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Köln.Sport

Unvergessen

Vor zehn Jahren verstarb Robert Müller an einem unheilbaren Krebsleiden. In den Herzen vieler Eishockey-Fans lebt der einstige Haie-Torwart weiter, seine Nummer 80 wird ligaweit nicht mehr vergeben. Eine emotionale Erinnerung
Müller

Wird Kölnern ewig in Erinnerung bleiben: Haie-Goalie Robert Müller. (Foto: dpa/Rolf Vennenbrand)

Plötzlich war sein Bild mir wieder vor Augen. Plötzlich sah ich einmal mehr dieses verschmitzte Lächeln, das ich auf offiziellen Fotos so oft bemerkt hatte. Plötzlich sah ich Robert Müller im Trikot der Deutschen Eishockey-Nationalmannschaft wieder vor mir. Nicht, weil ich für meinen Artikel, diesen Artikel recherchiert hatte. Nein, weil inmitten einer Folge der Sendung „Last Week Tonight“ des englischen Comedians John Oliver wie aus dem Nichts eine Referenz auf den viel zu früh verstorbenen Torwart der Kölner Haie fiel. Es war ein kleiner Witz am Rande, der sich aus der Namensgleichheit zum US-Sonderermittler Robert Mueller ergab. Und doch war Müller, der Eishockey-Torwart, wieder präsent. Vor zehn Jahren verstarb er. Nur einen Monat vor seinem 29. Geburtstag. Nach langem, auch öffentlich geführten Kampf gegen den Krebs. Dieser verdammte Krebs, der das Leben eines äußerst talentierten Schlussmanns, eines jungen Familienvaters jäh beendete.

Es kamen die Erinnerungen bei mir hoch: Wie der damals schon als kommender Goalie der Nationalmannschaft gehandelte Müller sich einen kapitalen Bock in der Kölnarena erlaubte. Mit den StarBulls Rosenheim kassierte der Jungspund einen Treffer von der Mittellinie. Konzentrationsmangel? Auf jeden Fall gab es Häme von der Tribüne, von den Kölner Fans, von mir, der damals zusammen mit seiner Familie und Freunden im Oberrang eine Dauerkarte sein Eigen nannte. Wenige Jahre später sollte Müller in der Kölnarena seinen ersten großen Triumph feiern: Mit den Krefeld Pinguinen entriss der damals 22-Jährige den Haien im entscheidenden fünften Spiel um die Meisterschaft sensationell den Titel – seine mitunter sensationellen Paraden waren der Grundstein dafür.

Jüngster deutscher Stammtorwart, erster deutscher Stammtorwart seit dem Düsseldorfer Helmut de Raaf 1996 – sagt Wikipedia. Ich registrierte das damals nicht, war jedoch etwas neidisch: Diesen spektakulären Torwart würde ich auch gern einmal im Haie-Trikot bewundern dürfen.

Schicksalsjahr 2006

Der Wunsch sollte mir erfüllt werden, wenngleich der Lebensweg des Robert Müller bis dato einen dramatischen Verlauf nehmen sollte: Nach vier Jahren in Krefeld ging es für den Nationaltorwart 2006 zurück nach Mannheim, wo er sich zuvor als junger Schlussmann nicht hatte durchsetzen können. Es sollte das Schicksalsjahr für ihn werden.

Beim Deutschland-Cup in Hannover litt er unter Schwindelanfällen, wurde zurück bei seinem Verein zur Untersuchung geschickt und bekam eine Diagnose, die ihn fortan nicht mehr loslassen sollte. Krebs. Gehirntumor. Glioblastom. Unheilbar. Todesurteil. Aufhören kam für den eishockey-vernarrten Müller nicht infrage, drei Monate nach der ersten Operation kehrt er aufs Eis zurück. Trotz Chemo- und Strahlentherapie. Schon zuvor schwappte eine Welle der Anteilnahme durch die Stadien, Fans und Vereine bekundeten ihre Unterstützung für den allseits beliebten Rosenheimer. Bewegende Momente.

Tränen in den Augen, als Müller im letzten Spiel der Finalserie 2007 für die abschließenden Sekunden eingewechselt wird. Er ist zurück – doch für den Tumor gilt dasselbe. „Ich weiß, dass noch ein Stück da ist in meinem Kopf“ – der Oberbayer ging offen mit der Situation um, wenn er über das Thema reden wollte: „Ich habe sehr, sehr viel Glück gehabt.“

Sportlich wird es allerdings für ihn schwieriger: Mannheim setzt, auch wegen der Krankheit und der daraus resultierenden epileptischen Anfälle, nicht vollends auf Müller. Über den Umweg Duisburg kommt er zum KEC, soll den nach Russland abgewanderten Stammgoalie Travis Scott ersetzen. „Köln ist das, was Robert Müller neben seiner Familie mehr als alles braucht. Köln ist Emotion“, heißt es später in einem „WAZ“-Nachruf. Nichts könnte besser passen: Die Haie-Fans verlieben sich auf Anhieb in diesen so unorthodox agierenden Torwart mit der dramatischen Lebensgeschichte. Auch weil Müller hält wie in besten Zeiten, der von einer großen Narbe gezeichnete Sportler scheint wieder ganz der Alte zu sein. Im Marathonspiel gegen Mannheim zeigt er sich in großartiger Verfassung, pariert über 100 (!) Schüsse in den sechs Stunden. Erst im Finale ist für den KEC Schluss, doch Müller kehrt in die Nationalmannschaft zurück und fährt zur WM. „Ich fühle mich wieder völlig in Ordnung“, sagt er. Alles gut? Mitnichten!

Letztes Comeback

Eine Routineuntersuchung im Sommer führt zu Tage: Der Gehirntumor ist rasant gewachsen, drückt auf Blutgefäße. Lebensgefahr, Not-Operation. Wieder der Kampf um das Comeback. Im November macht Müller sein Leiden komplett öffentlich, entbindet seinen Arzt von der Schweigepflicht. Schockzustand. Er kehrt noch einmal auf das Eis zurück, macht nochmals das, was er geliebt hat. Gegen Ende des Jahres verschlechtert sich sein Zustand dramatisch. Müller will noch einmal aufs Eis. Auf dem zugefrorenen Decksteiner Weiher, so erzählt sein Mannschaftskollege Andreas Renz später, wird ihm der Wunsch erfüllt.

Es müssen ergreifende Szenen gewesen sein. Im März 2009 zeigt sich Müller bei der Saisonabschlussfeier der Kölner Haie letztmals der Öffentlichkeit, zwei Monate später ist er tot. Tränen. In der Kölnarena. In Eishockey-Deutschland. Selbst beim FC in Müngersdorf, als dem viel zu früh verstorbenen Torwart gedacht wird. Seine Nummer wird nie mehr vergeben – nicht bei den Kölner Haien, nicht in der gesamten DEL. Der KEC hängt seine Nummer unters Dach, neben Legenden wie Udo Kießling, Miro Sikora oder mittlerweile Mirko Lüdemann. Sie alle sind für immer in den Herzen der Kölner Fans. Robert Müller ist es auch. Unvergessen – für immer.