Traum vom Tennisprofi
- Von Mick Oberbusch
- Updated: Mai 26, 2019
Mit dem Traum, Tennisprofi zu werden, kam Hazem Naow vor zwei Jahren als Geflüchteter aus Syrien nach Deutschland. Im Rahmen des Projekts „Hätz for Kids“ landete er schließlich beim KTHC Stadion Rot-Weiss – und überzeugt dort auf ganzer Linie!
Die Entschuldigung, die Hazem Naow vorweg ausspricht, hätte er sich eigentlich auch sparen können. „Mein Deutsch ist immer noch nicht perfekt“, gibt er gleich zu Protokoll. Doch gerade die Tatsache, dass er heute beim Gespräch mit Köln.Sport sitzt anstatt in der Schule, zeigt, dass ihm seine Fähigkeiten mit der Sprache nicht peinlich sein müssen. Denn heute ist Sprechtag in der Berufsschule – „für die Leute, die noch nicht so gut sind und Nachholbedarf haben“. Für Hazem bedeutet das einen freien Tag. „Ich bin nicht sehr gut, aber medium. Ich komme gut klar in der Schule“, sagt der 19-Jährige in praktisch akzentfreiem Deutsch.
Das ist schon ziemlich beeindruckend für jemanden, der noch nicht einmal zwei Jahre in Deutschland ist und sein gesamtes Leben zuvor in Syrien verbracht hat. In einem Land, das seit vielen Jahren von Krieg und Armut gezeichnet ist, fasste Hazem jedoch einen Traum: Er möchte Tennisprofi werden. „Ich habe früh angefangen, mein Bruder spielt ebenfalls“, erzählt Hazem. Ihr Vater, seines Zeichens Tennistrainer, bringt den beiden die Grundlagen bei. Und es dauert nicht lange, bis der Sprössling mit dem Racket für Aufsehen sorgt. „Die ersten Turniere in meiner Heimat habe ich mit acht oder neun gespielt, mein erstes U10-Turnier gleich gewonnen.“
„Ich habe wohl ein gutes ergebnis gemacht“
So wird die syrische Tennisföderation auf ihn aufmerksam, nimmt Hazem mit nach Tunesien, wo er bei der „Arab Championship“ antritt. Auch dort geht er als Sieger nach Hause. Fortan ist ihm die Unterstützung der Föderation sicher – doch was bedeutet dies in einem Land, in dem die Menschen tagtäglich ums Überleben kämpfen müssen? Die Bedingungen für Hazem, seinen Traum zu verfolgen, könnten kaum schlechter sein.
Sein Talent bleibt glücklicherweise auch der „International Tennis Federation“ (ITF) nicht verborgen, die sich mit einer Stiftung um ambitionierte Nachwuchsprofis in ärmeren Ländern kümmert, wie Hazem berichtet. Er gehört zu den fünf besten Spielern in Asien des Jahrgangs 2000 und wird daraufhin im Mai 2017 unter Begleitung der ITF zu einigen Turnieren nach Europa eingeladen. Er spielt in Italien, Spanien und Belgien, soll sogar bei den French Open der Junioren antreten, verpasst die Qualifikation im Einzel dort jedoch knapp. Das ist aber auch nicht so wichtig, denn Hazem hat von nun an Gewissheit, dass er das Talent sowie den Ehrgeiz besitzt, für seinen Traum weiterzukämpfen.
Im Juni 2017 verschlägt es den jungen Syrer dann nach Deutschland, genauer gesagt in die Domstadt. Und hier arbeitet er nun mit aller Vehemenz daran, seinen Traum auch tatsächlich zu verwirklichen. Über Aras Rachid, einen anerkannten syrischen Geflüchteten, der für die 4. Herrenmannschaft des KTHC Stadion Rot-Weiss aufläuft, kommt der Verein mit Hazem in Kontakt und möchte diesen zunächst als Spieler für die 1. Juniorenmannschaft in der Oberliga verpflichten. Über den Flüchtlingssport, der beim KTHC als Teil der sozialen Initiative „Hätz for Kids“ angesiedelt ist, schafft es das Talent in den Verein und überzeugt sofort. „Ich bin hierher gekommen, habe ein bisschen bei den Junioren mitgespielt und wohl ein gutes Ergebnis gemacht“, sagt Hazem mit einem Lächeln.
Beim Kochen hilft die Mama
„Doch Tennis ist ein sehr teurer Sport“, weiß er – und benötigt für die weitere Verwirklichung seines sportlichen Traums finanzielle Unterstützung. Und obwohl die Vereinskassen nicht prall gefüllt sind, finden sich beim KTHC unzählige Unterstützer. Durch Spenden werden Unterbringung und Verpflegung sichergestellt, zudem ist noch genug Geld für eine Tennisausrüstung übrig. „Die Unterstützung der Menschen hier war wirklich unglaublich, alle waren sehr nett und höflich zu mir“, sagt Hazem. Mittlerweile ist er in Köln so richtig angekommen, wohnt gemeinsam mit seinem Bruder in einer „Familien-WG“ unweit des Vereinsgeländes. Er hat regelmäßigen Kontakt nach Hause, „manchmal auch über Facetime. Dann hilft mir meine Mutter beim Kochen, während ich am Herd stehe“, lacht er. Und auch den Karneval hat er bereits am eigenen Leib miterlebt. Hazem besucht zudem jeden Tag die Berufsschule, nachmittags geht es dann auf den Trainingsplatz, wo er auch drei Mal pro Woche eine Kindergruppe des KTHC trainiert. „Manchmal gibt es außerdem am Wochenende Turniere, dann spiele ich die auch. Ich stehe eigentlich jede freie Minute auf dem Platz.“
Damit es mit der eigenen Karriere noch steiler weitergeht. Bereits für die kommende Saison, seine erste im Seniorenbereich, hat er sich einiges vorgenommen: „Ich spiele jetzt in der Regionalliga, dort haben wir acht Spieler, und ich will meine Sache gut machen. Im Sommer spiele ich dann noch einige lokale Turniere. Mein Ziel ist es, zu den Top 50 in Deutschland zu gehören, aktuell bin ich in den Top 75.“ Auch auf dem Bundesliga-Meldebogen taucht sein Name auf. Ob es dort jedoch Einsatzchancen gibt, wird sich zeigen. „Ich mache ja aktuell meine Berufsschule, gehe anschließend vielleicht in eine Ausbildung oder aufs Gymnasium.“ Was danach komme, wisse er noch nicht. Darüber macht sich der Teenager noch keine Gedanken. Denn der Traum vom Tennisprofi lebt für Hazem Naow mittlerweile stärker denn je.