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Köln.Sport

„Miljö“-Legenden über den FC

Einst waren die ehemaligen Türsteher Anton Claaßen und Jakob Franzen knallharte Jungs aus der Rotlicht-Szene. Heute sind „Der Lange Tünn“ und „Karate-Jacky“ aufgrund ihrer schonungslosen Analysen und gewagten Thesen zum 1. FC Köln längst Kult. Ein nicht alltägliches Interview.
Langer Tünn

Zwei einmalige Typen: Der Lange Tünn (l.) und Karate-Jacky könnten unterschiedlicher kaum sein. Was sie verbindet, ist die Vergangenheit im Milieu. (Foto: Pauline Kowol)

In der Metzgerei Schmidt herrscht Hochbetrieb. Hier, in der Merowingerstraße nahe dem Chlodwigplatz, kaufen die Südstädter zur Mittagszeit gerne ihr Schnitzelbrötchen oder eine hausgemachte Frikadelle. Auch Jakob Franzen, besser bekannt als „Karate-Jacky“ hat Hunger. Im roten Hawaii-Hemd sitzt er am Tisch und isst eine Bockwurst, auf die bei ihm reichlich Senf gehört. Dann biegt auch schon sein alter Freund, der „Lange Tünn“ (bürgerlicher Name Anton Claaßen) um die Ecke, er kommt mit dem Fahrrad. Freundlich grüßt die groß gewachsene Zockerlegende einige Gäste. Man kennt sich in der Metzgerei Schmidt. Die beiden Männer verbindet eine gemeinsame Vergangenheit. In den 1960er-, 70er- und 80er- Jahren, einer Zeit, in der Köln eine Hochburg der Prostitution und des illegalen Glücksspiels war und aufgrund der hohen Kriminalität von den Boulevardmedien „Chicago am Rhein“ genannt wurde, gehörten der Lange Tünn und Karate-Jacky zum „Miljö“. Die Zuhälterei und Zockerei florierte im angesagtesten Nachtleben Deutschlands, in denen nicht selten einer der beiden in den angesagten Klubs „die Tür machte“. Die Zeiten des Milieus sind mittlerweile längst vorbei, stadtweite Bekanntheit genießen der Lange Tünn und Karate-Jacky aber immer noch. Die beiden glühenden FC-Anhänger sind längst Kult in der Domstadt, weil sie eine klare Meinung vertreten und die in den sozialen Netzwerken unverhohlen in ihrer authentisch kölschen Art zum besten geben. Das gilt auch und im Besonderen dann, wenn es um den FC geht. Grund genug, den Langen Tünn und Jacky Franzen in der Metzgerei Schmidt zum Köln.Sport-Interview zu bitten.

Hallo Toni, hallo Jacky, ihr seid beide große FC-Fans. Wie bewertet ihr die Entwicklungen am Geißbockheim nach dem sechsten Abstieg der Vereinsgeschichte?

Langer Tünn: Das ist schon kurios. Der 1. FC Köln hat die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte hinter sich, ist sang- und klanglos abgestiegen, und bei der Saisoneröffnung kommen 50.000 Leute. Das ist doch nicht normal. Das Kölner Publikum ist mit Geld nicht zu bezahlen.

Jacky: Die Kölner sind dem Publikum nicht dankbar genug. Aber die Fans dürfen dieses Jahr einiges erwarten. Der FC ist gut aufgestellt, was bei dem Budget aber auch zu erwarten ist. Der FC ist ja jetzt quasi das Bayern München der 2. Liga. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir nicht aufsteigen.

Langer Tünn: Da stimme ich zu. Die Liga hat natürlich auch ihre Tücken, da spielst du in Dresden, Aue oder Magdeburg, das sind schwere Spiele. Aber zu Hause vor 50.000 Leuten, da darfst du normalerweise kein Spiel verlieren. Klar wird das kein Selbstläufer, aber selbst wenn ich die Jungs trainieren würde, oder der Jacky, der überhaupt keine Ahnung vom Fußball hat, dann ständen die am Ende auch unter den ersten drei.

Was haltet ihr denn vom neuen Trainer und den Neuzugängen, die Armin Veh verpflichtet hat?

Langer Tünn: Der Veh ist ein guter Mann, das ist kein Aufschneider, wie es der Jörg Schmadtke war. Der war arrogant und dachte, er wäre der Boss im Verein. Ein fieser Typ! Der wurde überhaupt nicht kontrolliert beim FC und stand gefühlt noch über dem Präsidenten, Werner Spinner. Das wäre beim Wolfgang Overath wohl nicht passiert, obwohl der auch Fehler gemacht hat. Die Leute kennen den ja gar nicht, die sehen in dem immer noch den Weltmeister. Der hat sich nur um seine privaten Geschäfte gekümmert, das geht nicht. Man muss sich doch um den Verein kümmern. Der Armin Veh macht das gut bis jetzt. Er hat natürlich auch das Glück, einen guten Finanzminister an seiner Seite zu haben, der den Verein endlich schuldenfrei gemacht hat und es ermöglicht, dass sich der FC etwas erlauben kann. Das einzige, was ich dem Wehrle echt übel genommen habe, war die Sache mit dem Stadion. Den Gedanken überhaupt zu haben, das Stadion irgendwo anders hinzusetzen, das ist natürlich ein bisschen abgewichst. Denn einen besseren Ort hier in Köln gibt es überhaupt nicht. Da sind sie mir zu geldgeil, das Stadion muss immer in Müngersdorf bleiben. Da gibt es gar keine Diskussion. Da soll lieber die Fortuna ein neues Stadion bauen.

Jacky: Das Geheimrezept ist doch, dass du eine Mannschaft zusammenstellst, die füreinander durchs Feuer geht. Teamgeist, Hingabe, dass müssen Freunde sein! Und zum Trainer: Da musst du ’ne Sau haben, einen, der durchgreift. Der Stöger war doch viel zu lieb.

Langer Tünn: Ja, der Markus Anfang ist ein stocksolider Typ. Zu den Neuzugängen kann ich zum jetzigem Zeitpunkt noch nicht viel sagen. Niklas Hauptmann, da kenne ich den Vater (Ralf Hauptmann, Anm. d. Red.), mit dem war ich schon zusammen beim Fußball-Talk. Der macht einen guten Eindruck, auch Schaub und Drexler können gegen den Ball treten. Im Endeffekt kann uns mit dem Kader nichts passieren, der FC hat Luxusprobleme.

Langer Tünn

In der Metzgerei Schmidt in der Merowingerstraße treffen sich der Lange Tünn und Jacky Franzen regelmäßig auf einen Kaffee (Foto: Pauline Kowol)

Vor allem im Sturm werden Härtefälle erwartet. Im Moment sieht es danach aus, als würde Jhon Cordoba dort die Nase vorne haben. Nachvollziehbar?

Langer Tünn: Ich glaube, dass Jhon Cordoba dieses Jahr viele Tore schießen wird. Der ist zwar nicht der hellste, der kann die Sprache nicht, spricht noch nicht mal englisch, da bist du natürlich aufgeschmissen. Aber der Junge ist nicht schlecht. Der kann Fußball spielen. Der wurde in Köln viel zu schnell abgestempelt, weil er 17 Millionen gekostet hat. Aber, da kann der Junge ja nichts dafür. Der kommt dieses Jahr, da bin ich mir sicher.

Jacky: Ich gebe dem Tünn recht. Aber beim Cordoba, da muss man sich doch mal die Frage stellen: Warum war der so schlecht auf einmal? Das hat einen Grund. Das ist reine Kopfsache. Der hat kein Selbstvertrauen, der ist blockiert. Das kann man trainieren, den musst du aufbauen.

Langer Tünn: Die Erwartungshaltung an Cordoba war einfach zu groß. Das ist hier in Köln so üblich, hier werden ja alle maßlos überschätzt. Der Lehmann zum Beispiel. Ich sage dir ganz ehrlich, wenn so eine Lusche wie der Lehmann bei uns damals in der Thekenmannschaft gespielt hätte, der wäre nicht mal Ersatzspieler gewesen. Die Jungs haben alle in der Landesliga oder Verbandsliga gekickt, die konnten am Ball zehn mal mehr.

Das Interview führte Peter Stroß

Lesen Sie morgen Teil 2 des Interviews mit dem Langen Tünn und Karate-Jacky auf koelnsport.de!

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