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Köln.Sport

Goldene Zeiten

Es war eines der größten Sports-Events in unserer Sportstadt, doch am 8. August 1999 fand das 50. und letzte ASV-Sportfest „Weltklasse in Köln“ statt. Macher Manfred Germar blickt gemeinsam mit Köln.Sport zurück auf dieses legendäre-Meeting, beim die versammelte Leichtathletik-Weltelite zu Hause war.

Carl Lewis (l.) holte bei Olympischen Spielen während seiner Karriere neun Mal Gold (Foto: imago images / Pressefoto Baumann)

Sergej Bubka ist hochkonzentriert. Die Hände fest am Stab, geht sein Blick entschlossen nach vorne. Bubka wippt seinen Körper immer wieder vor und zurück, nimmt Maß. Die 30.000 Zuschauer im Rund des Müngersdorfer Stadions klatschen rhythmisch und lautstark mit. Die Anspannung steigt.

Der Weltrekordhalter im Stabhochsprung sprintet los, erreicht die Matte, setzt den Sprungstab in den Einstichkasten und katapultiert sich in die Höhe. Beim Versuch des Überquerens reißt Bubka die aufgelegte Latte und purzelt hinunter. Das Publikum stöhnt auf, alle sacken in sich zusammen. Kein neuer Weltrekord. Der Ukrainer steht auf, winkt artig ins Publikum und springt von der Matte. Bis zum nächsten Mal …

Dieser Auftritt Bubkas beim ASV-Sportfest liegt zwar gut dreißig Jahre zurück. Doch das Stabhochsprung-Ass, das in seiner Karriere als Erster die Sechs-Meter-Marke knackte und 17 Freiluft- sowie 18 Hallen-Weltrekorde aufstellte, war nur einer von vielen Top-Athleten, die regelmäßig im Schatten der Domtürme antraten. Vor allem in den 80er- und 90er-Jahren gaben sich die großen Stars in Köln die Klinke in die Hand.

Event der Superlative

Möglich machte dies vor allem einer: Manfred Germar. Der heute 84-Jährige wirkte von 1968 bis 1999 als Organisationsleiter des ASV-Sportfestes und zog die Veranstaltung in dieser Zeit zu einem der besten internationalen Leichtathletik-Meetings auf. Topstars wie Carl Lewis, Edwin Moses, Sebastian Coe, Sergej Bubka oder Publikumsliebling Merlene Ottey folgten seinem Ruf. Außerdem wurden in Müngersdorf insgesamt zehn Weltrekorde aufgestellt. Somit führte dieser Event zu Recht den Slogan „Weltklasse in Köln“.

„Ich denke mit Freuden an das ASV-Sportfest zurück“, sagt Germar im Gespräch mit Köln.Sport. Enttäuscht hat ihn die Absage im Jahr 1998, aber dazu später mehr. Für den ersten Weltrekord im Kölner Stadionrund zeichnete er denn auch selbst verantwortlich.

„Das war 1958“, erinnert sich der ehemalige Spitzen-Sprinter, „nach den Europameisterschaften in Stockholm lief ich in der 4×100-m-Staffel mit Martin Lauer – meinem Vereinskameraden vom ASV Köln –, Heinz Fütterer und Manfred Steinbach Weltrekord in 39,5 Sekunden.“

Im Laufe der Jahre fallen in Köln neun weitere Leichtathletik-Weltrekorde. 1983 überquert der Franzose Pierre Quinon 5,82 Meter im Stabhochsprung. „Wir konnten die Höhe gar nicht einstellen und mussten das Gerüst auf Holzbalken stellen, um sie zu erreichen“, erzählt Germar. Am gleichen Tag lief auch noch Sidney Maree (USA) Weltrekord über 1.500 Meter.

40.000 Zuschauer in der vollen Arena

Häufig waren es bis zu 30.000 Zuschauer und mehr, die zum ASV-Meeting in Köln strömten. „1992 hatten wir sogar 40.000 Besucher, auch weil ein Weltrekord über 3.000 Meter angekündigt war.“ Doch der blieb schließlich aus. Überhaupt gingen „Ansagen“ dieser Art nicht immer auf. Wie beim US-amerikanischen Hürden-Star Edwin Moses, der sich insbesondere mit dem Deutschen Harald Schmid in den 80er-Jahren viele spannende Duelle lieferte.

„Ed wollte in Köln Weltrekord laufen, war richtig heiß darauf“, berichtet Germar. „Zuvor waren wir noch gemeinsam in der ,Bastei‘ am Rhein essen, wir hatten ein super Verhältnis zu ihm.“ Und dann passierte während des Wettkampfs etwas Unvorhergesehenes. „Als der Startschuss ertönt war, ging plötzlich das Marathontor im Stadion auf, weil irgendwelche Sachen hineingefahren wurden. Dadurch bekam Moses auf der Gegengerade Gegenwind – und der Weltrekord war weg.“

„Wir bekamen nur 75.000 Mark“

Germar holte in seiner aktiven Zeit Olympia-Bronze (1956) sowie drei EM-Titel, ehe er nach Karriereende die Funktionärslaufbahn einschlug. Zunächst als geschäftsführender Vorstand, später als Präsident des ASV Köln. Daneben füllte er seine Aufgabe als Organisationschef des Sportfestes voller Leidenschaft aus. Unterstützt wurde der Macher dabei von Klaus Ulonska.

Das kölsche Original, das 2015 verstarb, ist vielen noch als nimmermüder Fortuna-Präsident mit Spendenball in Erinnerung. Beim ASV wirkte Ulonska, der gemeinsam mit Germar 1962 Staffel-Gold bei der EM gewann, viele Jahre als Schatzmeister. „Während ich beim Sportfest für die sportlichen Belange verantwortlich war, kümmerte sich Klaus um die Finanzen“, sagt Germar. Und schmunzelt: „Wir haben uns damals gut verstanden. Aber manchmal habe ich nicht nur die Athleten, sondern auch den Klaus überzeugen müssen.“

Finanzielle Probleme

Denn im Laufe der Jahre wurden die finanziellen Herausforderungen für die Macher zunehmend größer. Das erste ASV-Sportfest, das 1934 in der Domstadt ausgetragen wurde, hatte noch ein Budget von rund 30.000 Mark. Bis zu den 60er-Jahren stiegen die Kosten, blieben aber bis auf wenige Ausnahmen unter der 100.000er-Grenze.

„Als ich 1968 das Sportfest übernahm, hatten wir 100.000 Mark zur Verfügung“, erinnert sich Germar. In der 80er-Jahren stiegen die Kosten dann rapide, „da waren wir schon bei einer Million“. Schwieriger wurde die Finanzierung des kölschen Sportfestes auch, weil die TV-Gelder der öffentlich-rechtlichen Sender für die Übertragung nicht gerade üppig ausfielen.

„Wir bekamen nur 75.000 Mark“, sagt der ehemalige Weltklasse-Sprinter, „davon konnte ich gerade einmal einen Top-Athleten bezahlen.“ Andere Meetings in Europa, die weltweit übertragen wurden, erhielten in den 90ern sechs- bis siebenstellige Beträge von den Sendeanstalten und dem internationalen Leichtathletik-Verband IAAF. Der Grund: Das ASV-Sporfest gehörte trotz seines Top-Niveaus nicht zur Grand-Prix-Serie der IAAF.

Mangelnde TV-Unterstützung

„Obwohl wir international immer zu den drei, vier besten Sportfesten gehörten“, betont Germar. „Die 50. Auflage von „Weltklasse in Köln“ 1998, die auf 2,4 Millionen Mark budgetiert war, musste letztlich mangels TV-Unterstützung ausfallen. „Finanziell war es nicht mehr zu stemmen. Wir hatten damals einen Vertrag mit dem Rechtevermarkter UFA, doch dann konnte unsere Veranstaltung wegen terminlicher Schwierigkeiten nicht im Fernsehen übertragen werden.“

Schließlich mussten die Organisatoren das Sportfest schweren Herzens absagen. Während die meisten internationalen Athleten für eine Gage von 2.000 bis 3.000 Dollar in Köln antraten, waren die absoluten Topstars wesentlich teurer. „Carl Lewis zum Beispiel bekam 50.000 Dollar. Für die Zuschauer waren solche Namen aber einfach wichtig“, weiß Germar. Deshalb legte sich das ASV-Duo auch anderweitig ins Zeug, um die Stars von einem Start in Köln zu überzeugen.

„Für die publikumswirksamen Auftritte des Dreisprung-Clowns Willie Banks spannte der Ex-Sprinter (Ulonska; d.Red.) sogar seine Tochter Alexandra und die Germar-Tochter Britta ein“, berichtete der „Spiegel“, „die den unternehmungslustigen Ami bis in den frühen Morgen auf seinen Streifzügen durch die Diskos begleiteten.“ Und Sergej Bubka kam besonders gerne in die Domstadt, weil er mit dem Auto der Ulonska-Gattin Helge Spritztouren unternehmen durfte. „Das war typisch Ulonska“, lacht Germar, „aber das war ,nur‘ ein Porsche 944, sozusagen der Volks-Porsche.“

„Gute Jugendabteilung“

1999 kam ein weiteres Problem hinzu: Die Stadt entschied sich für den Bau ein neues Stadions zur Fußball-WM 2006, weil das alte nicht mehr den Statuten entsprach. „Das war dann das Ende des Sportfestes“, erklärt der langjährige Meeting-Direktor, der sein Amt stets ehrenamtlich ausübte, wie er betont. Auch anderswo in Deutschland wurden neue Arenen errichtet, ohne Laufbahn.

„Frankfurt, Hamburg, Stuttgart – das waren Städte, in denen es große Sportfeste oder Deutsche Meisterschaften gab“, sagt Germar. „Heute werden diese in kleinen Stadien in Ulm, Braunschweig, Wattenscheid und Erfurt durchgeführt.“ Zwar schaut der passionierte Schwimmer immer noch gerne Leichtathletik, aber dies vorwiegend im Fernsehen.

Auch von „seinem“ ASV hat sich Germar zurückgezogen. Doch es freut ihn sehr, dass der Verein „eine so gute Jugendabteilung hat“. Hat er nach dem Aus in Köln nie damit geliebäugelt, das Sportfest an anderer Stätte neu aufleben zu lassen? „Düsseldorf hat mich einmal gefragt“, gesteht der gebürtige Kölner, „aber ich hatte einfach keine Lust mehr.“ Man kann es Manfred Germar nicht verdenken.

Autor: Frank Schwantes