fbpx
Köln.Sport

Parken statt Kicken

In dieser Folge unserer Reihe zu Kölns kultigsten Plätzen haben wir nach dem Stadion des ältesten Kölner Fußballvereins gesucht. Und das ist heute gar nicht mehr so einfach zu finden…
VFL 1899

Die alte Tribüne des Kultstadions – hier wurden auch Szenen des Kinofilms „Das Wunder von Bern“ gedreht (Foto: Thomas Berger)

Hier soll ein Fußballplatz sein? Der Blick schweift umher. Auf einem anliegenden Parkplatz findet ein gut besuchter Flohmarkt statt, einige Meter weiter ist ein hochmodernes Restaurant zu sehen und Tribünen, auf denen pünktlich zur Rennsaison wieder Tausende Gäste mit Wettscheinen Platz nehmen werden. Auch die kleinen Imbissbuden auf der Pferderennbahn in Weidenpesch stechen ins Auge, allerdings sind sie aktuell geschlossen, schließlich ist heute noch kein Saisonstart, es ist Anfang März und ohnehin noch viel zu kalt. Man sieht geschlossene Wett- und Kassenhäuschen, einzelne Spaziergänger und Transporter, in denen Rennpferde nach Köln gekarrt werden. Und irgendwo hier soll ein Fußballplatz sein? Und zwar nicht irgendeiner, sondern das „Stadion“ des ältesten Fußballvereins der Stadt?

Nicht wiederzuerkennen

Es geht einige Schritte die Rennbahnstraße hoch. Von einem Fußballplatz, geschweige denn einem Stadion, ist weit und breit nichts zu sehen. Schließlich fällt der Blick auf eine Art „Hausfassade“, die umzäunt von Gittern und Stacheldraht mitten im Grünen steht und für Fußgänger nicht erreichbar scheint. Die Fenster der Fassade sind morsch, die Eingangstüren verrostet. Es sieht nicht so aus, als würde in dem „Gebäude“ noch besonders viel Leben stecken. Doch bei genauerem Anblick stellt sich heraus, dass es sich überhaupt nicht um eine Hausfassade handelt – sondern um die Rückseite der Tribüne des gesuchten Stadions. Nur ist dieses leider nicht mehr als solches zu erkennen.

VFL 1899

In grauer Vorzeit strömten die Massen nach Weidenpesch (Foto: VFL 99 Archiv)

Das Betreten der Aschenfläche gestaltet sich schwierig, wenn man über keinen Zaun klettern will. Davon schreckt aber ohnehin der Stacheldraht am oberen Ende des Gitters ab. Glücklicherweise schließt ein Gärtner das einzige Eingangstor zum Platz auf, er möchte zu einem der drei Pferde-Transporter, die auf Höhe der nicht mehr vorhandenen Mittellinie stehen. Sie sind umgeben von Matsch, Pfützen, Ästen, alten Trinkpäckchen und Abfall. Traurig, aber: Aus Kultplatz ist Parkplatz geworden. Mit einem Fußballplatz, geschweige denn einem Stadion, hat das Areal an der Rennbahnstraße überhaupt nichts mehr zu tun. Die eingefallene, aber immer noch beeindruckende Tribüne ist das einzige Indiz dafür, dass hier vor langer Zeit in großem Stil gekickt wurde.

Doch auch sie hat über die Jahre an Glanz verloren. Sämtliche Sprayer aus der Nachbarschaft und Umgebung haben sich mittlerweile darauf verewigt, mal mehr, mal weniger kreativ. Die moderne Graffiti wirkt da fast lustig, auch wenn der Zustand der Tribüne eher trübselig ist. Sich dort hinsetzen möchte man nicht – außer man heißt Lukas Podolski und dreht darauf ein Musikvideo –, dafür sind die Sitze oder zumindest das, was davon übrig ist, zu verdreckt, die Bretter zu morsch. Außerdem gäbe es sowieso nichts zu sehen –  außer jeder Menge Gebüsch, Rennpferdetransportern und einem Parkplatz aus matschiger Asche. Es scheint Hunderte Jahre her, dass hier ein Ball gerollt ist.

Belebte Geschichte

Dass dem nicht ganz so ist, weiß Petra Steinig. „Wir sind im Jahr 2000 auf die Bezirkssportanlage in Weidenpesch gezogen, und seitdem ist der Platz auch nicht mehr genutzt worden“, sagt die Jugendleiterin Fußball beim 1. FSV Köln 1899. Mit „Wir“ meint sie den FSV Köln-Nord, der den Aschenplatz an der Rennbahn noch so lange genutzt hat, bis die Pacht irgendwann vom Rennbahnbesitzer nicht mehr verlängert wurde. „Dann kamen die VfLer dazu“. Sie meint den VfL Köln 1899, den ältesten Fußballklub der Stadt.

VFL 1899

Bis zur Jahrtausendwende wurde der Platz noch bespielt (Foto: VFL 99 Archiv)

Seit dem 1. Juli 2013 haben sich beide Klubs zum 1. FSV Köln 1899 zusammengetan – und trainieren auf der Bezirkssportanlage Weidenpesch statt in der Arena, die mit dem VfL Köln 1899 seinerzeit die größte sportliche Attraktion der Stadt zu bieten hatte. Denn der VfL gehörte in den 40er-Jahren zu den besten Vereinen Deutschlands, spielte gar um die Meisterschaft. Auch Länderspiele gab es in dem Fußballtempel in Weidenpesch zu sehen. Nationale Bekanntheit erreichte der Platz zudem durch die sogenannten Karfreitagsspiele, die gegen englische und französische Topklubs ausgetragen wurden. Nationalspieler wie Ernst und Alfons Moog, Jupp Röhrig und Leo Wilden schnürten in Weidenpesch die Schuhe. Auch Peco Bauwens, erster DFB-Präsident nach dem Zweiten Weltkrieg, gehörte zu den Aushängeschildern des VfL.

Das Stadion fasste – heute unglaublich – 16.000 Zuschauer. Nach Ende des Krieges wechselten dann viele vom VfL zum neu gegründeten 1. FC Köln, 1899 blieb im Amateurbereich jedoch weiterhin erfolgreich. Bis es in den 70er-Jahren auch sportlich bergab ging. All diese Höhen und Tiefen Kölner Fußballgeschichte hat Petra Steinig konserviert. „In vier dicken Wälzern“, wie sie selbst sagt, finden sich Grußworte von Kaiser Wilhelm, Fotos von Vereinstouren nach London, der „Kicker“ von 1941, alte Postkarten, Zeitungsartikel, Eintrittskarten und vieles mehr. So bleibt die Legende des Fußballplatzes bestehen, auch wenn er mittlerweile zum Parkplatz geworden ist. Und wenn man selbst auf den Spuren des VfL wandeln möchte, kann man sich an der Rennbahn auf die Suche begeben. Und wird irgendwann unweigerlich die Frage stellen: Hier soll ein Fußballplatz sein?

Lesen Sie hier Teil 1 (Das Loch) und 2 (Im Schatten der Moschee) unserer Serie zu den kultigsten Plätzen der Domstadt.