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Köln.Sport

„Rund um Köln“: Sprinterduell zum Jubiläum

Tom Boonen gewinnt "Rund um Köln" 2015

Der belgische Radstar Tom Boonen durfte 2015 bei „Rund um Köln“ jubeln
Foto: imago/Mario Stiehl

Die Jubiläumsausgabe des Ein-Tages-Radklassikers wartet am 12. Juni mit Rekordbeteiligung auf. Zu den Topstars im Profi-Rennen zählen Sprintkönig André Greipel und Lokalmatador Gerald Ciolek.

Als sich Radsportler erstmals offi­ziell auf den Kurs „Rund um Köln“ begaben, gab es den Giro d’Italia noch nicht. Auch die Flandern-Rundfahrt hatte noch keinen Eintrag in die Geschichtsbücher gefunden. Der zum Dauerbrenner gereifte Ein-Tages-Klassiker mit der Domstadt im Namen feierte im Jahr 1908 seine Premiere. 2016, am 12. Juni, steht für das traditionsreiche Rennen ein großes Jubiläum an: Der Startschuss fällt für die 100. Auflage. Mehrmals konnte der Wettbewerb im Lauf der Jahre­ – vornehmlich während der beiden Weltkriege – nicht durchgeführt werden. Diese Tatsache beschert dem Orga­nisationsteam um Artur Tabat und den Technischen Direktor Alexander Donike in diesem Jahr einen ganz beson­deren Meilenstein. Passend dazu wird mit rund 5.000 Teilnehmern an den Jedermann-Rennen ein Rekord-Starterfeld erwartet. 

Im Hauptrennen werden einige der erfolg­reichsten Radprofis der Welt vertreten sein. Der Hürther Sprintstar André­ Greipel, im letzten Jahr viermaliger Etappensieger bei der Tour de France, ist ebenso für die Elite-Runde­ gemeldet wie Lokalmatador und Mailand-Sanremo-Gewinner Gerald­ Ciolek­. Große Hoffnungen auf den Coup bei der 100. Auflage macht sich auch der Brite Mark Cavendish, der mit der Empfehlung von 24 Etappensiegen bei der Tour de France nach Köln reist. Nicht starten wird dagegen Vorjahressieger Tom Boonen., das Etixx-Quick-Step-Team des 36 Jahre alten Belgiers hat für das Jubiläumsrennen abgesagt. Auch eine Live-Übertragung im WDR kam nicht zustande (Köln.Sport berichtete), aufgrund der Fußball-EM fehlt dem Sender das Personal. „Das ist eine Schande“, polterte Greipel, zuletzt dreifacher Etappensieger beim Giro d’Italia: „Es gibt schließlich kaum Radrennen in Deutschland, die eine 100 davor haben.“

Radsportfest am Rhein

Um die 100. Ausgabe gebührend zu feiern, haben sich die Veranstalter ein Bonbon für die radsportbegeisterten Zuschauer überlegt: Nach 16 Jahren liegen der Start- und Zielpunkt erstmals wieder im Herzen von Köln. Rund um das Rennen findet am 11. und 12. Juni am Harry-Blum-Platz im Rheinauhafen ein zweitägiges Radsportfest statt. Um die schnellsten Runden geht es am Samstag um 16 Uhr in den Nachwuchs- und Fixed-Bike-Rennen. Am Sonntag stehen ab 9.30 Uhr die beiden Jedermann-Rennen über 68,5 beziehungsweise 126,5 Kilometer an, bevor sich um 10.35 Uhr die Profis im Rheinauhafen auf die 205,8 Kilometer lange Strecke begeben. Der anspruchsvolle Rundkurs führt Greipel, Ciolek und Co. durch das Bergische Land bis nach Wipperfürth und zurück durchs Oberbergische. Gegen 15.35 Uhr werden die Schnellsten auf der Zielgeraden im Rheinauhafen erwartet. Dann entscheidet sich, wer bei der 100. Auflage von „Rund um Köln“ ganz oben auf dem Siegertreppchen stehen wird.

Bei der Planung der Großveranstaltung liegen die Organisatoren voll im Soll. „Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt etwa 15 Prozent mehr Meldungen für die Jedermann-Rennen als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Das freut uns sehr“, betonte Alexander Doni­ke in der Juni-Ausgabe des Köln.Sport-Magazins. Das Starterfeld der Elite kann sich nicht zuletzt dank der guten Kontakte von Organisator Artur Tabat sehen lassen. Zur Jubiläumsausgabe von „Rund um Köln“ stehen gleich drei World-Tour-Teams am Start: Neben Giant Alpecin, dem einzigen deutschen WorldTour-Rennstall, treten mit Greipels belgischem Lotto-Soudal-Team und „Dimension Data“ um Cavendish weitere zwei Erstligisten an. Dazu kommen unter anderem die beiden deutschen Zweitdivisionäre Bora-Argon 18 und Stölting Service Group, in dessen Farben Gerald Ciolek antreten wird. Insbesondere Greipel ist vor seinem „Heimspiel“ in Köln motiviert: „Ich war in Köln schon Zweiter, insofern versuche ich das Rennen einfach mal zu gewinnen. Bei der 100. Austragung wäre das natürlich umso schöner“, sagt der Radprofi, der 2010 nur knapp einen Erfolg in der Domstadt verpasste, gegenüber KÖLN.SPORT. „Es gibt insgesamt nicht mehr viele Rennen in Deutschland. Und wenn man dann die Möglichkeit hat, ein solch traditionsreiches Rennen wie ‚Rund um Köln‘ zu gewinnen, dann ist es umso besser“, erklärt der gebürtige Rostocker.

Mittendrin: Artur Tabat

Was wäre Deutschlands zweitältestes noch stattfindendes Straßenradrennen ohne Tabat? Der 73-jährige Kölner­ organisiert den Ein-Tages-Klassiker ehrenamtlich – und das seit 43 Jahren! Als 1973 der damalige Veranstalter sein Amt abgeben wollte, sprach er Tabat, der als Streckenposten bereits­ Teil des Teams war, an. „Es war kein anderer da, also habe ich die Aufgabe übernommen“, erzählt der Ehrenamtler, der mittlerweile als „Mister Rund um Köln“ bekannt ist. Die 100. Ausgabe ist für Tabat eine ganz besondere – und war eigentlich als krönender Abschluss seiner Tätigkeit gedacht. Nun aber, da das Event näher rückt, fühlt sich der 73-Jährige­ noch nicht bereit, das Zepter vollends an sein zwölfköpfiges Team zu übergeben. „Ich möchte helfen, das Rennen finanziell auf eine gesunde Basis zu stellen. Das sehe ich derzeit noch nicht. Aber mit Alexander Donike und den anderen Mitgliedern des Veranstalterteams habe ich die besten Leute­, um mich in den nächsten Jahren guten Gewissens zurückzuziehen. Ewig werde ich nicht weitermachen“, schmunzelt Tabat.

Ganz besonders freut sich der Orga­nisator auf ein Wiedersehen mit zahlreichen ehemaligen „Rund um Köln“-Siegern anlässlich der großen Jubiläumsfeier am 11. Juni im Deutschen Sport- & Olympia-Museum. Jan Ullrich, Didi Thurau und Jan Smyrak sind nur einige der Radsport-Größen, die zu Ehren der 100. Auflage des Rennens in die Domstadt kommen. „Da wird eine große Schar an Leuten sein, auf die ich mich sehr freue“, sagt Tabat nicht ohne Stolz. Gefragt nach seiner schönsten Erinnerung im Laufe­ seiner 43 Jahre bei „Rund um Köln“, fällt erneut der Name Jan Ullrich. „Als Jan 2003 in Köln gewonnen hat, konnte­ ich mir ein paar Freudentränen nicht verkneifen“, erzählt er. Für den damals 29-jährigen Tour-de-France-Sieger war es das erste Rennen in Deutschland nach einer sechsmonatigen Sperre wegen Amphetamin-Missbrauchs. „Ich kenne Jan schon lange und hatte vor dem Rennen zu ihm gesagt: Wenn du hier gewinnst, bist du zurück im Geschäft“, berichtet Tabat. Worte, die bei Ullrich offenbar ankamen. Als Tiefpunkte bezeichnet der Ehrenamtler die zwei Rennabsagen 1998 und 2008: „Beim ersten Mal waren es finanzielle Gründe in Zusammenarbeit mit einem anderen Organisator. Vor acht Jahren, das Rennen war für Ostermontag geplant, machte uns ein plötzlicher Wintereinbruch mit Schneefall einen Strich durch die Rechnung.“

Letzter „Heimsieg“ vor zehn Jahren

Von den 1930ern bis Ende der 1980er-Jahre wurde „Rund um Köln“ bis auf wenige Ausnahmen als Amateur­rennen durchgeführt. Erst seit 1990 ist der Klassiker wieder für Profis ausgeschrieben. In der Siegerliste der jüngeren Vergangenheit tummeln sich zahlreiche bekannte Namen wie Erik Zabel, Jan Ullrich, Jens Heppner­ oder der Vorjahres­beste Tom Boonen­. Letzter deutscher Gewin­ner war im Jahr 2006 der Bonner Christian Knees. Ein „einheimischer“ Erfolg­ nach zehnjähriger Durststrecke würde der Veranstaltung gerade zum runden Jubiläum gut zu Gesicht stehen. Eines ist dem Sieger gewiss: Ein grandioser Empfang im Herzen von Köln. 

Text: Svenja Dahlhaus