen rechnen.
„Die Leidenschaft, mit der wir die Aktionen vorbereiten, die Liebe zum Detail, einzelne Elemente, die sich immer wieder ändern können, da stehen wir schon sehr oft vor immer wieder neuen Herausforderungen“, weiß der FC-Fan zu berichten. Auch der Vorlauf ist enorm: „Bei großen Geschichten kann das schon mal drei bis vier Monate sein, wenn man den Zeitraum von der Idee bis zur Präsentation berechnet“, bestätigt er.
Das Engagement seiner Anhänger bleibt natürlich auch dem FC nicht verborgen. „Es ist immer wieder beeindruckend, mit welchem, teilweise monatelangem, Zeitaufwand unsere Fans die Choreografien gestalten. Diesen ehrenamtlichen Einsatz kann man nicht genug wertschätzen“, erklärt Rainer Mendel, Fanbeauftragter des 1. FC Köln. „Für uns ist das nicht selbstverständlich, und wir sind froh, dass die Südtribüne nicht nur in puncto Stimmung, sondern auch optisch ein einzigartiges Bild abgibt.“
Dafür investieren die Anhänger nicht nur ihre Freizeit, sondern auch teilweise enorme Summen. 20.000 Euro soll nach „Express“-Angaben beispielsweise die Choreografie zum 50-jährigen Jubiläum des Meistertitels von 1964 gekostet haben. Genaue Details möchten die Ultras allerdings nicht veröffentlicht wissen. Eines sagen sie jedoch deutlich: „Vom Verein möchten wir keine finanzielle Unterstützung“, legt Schell Wert auf die Unabhängigkeit. „Die Unterstützung kommt einzig und allein aus der Kurve, aus dem Herzen der FC-Anhängerschaft.“
Organisatorisch ist der Klub jedoch behilflich: Der Verein unterstütze die Planungen und die Organisation der Vor- und Nachbereitung, so Mendel. Dazu erhalten die Fans, die die Choreos organisieren, auch besonderen Zugang zum Stadion. „Besonderes Augenmerk wird natürlich auf die Brandschutzverordnung und viele andere Richtlinien gelegt, damit jederzeit die Sicherheit aller Fans gewährleistet ist“, betont Mendel. Die Reaktionen auf die Choreografien sind nicht nur im Stadion positiv: In den sozialen Netzwerken werden die Kurvenbilder verbreitet, viele wünschen sich die Motive als Poster. Auch die Spieler zeigen Interesse: „Nach Spielen mit großen Choreos fragen viele Profis nach Fotos“, berichtet Mendel. Für die Mannschaft seien sie immer zusätzlich motivierend.
Mitunter gibt es auch für die Ultras Rückmeldungen der FC-Kicker. „Mit den aktuellen Spielern bestehen einzelne Kontakte, über die man dann durchaus auch mal positives Feedback erhält“, erzählt Schell. Früher habe sich nach Choreos sogar oft Lukas Podolski gemeldet – inklusive Ideen und Vorschlägen für zukünftige Aktionen. „Das war manchmal schon ganz lustig“, erzählt Schell.
Der schönste Dank kam jedoch von einem nicht mehr aktiven Spieler. FC-Legende Hans Schäfer (86) bedankte sich nach der Meisterchoreo, die sein Konterfei zierte, persönlich in der Südkurve. Doch nicht nur das: Am Montag nach der Choreografie griff der Weltmeister von 1954 zum Telefon – und rief bei der „Wilden Horde“ an. „Das war eine überwältigende Geschichte für uns alle. Hans Schäfer gehört für uns zweifelsohne zu den Fundamenten des 1. FC Köln als Traditionsverein“, erklärt Schell. „Das war eine Art Ritterschlag für die Kurve. Nach einer solchen Anerkennung weiß man dann auch wieder, warum man sich noch die Mühe für solche Sachen macht.“
Auch in dieser Spielzeit wird sich die Gruppe wieder Mühe geben: Schon zum Auftakt gegen den Hamburger SV haben die Fans wieder etwas in petto. Die Rückkehr in die Bundesliga steht ganz unter dem Motto „Chaos“. Sicherlich wird auch diese Aktion wieder für viele erstaunte Blicke sorgen.
Thomas Reinscheid