„Wir tun gut daran, uns in Demut zu üben“
- Von Peter Stroß
- Updated: Juli 12, 2018
Markus Anfang kam mit einer klaren Zielsetzung zum 1. FC Köln: den Klub zurück in die Bundesliga zu führen. Die Grundlagen dafür legt der Coach in der Vorbereitung. Wie seine neue Spielphilosophie aussieht und warum sein Team jetzt vor allem Erfolgserlebnisse braucht, verrät der gebürtige Kölner im Interview.
Herr Anfang, Sie haben bei der ersten Pressekonferenz gesagt, das erste Trainingslager solle vor allem dazu dienen, die Spieler kennenzulernen. Inwiefern ist das gelungen?
Im Trainingslager ist man rund um die Uhr mit den Spielern zusammen: Beim Essen, auf dem Trainingsplatz, bei den Besprechungen oder in der Hotellobby. Keiner muss zwischendurch weg, die Spieler haben wenig Stress. Da muss man Gespräche nicht planen, sie ergeben sich einfach. So war es uns möglich, wahnsinnig viel Nähe zu den Spielern aufzubauen. Das ist im normalen Trainingsbetrieb in dieser Form nicht machbar. Das Trainerteam konnte die Spieler kennenlernen und umgekehrt die Spieler uns. Auch die Jungs machen sich natürlich ein Bild: Wie reagiert der Trainer in welcher Situation? Wann kann man auch mal einen Spaß machen? Wann musst du dich voll fokussieren? Um das herauszufinden, war das Trainingslager perfekt.
Ihre Spielidee erfordert Mut und setzt Selbstvertrauen voraus. Dieses dürfte allerdings bei vielen nach dem Abstieg gelitten haben. Ist es für die Spieler vor allem eine mentale Herausforderung, dieses mutige Spiel anzunehmen und voller Überzeugung zu praktizieren?
Dass die mentale Komponente eine wichtige Rolle spielt, muss man in der heutigen Zeit nicht mehr erklären. Deswegen arbeiten viele Profivereine mit Mentaltrainern zusammen, die mit Spielern individuell und im Mannschaftsverbund arbeiten. Nach einer Saison wie der letzten brauchen wir jetzt vor allem Erfolgserlebnisse. Das muss nicht immer ein gutes Ergebnis sein. Das kann ein gutes Spiel sein, manchmal reicht schon eine gute Aktion. Das sind auch Erfolgserlebnisse. Mit ihnen kehren der Mut und das Selbstvertrauen zurück.
Wie zufrieden sind Sie mit dem aktuellen Kader? Würden Sie sich wünschen, dass ihr Geschäftsführer Sport beispielsweise für die Außenbahn noch einen Spieler verpflichtet?
Wir verschließen uns nicht davor, noch einmal auf dem Transfermarkt tätig zu werden, wenn es passt. Aber wir werden jetzt nicht in Aktionismus verfallen, denn wir haben einen starken Kader. Viele Spieler haben sich zum FC bekannt, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten, den Verein zu verlassen. Das Fundament ist da. In der Vorbereitungsphase schauen wir ganz genau hin, ob und wie wir das noch ergänzen und wer sich auf welcher Position in den Fokus spielt. Jeder kann seine Chance nutzen. Darüber hinaus wird Armin Veh den Markt beobachten und schauen, ob sich noch etwas Sinnvolles ergibt.
In den technisch starken Neuzugang Louis Schaub setzen viele Fans große Hoffnungen. Planen Sie mit ihm eher im Zentrum oder wäre er eine Option für den Flügel?
Louis ist ein Spieler, der aufgrund seiner Qualitäten flexibel einsetzbar ist, das hat er bei Rapid Wien unter Beweis gestellt. Er kann viele Positionen spielen, sich unheimlich gut in den Räumen bewegen, hat darüber hinaus einen extrem starken linken Fuß. Es ist möglich, dass er auch mal über den Flügel kommt, aber unsere Spielphilosophie sieht ohnehin vor, dass die Spieler nicht starr auf dem Flügel oder im Zentrum kleben, sondern variabel in den Räumen agieren.
In der heutigen Zeit wird viel über Systeme und Taktiken gesprochen. 4-1-4-1, 4-2-3-1 – Sie haben bereits betont, dass man Systeme nicht auf solche Zahlenkombinationen reduzieren kann. Warum nicht?
Bei unserer Spielidee kommt es in erster Linie darauf an, wer welchen Raum besetzt. Die Experten können sich das dann gerne von der Tribüne aus anschauen und analysieren, in welcher Grundordnung gespielt wird. Für uns ist das nicht entscheidend. Uns geht es darum, dass sich die Spieler in Ballbesitz flexibel in den Räumen bewegen und Lösungsmöglichkeiten haben. Darüber hinaus bereiten wir unsere Spieler so vor, dass sie bei gegnerischem Ballbesitz je nach Grundordnung wissen, wie sie anlaufen müssen und wie sie Druck auf den Ball bekommen.
Ein Problem des FC war in der Vergangenheit, dass das Mittelfeld zu wenig Torgefahr ausstrahlte. Wie wollen Sie insgesamt mehr Torgefahr ins Kölner Spiel bringen?
Wir haben genügend Akteure im Kader, die ihre Treffsicherheit in der Vergangenheit unter Beweis gestellt haben. Simon Terodde, Jhon Cordoba, Louis Schaub, Christian Clemens, Marcel Risse und viele weitere. Deswegen ist mir das viel zu pauschal. Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Mannschaft die Qualität hat, viele Tore zu erzielen.
Im Sturm ist die Konkurrenz groß. Mit Simon Terodde haben Sie einen ausgewiesenen Zweitliga-Experten im Kader, gleiches gilt für Simon Zoller. Auch Jhon Cordoba und Sehrou Guirassy werden um den Platz im Sturm ein Wörtchen mitreden …
Es ist ja längst nicht gesagt, dass nicht mehrere der genannten Stürmer gleichzeitig auf dem Platz stehen können. Die Position eines offensiven Mittelfeldspielers kann beispielsweise auch ein nomineller Stürmer bekleiden. Gleiches gilt für die Außenbahn, dort haben Simon und Sehrou auch schon gespielt. Theoretisch könnten also alle vier Angreifer auf dem Platz stehen. Für uns stellt sich immer die Herausforderung: Welche Lösungen finden wir gegen welchen Gegner und wer passt zu unserem Matchplan am besten. Insofern ist es schon wichtig, dass wir im Offensivbereich viele Möglichkeiten haben.
Sie wurden von Fans und den Medien in Köln mit offenen Armen empfangen. Freut Sie das oder spüren Sie durch den allgemeinen Zuspruch auch einen zusätzlichen Erfolgsdruck?
Ich freue mich generell, dass ich Trainer beim 1. FC Köln sein kann, und es ist natürlich schön zu sehen, dass das positiv wahrgenommen wird. Aber abgesehen von der öffentlichen Erwartungshaltung hier in Köln habe ich an mich selbst hohe Ansprüche und möchte die Ziele erreichen, die ich mir selber setze. Diese dürften sich mit denen der Fans decken.
Was ist bislang die größte Umstellung für Sie hier in Köln, sowohl privat als auch beruflich, im Gegensatz zu Ihrer Zeit in Kiel?
Der größte Unterschied für mich privat ist, dass ich hier mein vertrautes Umfeld habe und mich nicht erst ein paar Stunden ins Auto setzen muss, so wie das zu Kieler Zeiten war. Ansonsten ist die Größe des Klubs mit Kiel natürlich nicht vergleichbar. Holstein Kiel befindet sich in der Entwicklung zu einem gestandenen Zweitliga- möglicherweise sogar zu einem Bundesligaverein. Der Effzeh hingegen ist ein Traditionsverein und eine große Adresse im deutschen Fußball. Die Aufmerksamkeit und die Wahrnehmung ist da logischerweise eine ganz andere.
Sie streben den direkten Wiederaufstieg an. Welche Klubs sind ihrer Meinung nach die größten Konkurrenten im Aufstiegsrennen?
Die letzte Saison hat gezeigt, wie eng die Leistungsdichte in dieser Liga ist. Wenige Spieltage vor Schluss trennten die Auf- und Abstiegskandidaten nur drei, vier Punkte. Die Liga ist ausgeglichen, da kann es jede Menge Überraschungen geben, Teams mit denen man nicht rechnet, die aber auf einmal oben mitspielen. Die Bundesliga-Absteiger gehören aber sicher immer zu den Aufstiegsfavoriten – das gilt insbesondere für die kommende Spielzeit, weil es sich um zwei so namhafte Traditionsklubs handelt.
Nehmen sie diese Favoritenrolle denn an?
Ja, das ist unser Anspruch. Der Druck von außen ist auch nicht größer als der, den wir uns selbst machen. Wir wissen, wo wir herkommen und da wollen wir auch wieder hin. Das geht nur mit gutem und erfolgreichen Fußball, Den wollen wir hier sehen, und dafür arbeiten wir jeden Tag. Nur: Weil jetzt alle meinen, der 1. FC Köln ist Favorit in der Zweiten Liga, dürfen wir nicht anfangen, die Gegner zu unterschätzen. Wir tun gut daran, uns nach einer solchen Saison erst einmal in Demut und Bescheidenheit zu üben. Es gibt genug starke Mannschaften in der Zweiten Liga, die alle guten Fußball spielen.
Der Spielplan steht: Sie starten in Bochum, anschließend spielt der FC zu Hause gegen Union Berlin. Hätten Sie lieber zuerst zu Hause gespielt?
Natürlich brenne auch ich darauf, in das Stadion einzulaufen, die Atmosphäre aufzusaugen, weil es einfach etwas Besonderes ist. Umso mehr, weil ich Kölner bin und eine besondere Beziehung zu dem Stadion habe. Aber mit dem Auswärtsspiel in Bochum kann ich auch leben, da haben wir zum Auftakt nur eine kurze Reise.
Bereuen Sie eigentlich im Nachhinein, dass Sie als Spieler nie mit dem Geißbock auf der Brust auflaufen konnten?
Es hat sich in meiner Karriere nicht die Möglichkeit ergeben. Dafür gehe ich jetzt als Trainer den Weg, das ist sehr okay so.
Vollenden Sie folgenden Satz: Am 19. Mai 2019 …
… haben wir hoffentlich ein richtig gutes Spiel gemacht!
Das Interview führte Peter Stroß
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