Ziehen alle an einem Strang?
- Updated: Juni 29, 2011
OB Jürgen Roters spricht im Köln.Sport-Interview Missstände der Sportstadt Köln an – aber wie nehmen die Chefs der kölschen Sportszene die wichtigsten Thesen auf?
„Ich könnte mir eine Veranstaltung in der Arena vorstellen“ Jürgen Roters
Jürgen Roters regt, um den spärlichen Event-Kalender aufzufüllen, ein Leichtathletik-Meeting in der Lanxess-Arena an. Für Hallen-Boss Stefan Löcher durchaus eine Überlegung wert:
„Aus meiner Sicht sind – ohne dies näher geprüft zu haben – eine Vielzahl von Disziplinen bei uns umsetzbar. Und Köln hat mit dem ASV-Sportfest eine lange Leichtathletik-Tradition.“ Alleine schultern möchte Löcher ein Sportfest indes nicht. „Als rein privatwirtschaftlich betriebene Arena müssten wir das wirtschaftliche Risiko abwägen, denn das Starterfeld müsste mit internationalen Größen besetzt sein, um den Fans ein attraktives Meeting zu präsentieren.“ Der Hallenmanager fordert daher: „Mit dem OB als Fürsprecher wären auch die Stadt Köln sowie der Leichtathletik-Verband in der Pflicht, denn nur gemeinsam wäre eine solche Idee realisierbar.“
Eine andere Variante eines Comebacks der Leichtathletik bringt Helmut Wasserfuhr, der Vorsitzende des StadtSportBundes Köln (SSBK), ins Spiel: „Warum veranstaltet man kein Sportfest im NetCologne-Stadion, dann eben ‚nur‘ vor 10.000 Zuschauern? Da müsste die Initiative ergriffen werden.“ Doch selbst bei ausverkauftem Haus ließen sich Topstars nicht finanzieren, spendable Sponsoren wären erforderlich.
„Wir überlegen derzeit, dem Sportamt vier weitere Sportstätten zu übertragen“ Jürgen Roters
Sollen Südstadion, Sportpark Höhenberg, Albert-Richter-Bahn und Reit- und Baseballstadion von der Kölner Sportstätten GmbH zum Sportamt „wechseln“? Ein Gutachten, dessen Umsetzung Roters für sinnvoll hält, empfiehlt diese Neustrukturierung. Sportamtsleiter Dieter Sanden würde die „Neuzugänge“ gern unter seine Fittiche nehmen. „Damit hätte ich kein Problem. Im Gegenteil: Die Neustrukturierung wäre nur folgerichtig. Die GmbH muss Einnahmen generieren und daher – im Gegensatz zu uns – von den Breitensportvereinen hohe Gebühren nehmen.“ Eine Einschränkung macht Sanden jedoch: „Wenn die Anlagen dem Sportamt übertragen werden, dann auch ganz. Wenn ich Zeiten bei den Sportstätten anmieten müsste, würde das die Arbeit verkomplizieren.“
Hans Rütten, seines Zeichens Geschäftsführer der Sportstätten GmbH, würde die Neuordnung ebenfalls begrüßen: „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, macht der Betrieb dieser Anlagen durch das Sportamt für den Amateur-, Breiten- und Schulsport durchaus Sinn.“ Für sein Haus sieht Rütten dabei Vorteile: „Die Kölner Sportstätten GmbH könnte sich in der Folge auf ihr Kerngeschäft, die Vermarktung des Stadions mit großen Sportveranstaltungen, Konzerten und lukrativen Business-Events, konzentrieren.“
„Der FC muss für das Stadion einen fairen Preis nennen“ Jürgen Roters
Der 1. FC Köln denkt über den Kauf des RheinEnergieStadions nach. Wenn die Offerte der Geißböcke stimmt, wäre der OB durchaus gesprächsbereit. Sportstätten-Boss Hans Rütten rät dem FC zumindest nicht ab, die WM-Arena von 2006 zu erwerben. „Ich würde dem FC immer zu einem Stadionkauf raten, wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen so sind, dass der Betrieb und die Vermarktung dauerhaft gewinnbringend gestaltet werden können.“ Auf gut Deutsch: „Das Geschäft darf nicht unter zu hohen Belastungen leiden. Dafür dürfte aus Sicht des FC der Kaufpreis nicht so hoch sein, dass die Abschreibungen einen Profit unmöglich machen.“ Die Frage bleibt, wie weit die Stadt dem Club beim Preis entgegenkommen würde.
„Die Sport-Agenda 2015 wird in der Stadt verankert“ Jürgen Roters
Jürgen Roters verrät in Köln.Sport, dass im Sportamt eine Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Sport-Agenda und Unterstützung des Vereins Sportstadt Köln e.V. eingerichtet werden soll. Für Sportamtsleiter Dieter Sanden der richtige Schritt: „Ich würde es sehr begrüßen, wenn diese neue Stelle von der Haupt- und Organisationsverwaltung genehmigt würde.“ Die Anforderungen an den neuen Mitarbeiter sind allerdings hoch, wie Sandens Stellenbeschreibung belegt. „Es müssen viele Rollen ausfüllt werden: Ansprechpartner für alle Beteiligten und die Öffentlichkeit, Moderator, Koordinator, Kommunikator. Zudem sollten Synergien zwischen verschiedenen Themenfeldern wie etwa Sport und Gesundheit hergestellt werden.“
Naturgemäß zeigt sich Dr. Michael Rosenbaum, einer der Mit-Initiatoren der Agenda 2015, von der Installation einer solcher Position angetan. „Die Verwaltung wird ein ganz wesentlicher Partner für den Verein – ohne Unterstützung der Stadt könnte er nicht erfolgreich sein. Daher wird diese Schnittstelle für uns als Ansprechpartner von großer Bedeutung sein.“
Auch der StadtSportBund würde diese Maßnahme begrüßen. „Die Vereinsgründung wird einen Schub geben, verschiedene Projekte können angeschoben werden. Durch die Koordinierungsstelle wird das Projekt neuen Schwung kriegen – auch in Bereichen, wo vielleicht noch Geld fehlt, beispielsweise um Großereignisse nach Köln zu holen“, meint Helmut Wasserfuhr. Als Rivalen sieht der SSBK-Vorsitzende den Verein übrigens nicht. „Der Verein ‚Sportstadt Köln‘ wird weder in Konkurrenz zum SSBK stehen noch dessen Aufgaben übernehmen. Denn gerade der Spitzensport ist nur ein Randthema für den SSBK.“
„Dem StadtSportBund fehlt noch etwas Kreativität“ Jürgen Roters
Oberbürgermeister Roters räumt eine fehlende Lobby des unorganisierten Sports ein, kritisiert aber auch den SSBK in seiner Rolle als Stimme des Sports als zu wenig kreativ. Dessen Vorsitzender Helmut Wasserfuhr weist den Rüffel nicht rundweg ab, will aber bald mehr angreifen. „Wir haben seit 2010 Jahr einen neuen Vorstand, der wird neue Positionen beziehen und sich auch bei der Sport-Agenda 2015 stark einbringen wird.“ Wasserfuhr kündigt zudem an: „Wir werden künftig etwas offensiver sein, aber auch an internen Strukturen arbeiten. Es wird sich einiges bewegen beim SSBK.“ Eine Lösung für die vereinsungebundenen Sportler sieht auch Wasserfuhr nicht: „Es ist schwierig festzustellen: Wer tut überhaupt was? Da ist eine Lobby nur schwer herstellbar.“
Generell eine fehlende Lobby für den Sport sieht Agenda-Mitgestalter Rosenbaum. „Im Kulturbereich agieren alle zusammen. Im Sport gab es einen solchen Zusammenhalt bislang nicht – jeder kämpft für sich allein. Es wird eine zentrale Aufgabe des Sportstadt Köln e.V., künftig für den Sport eine politisch und verwaltungstechnisch unabhängige Lobbyarbeit zu betreiben.“
„Wir können nicht mehr ausgeben als einnehmen“ Jürgen Roters
24 Millionen Euro steckt die Stadt in 2011 in den Sport, doch SSBK-Boss Helmut Wasserfuhr hätte gerne mehr gehabt. „Für dieses Jahr haben wir damit unseren Frieden gemacht. Aber wir wollen schon mehr Geld für den Sport haben, da an den Sportstätten einiges getan werden muss. In den nächsten Jahren werden wir unsere Vorstellungen zu Gehör bringen.“
Dem Wunsch der Sportjugend Köln nach einer signifikanten Erhöhung der Jugendbeihilfe erteilt der OB eine klare Absage. Deren Vorsitzender Peter Pfeifer gibt aber so schnell nicht auf. „Uns ist klar, dass das kein Wunschkonzert ist. Wir wissen um die finanzielle Situation der Stadt, bleiben aber optimistisch. Die Jugendbeihilfe ist zwar auf einem historischen Hoch, dennoch wird jede Übungsstunde nur mit etwa 5 Cent pro /Kind gefördert.“ Pfeifer kämpferisch weiter: „Daher fordern wir einen substanziellen Beitrag für die Vereine. Jürgen Roters hat das Recht zu sagen: ‚Das geht nicht‘. Aber wir haben ebenso das Recht, mehr Geld zu fordern.“
Fazit:
Trotz klarer Ansagen erntet Jürgen Roters nur wenig klaren Widerspruch. Offenbar sind sich die wesentlichen Akteure der kränkelnden Kölner Sportszene der Tatsache bewusst, dass es nicht zum Besten steht. Und auch über die richtige Medizin zur Heilung besteht Einigkeit. Wenn nun – endlich – alle an einem Strang ziehen, kann der Sport nur profitieren. Das ist eine gute Nachricht.
Dieser Artikel erschien der KÖLN.SPORT-Ausgabe 06/11