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Köln.Sport

„Wir waren nicht immer die Cleversten“

Einst waren die ehemaligen Türsteher Anton Claaßen und Jakob Franzen knallharte Jungs aus der Rotlicht-Szene. Heute sind „Der Lange Tünn“ und „Karate-Jacky“ aufgrund ihrer schonungslosen Analysen und gewagten Thesen zum 1. FC Köln längst Kult. Ein nicht alltägliches Interview – Teil 2.
Langer Tünn

In der Metzgerei Schmidt in der Merowingerstraße treffen sich der Lange Tünn und Jacky Franzen regelmäßig auf einen Kaffee (Foto: Pauline Kowol)

(Lesen Teil 1 des Interviews mit dem Langen Tünn und Karate-Jacky)

Seine Kapitänsbinde musste Matthias Lehmann nun an Jonas Hector weiterreichen. Was haltet ihr von der Wahl?

Langer Tünn: Der Hector ist an und für sich viel zu ruhig für einen Kapitän. Timo Horn wäre als Typ besser geeignet, aber wahrscheinlich wollte man nicht den Torwart zum Kapitän machen, weil er von hinten zu wenig Einfluss auf das Spiel hat. Deswegen ist Jonas Hector als einziger Nationalspieler keine schlechte Wahl. Man muss sich ja auch fragen: Wer wäre denn die Alternative gewesen?

Apropos Typen: Früher verkehrten FC-Spieler auch mal auf den Ringen, Heinz Flohe lief sogar mal in der Milieu-Mannschaft „FC Johnny“ auf. Heute absolut undenkbar.

Langer Tünn: Früher war der Fußball und auch die Mentalität der Spieler ganz anders. Heute sind die Profis aalglatt. Damals wurde in den Interviews direkt nach dem Spiel noch das gesagt, was die Spieler wirklich gedacht haben. Und anschließend ging es dann in die Kneipe, zum Zocken oder es wurde sich anderweitig vergnügt, wenn Sie verstehen, was ich meine. Die Fußballer kamen auch regelmäßig in die Diskotheken, in denen wir die Tür gemacht haben. Günther Netzer zum Beispiel war alle 14 Tage da. Auch Spieler vom FC. Natürlich stand das niemals in irgendeiner Zeitung, aber das war allgemein bekannt.

Jacky: So wie sich die Spieler verändert haben, hat sich ja auch die Trainergilde verändert. Früher waren das Typen, so wie der Weisweiler zum Beispiel. Auf die wurde gehört. Heute ist da die neue Generation, Nagelsmann, Tuchel – die haben zehn Assistenztrainer, die brauchen ja kaum noch was zu tun. Oder der Jogi Löw, das ist ja ein lieber Kerl, aber dem tanzen die Spieler auf der Nase herum.

Langer Tünn: Der Löw hat versagt, auch im Umgang mit Mesut Özil. Wobei das ganze Theater niemals so groß geworden wäre, wenn die Nationalmannschaft im Turnier weit gekommen wäre. Dann hätte das hier keine Sau mehr interessiert. Aber ich kann dem Jungen keinen großen Vorwurf machen. Der hat zwei Herzen in der Brust, dem seine Eltern sind Türken und die haben eine andere Mentalität als wir. Der Präsident ist für die ein Heiligtum. Die Merkel war vor zwei Wochen hier in Köln-Kalk in einer Kita, das hat keinen interessiert. Man darf das alles nicht überbewerten.

Wie sieht es eigentlich bei euch beiden aus mit Sport?

Jacky: Ich brauche immer noch die Bewegung, ich muss immer aktiv sein. Das ist meine Passion und war schon immer so. Ich habe ja mein Leben lang nur gekämpft. Auf der Straße, beim Judo oder beim Kickboxen. Es gab auch Kämpfe, bei denen ich richtig ausgerastet bin. So was wollten die aber nicht sehen im Ring, die wollten saubere Kämpfe. Aber wir waren ja die Assis, die Schläger, und deshalb nicht überall beliebt.

Langer Tünn: Uns hat man damals in bestimmten Kreisen nicht gern gesehen in Köln. Das war auch bei der Wohnungssuche ein Problem. Man muss aber auch ehrlicherweise zugeben, wir waren nicht immer die Cleversten früher. Der Jacky hätte es sehr weit bringen können im Milieu, wenn er ein bisschen intelligenter gewesen wäre. Aber leider hat er nichts in der Hose und konnte mit Frauen nicht umgehen. Ich hatte auch Möglichkeiten. Ich habe den ersten Spielerberater in ganz Deutschland kennengelernt, Holger Klemme, den kennt heute jeder. Der hatte unter anderem Rudi Völler und viele weitere Top-Spieler unter Vertrag. Er wollte mich da reinholen, aber ich habe abgelehnt, weil ich zu der Zeit im „Lovers Club“ arbeitete. Ich hatte da gar kein Interesse daran, die Zockerei ging bei mir vor. Heute würde ich das vielleicht anders machen, aber damals war das einfach so.

Ihr habt beide in der Türsteherszene gearbeitet. In jungen Jahren hat auch Manuel Charr mal „die Tür gemacht“, heute ist er Weltmeister im Schwergewicht. Ende September steht seine Titelverteidigung gegen Fres Oquendo in der Lanxess-Arena an, geht ihr hin?

Langer Tünn: Ja, das werde ich mir wahrscheinlich angucken, denn mein Manager (Roland Bebak, Anm. d. Red.) hat den Jungen aufgebaut. Manuel ist aus dem Nichts gekommen und hat es bis ganz nach oben geschafft. Wenn man bedenkt, wie viele Rückschläge er einstecken musste: Die Schussverletzungen, die kaputte Hüfte …, da kann man nur den Hut ziehen! Das ist ein guter Boxer mit Herz, den ich persönlich sehr schätze und ihm deswegen auch die Daumen drücke. Aber mal ehrlich, der kämpft jetzt gegen einen 45-Jährigen, das ist doch kein Gegner.

Jacky, du hast Gerüchten zufolge nie einen Kampf auf der Straße verloren. Wenn du dort mit Manuel Charr aneinandergeraten würdest: Hätte er eine Chance?

Jacky: Mich hat keiner k. o. gekriegt. Ich habe beim Kickboxen ähnlichen Kalibern wie Manuel Charr gegenübergestanden, die dachten: „Den mache mich mal eben mit links platt.“ Aber die wussten nicht, dass ich einen Turbo habe. Solche Typen habe ich mir gepackt und denen gezeigt, wo’s lang geht. Wenn ich anfange im In-Fight zu clinchen, dann wissen die nicht mehr, was sie machen zu sollen. Dann hab ich die.

Langer Tünn: (lacht) Der Jacky ist ja 20 Jahre älter als der Manuel, der hätte heute natürlich keine Chance gegen den. Er kommt ja auch aus einer anderen Sportart. Jacky hat Judo gemacht, das war kein Schläger. Aber wenn der Jacky in seiner Hochform von damals wäre, dann wäre das ausgeglichen, da bin ich mir sicher. Denn Boxer haben es gegen Leute, die vom Judo oder Ringen kommen, immer schwer.

Früher hatte das Boxen in Köln einen anderen Stellenwert. Findet ihr es schade, dass es heutzutage so wenig Veranstaltungen in der Domstadt gibt?

Langer Tünn: Köln war eine Hochburg für das Boxen. „De Aap“, „Jupp“ Elze, Willi Niederau, dazu die ganzen Amateurkämpfe. Da saß das ganze Milieu in den ersten Reihen, das gibt es heute gar nicht mehr. Die Boxveranstaltungen in den Sartory-Sälen waren sensationell, da haben die Größten geboxt: Graciano Rocchigiani, Vitali Klitschko und so weiter. Das fehlt heute. Heute dreht sich alles nur um den FC, daneben ist kein Platz. Aber das ist schon in Ordnung so. Die Kölner sind so verrückt nach dem Effzeh, das ist Weltspitze.