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Köln.Sport

Noch lange nicht fertig

Ismail Jakobs, Noah Katterbach, Jan Thielmann – als es für den Effzeh in der Hinrunde richtig düster aussah, brachten die drei Eigengewächse den Fans den Glauben zurück. Geht der Höhenflug in der Rückrunde weiter – oder droht der Einbruch?

Jan Thielmann, Sava Cestic, Tim Lemperle, Leon Schneider, Ismail Jakobs und Noah Katterbach: Ihnen gehört die Zukunft beim 1. FC Köln. Vor allem das Trio Thielmann, Jakobs und Katterbach überzeugt diese Saison schon auf Bundesliganiveau (Foto: imago images / Eduard Bopp)

Wie für jeden Saisonmonat wählte die Bundesliga auch im Dezember ihren „Rookie of the Month“. Zur Wahl dafür stehen Spieler, die ihre Premierensaison in der Bundesliga bestreiten und innerhalb eines Monats mit starken Leistungen für Aufsehen sorgten. Bisheriger Abonnent auf den Gewinn dieses Awards war Gladbach-Stürmer Markus Thuram, der die Auszeichnung in dieser Spielzeit gleich dreimal hintereinander abräumen konnte. Ein Effzeh-Spieler stand nach der zu großen Teilen enttäuschenden Hinrunde wenig überraschend nicht zur Wahl – bis zum Dezember.

Denn spätestens da hatte ganz Fußballdeutschland mitbekommen, was sich besonders in der letzten Fußballwoche des vergangenen Jahrzehnts in Köln abgespielt hatte: Mit Ismail Jakobs, Noah Katterbach und Neuzugang Sebastiaan Bornauw war die Wahl zum „Rookie des Monats Dezember“ fest in kölscher Hand. Nach vielen Jahren, in denen das Einbauen der Jugendspieler in den Kölner Profikader eher schleppend funktionierte, eine echte Auszeichnung für die Nachwuchsarbeit des Effzeh.

Mit Jan Thielmann, der gegen Bayer 04 Leverkusen als erster Spieler des Jahrgangs 2002 in der Bundesliga debütierte, hatte sich zudem noch ein weiterer Akteur ins Rampenlicht gespielt. Neben dem trotz seiner 20 Jahre bereits extrem abgebrüht wirkenden Sebastiaan Bornauw waren es also vor allem die eigenen Jugendspieler, denen die Lorbeeren für die gelungene letzte Saisonwoche zukamen – und das völlig zu Recht.

„Definitiv kein Zufall“

Keiner der drei Youngster scheint bislang mit Anpassungsproblemen zu kämpfen, von übermäßigem Respekt oder gar Ehrfurcht ob der Aufgabe ist nichts zu spüren. In diesem Zuge wird immer gern das Wort „Unbekümmertheit“ benutzt als Universalvokabel, warum die Jugendspieler denn im Profibereich gleich so eingeschlagen sind. „Ganz so einfach ist es aber nicht“, erklärt Stefan Ruthenbeck, der aktuell die U19 des Effzeh trainiert und gemeinsam mit seinem Team die drei Hoffnungsträger zu angehenden Bundesliga-Stammspielern geformt hat.

„Unbekümmertheit ist kein Kriterium dafür, es in der Bundesliga zu schaffen. Die Jungs brauchen Qualität, um sich dauerhaft durchzusetzen. Und die haben sie. Dass es bei uns gerade so gut läuft, ist kein Zufall.“ Ruthenbeck kann dies wie kein Zweiter einschätzen. Nach seinem Intermezzo als Bundesliga-Coach, der in der Rückrunde der Spielzeit 2017/18 sogar noch kurzzeitig am nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt schnupperte, ging er zurück in den Jugendbereich – um „unsere Jungs“, wie er im Gespräch mit Köln.Sport immer wieder betont, bestmöglich auf eine eventuelle Profilaufbahn vorzubereiten.

„Bei den jungen Spielern sorgt das erst einmal für Euphorie“

Diese Arbeit trägt in dieser Spielzeit Früchte, und das sogar zu einem extrem wichtigen Zeitpunkt. Man mag sich nicht ausmalen, was in Köln los gewesen wäre, hätte man den Jahreswechsel mit der roten Laterne verbracht.

Eine Talent-Infusion zum richtigen Zeitpunkt also. „Natürlich sind die jungen Spieler im Kopf um einiges freier als die, die vielleicht schon einmal abgestiegen sind oder jetzt wieder im Abstiegskampf stecken“, sagt Ruthenbeck. „Die jüngeren Spieler sehen die Situation als Chance, um sich zu präsentieren. Sie dürfen vor 50.000 Zuschauern spielen. Bei den jungen Spielern sorgt das erst einmal für Euphorie.“

Eine Garantie dafür, dass Spieler aus dem eigenen Nachwuchs so gut funktionieren, gibt es allerdings nicht. „Viele glauben, man könne Jugendspieler einfach ins kalte Wasser werfen – so leicht ist das aber nicht. Es muss der richtige Zeitpunkt gewählt sein, die Jungs müssen gut vorbereitet sein.“

„Mehr Druck? Völlig normal!“

Das war er im Falle von Jakobs, Katterbach und Thielmann offensichtlich – doch wie geht es nun in der Rückrunde weiter? Der Auftakt lief vielversprechend, alle drei standen beim 3:1-Sieg gegen Wolfsburg in der Startelf. Der U19-Coach weiß aber auch: „Einmal oben dabei zu sein und sich über einen langen Zeitraum in der Bundesliga durchzusetzen ist ein großer Unterschied. Erst die nächsten Monate und Jahre werden entscheiden, ob sie wirklich Fuß fassen.“

Sich dabei die viel zitierte „Unbekümmertheit“ beizubehalten ist nur eine von vielen Herausforderungen. „Natürlich machen sich die Jungs mit der Zeit mehr Gedanken, und der Druck steigt. Der Sprung zu den Profis sorgt dafür, dass die Jungs in der Öffentlichkeit stehen. Man bekommt auf viele Dinge eine völlig neue Perspektive. Mit der Erfahrung lernen sie, immer besser damit umzugehen. Das ist ein Prozess.“ Eines darf dabei aber nie zu kurz kommen.

„Wir versuchen, den Spielern immer mitzugeben, dass es Spaß machen muss und sie den Spielwitz auch mit nach oben tragen sollen.“ Das klappt aktuell hervorragend – doch Ruthenbeck weiß auch, dass „Dellen“ in der Entwicklung fast unausweichlich sind und in der Rückrunde auch bei den aktuell gefeierten Effzeh-Youngstern eintreten könnten – ob nun durch Negativerlebnisse oder auch vermeintliche Höhenflüge. Angst davor hat Ruthenbeck aber definitiv nicht.

Bodenständigkeit als Voraussetzung

„Noah hatte schon mit Verletzungen zu kämpfen, Iso Jakobs ebenfalls. Alle drei bringen eine gewisse Demut mit, sie sind selbstreflektiert und klar im Kopf. Allen dreien traue ich zu, dass sie in der Rückrunde konstant ihre Leistungen abrufen.“ Dass dies nicht für jedes Eigengewächs gleichermaßen einfach oder schwierig ist, ist dem gebürtigen Kölner Ruthenbeck dabei mehr als bewusst.

„Die Entwicklung der Jungs in Bezug auf Druck und Konstanz ist auch immer positionsabhängig. Für einen Defensivspieler ist diese Konstanz etwas leichter zu erreichen, weil sie in der Defensive immer gefordert ist. Bei einem Offensivspieler sucht man nach einer gewissen Risikobereitschaft. Die Konkurrenzsituation ist auch ein entscheidender Faktor.“ Bei allen dreien sieht Ruthenbeck jedoch die Voraussetzungen, konstant gute Leistungen abzurufen. Angst, dass die Jungspunde „abheben“, hat der U19-Coach nicht.

„Die Balance entscheidet“

Dürfen sich die FC-Fans in der Rückrunde also schon auf weitere „Nachwuchsfestspiele“ einstellen? „Wichtig ist, dass die Jungs aufkommende Drucksituationen richtig einschätzen. Bei einem Fehler geht die Welt nicht unter, auf der anderen Seite hat man natürlich auch automatisch die Verantwortung, möglichst wenig Fehler zu machen. Diese Balance hinzubekommen, ist entscheidend“, so Ruthenbeck.

„Wenn Noah in der U19 einen Fehler gemacht hat, wurde es in der Regel nicht direkt bestraft. Ebenso bei Jan Thielmann: In der U19 kam er bei zehn Versuchen neun Mal am Gegenspieler vorbei, in der Bundesliga ist das auf einmal anders. Da die richtige Lösung zu haben, darauf müssen sie sich einstellen. Und den Mut haben, es immer wieder zu versuchen.“ Stichwort Unbekümmertheit.

Dass gerade die drei aktuell für Aufsehen sorgenden Youngster diese mitbringen, ist augenscheinlich – auch, wenn sie auf ihre ersten Einsätze bei den Profis etwas warten mussten. Ismail Jakobs beispielsweise schnupperte 2017/18 bereits an seinen ersten Einsatzminuten als Profi, wurde durch Verletzungen jedoch immer wieder zurückgeworfen. So wurde er immer wieder zu unglücklichen Zeitpunkten ausgebremst, in der aktuellen Spielzeit zeigt er jedoch mehr als deutlich, warum ihn die Verantwortlichen schon länger auf dem Schirm haben.

Mit seinem Speed, seiner Leichtigkeit und einer starken Ausdauer bringt er Attribute mit, die die Fans im RheinEnergieStadion von den Sitzen reißen – egal, wie das Spiel am Ende ausgeht. Auf dem Weg zu einem gestandenen Bundesligaprofi gilt es nun noch, mit den zunehmenden Belastungen eines Bundesligaprofis zurechtzukommen – auf und neben dem Platz.

„Unglaubliche Mentalität“

Besonders bei Noah Katterbach macht sich Ruthenbeck aber überhaupt keine Gedanken. Auch dieser hatte bereits zuzeiten von Markus Anfang zum Kader gehört, war jedoch aufgrund von Verletzungsproblemen nie in Tritt gekommen. Bis jetzt. „Noah ist jemand, der mit den Aufgaben wächst. Wir haben ihn damals als U17-Spieler in die U19 hochgeholt, und auch da hat er sofort funktioniert. Das ist auch eine Qualität, mit den gestellten Aufgaben besser zu werden. Deswegen musste Noah auch immer entsprechend gefördert und gefordert werden.“

Das gilt auch für das „Küken“ unter den Jungspunden, Jan Thielmann. Aus einer in dieser Spielzeit starken U19 ragte er für den Profikader heraus und zeigt auf dem Platz keinerlei Anpassungsprobleme. „Die athletischen Voraussetzungen sind sehr gut, er ist sehr schnell, ausdauernd, hat das gesamte Paket. Zudem hat er eine unglaubliche Mentalität. So häufig, wie er nach vorne sprintet, sprintet er auch nach hinten. Er ist ein absoluter Teamplayer mit unglaublichem Siegeswillen, das zeichnet ihn neben aller fußballerischen Qualität besonders aus.“

Die Rückrunde wird zeigen, ob sich sich die drei weiterhin als Stammkräfte in der Bundesliga behaupten können oder auch mal eine Auszeit vonnöten ist. „Alle drei haben definitiv die Qualität, oben anzukommen und auch schon in dieser Spielzeit konstant eine Rolle zu spielen.“ Und wenn dann irgendwann nach der Spielzeit die Kandidaten für den „Rookie of the Year“-Award vergeben werden, werden die FC-Fans sicherlich besonders hinschauen.