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Köln.Sport

„Man bewegt sich in einem Minenfeld“

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Sportförderung ist ein sensibles Thema. Viele Top-Leichtathleten kämpfen mit Existenzängsten, ihre Förderung ist von Spitzenleistungen abhängig. 400-Meter-Läuferin Lara Hoffmann vom LT DSHS Köln spricht offen über das Thema.

Lara Hoffmann startet für das LT DSHS Köln und nahm unter anderem an den olympischen Spielen 2016 in Rio teil (Foto: imago/Beautiful Sports)

Lara Hoffmann (LT DSHS Köln) ist eine der schnellsten deutschen 400-Meter-Läuferinnen, sie studiert an der Deutschen Sporthochschule Köln. Nach dem Inkrafttreten der Leistungssportreform macht Hoffmann sich Sorgen, aus dem Förderraster zu fallen. Im Gespräch verrät sie, wie sie sich auf den „Worst Case“ vorbereitet und warum sich die Athleten beim Thema Sportförderung nicht alle einig sind.

Lara Hoffmann, wir wollen heute mit Ihnen über Sportförderung sprechen. Verraten Sie uns, wie und in welchem Umfang Sie gefördert werden?

Mein Finanzierungs-Netzwerk setzt sich aus vielen verschiedenen Positionen zusammen. Meine Eltern unterstützen mich, mein Verein LT DSHS Köln, ich bekomme Bafög, habe ein Deutschland-Stipendium, bekomme Sporthilfe und habe ein Deutsche-Bank-Stipendium. Mit Ausnahme des Unterhaltes von meinen Eltern können sich die Posten jedes Jahr verändern. Wenn die Spitzensportreform in Kraft tritt und ich nicht mehr im Kader sein sollte, würde das Geld von der Sporthilfe und vom Deutsche-Bank-Stipendium wegfallen. Das ist der Hauptanteil meiner Förderung. Die Höhe des Bafög-Betrages ist von vielen Faktoren abhängig, zum Beispiel von der Einkommenssituation meiner Eltern, vom Studienstatus meiner Schwester, und die Zahlungen würden ganz eingestellt, wenn ich zu lange studieren würde.

Gibt es beim Bafög keine Verlängerung für Leistungssportler?

Eine Regelung, nach der Leistungssportler grundsätzlich länger Bafög beziehen dürfen, gibt es nicht. Wenn man aber beispielsweise verletzt ist und aus diesem Grund keine praktischen Prüfungen absolvieren kann, verlängert sich die Förderdauer.

Was ist das Deutschlandstipendium?

Das ist ein Stipendium durch den Bund und regionale Förderer, die, in meinem Fall von der Deutschen Sporthochschule, angeworben werden. Diese Förderer übernehmen einen Teil der Finanzierung. Meinen Betrag teilt sich der Bund mit der Deutschen Telekom. Es gibt verschiedene Kategorien, in denen man sich für das Stipendium bewerben kann, was ich jetzt auch wieder getan habe. Ob ich weiter gefördert werde, weiß ich aber erst, wenn das Semester wieder läuft.

Im Juni haben Sie an der Sporthoch-schule an einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Leistungssportreform teilgenommen. Die Leitfrage des Abends war: „Welchen Spitzensport wünscht sich Deutschland?“. Welchen Spitzensport wünscht sich denn Lara Hoffmann?

Das ist nicht leicht zu beantworten, weil die Perspektiven je nach Sport so unterschiedlich sind. Im Fußball wünscht man sich vielleicht mehr Transparenz, in der Leichtathletik wünscht man sich, dass es keine überzogenen Medaillenansprüche gibt, und klare Anti-Doping-Bestimmungen, die für alle Länder gelten. Das sind nur Beispiele.

Und ganz allgemein?

Da wünsche ich mir einen humanen Spitzensport, bei dem die Zuschauer sich vorzustellen versuchen, was Sportler alles leisten. In London habe ich das erlebt: eine Achtung vor guten Leistungen aller Athleten, egal aus welchen Ländern sie kamen. Und ich wünsche mir, dass es eine Förderung gibt, die es nicht nur den Allerbesten, sondern auch denen, die beispielsweise zu den besten Acht gehören, ermöglicht, sich den Leistungssport zu leisten. Es sollte nicht nur darum gehen, um jeden Preis mehr Medaillen zu produzieren

Während des angesprochenen Abends in der Sporthochschule im Juni soll es zwischen Ihnen und Dirk Schimmelpfennig, Vorstand Leistungssport beim DOSB, der dort die Leistungssportreform vorgestellt hat, zu kontroversen Diskussionen gekommen sein. Was waren die Hauptstreitpunkte?

Da gab es einiges. Wichtig war für mich zum Beispiel die Frage, wie Athleten gefördert werden sollen, die quer einsteigen oder verletzt sind. Ich habe beide Fälle selber erlebt und bin damit in dem System, das wir bislang hatten, zurechtgekommen. Ich prognostiziere jedoch, dass das durch die neue Reform nicht mehr so sein wird.

Warum?

Ich bin im Jahr 2013 als Quereinsteigerin in den Kader gekommen – und das, obwohl ich bei Deutschen Meisterschaften mehrfach nur Vierte geworden bin. Was meinen Leistungsbereich anging, habe ich mich in dem Jahr allerdings, gerade bei den Meisterschaften, deutlich verbessert. 2015 habe ich dann meinen Kaderplatz behalten, obwohl ich zwei Knieoperationen hatte. Ich habe das Vertrauen des Verbandes und der Trainer genossen und am Ende zeigen können, dass ich es trotz des Krisenjahres doch noch zu den Olympischen Spielen geschafft habe. Diese Entwicklung, die ich durchlebt habe und die auch andere Athleten durchleben können, wird im neuen System, so fürchte ich, nicht mehr möglich sein.

Bliebe noch die Frage nach dem Verletzungsfall …

… genau. Wie werden verletzte Athleten im neuen System aufgefangen? Gibt man ihnen ein „Gnadenjahr“, in dem sie weiter gefördert werden? Gibt es eine Ausgleichsförderung und Möglichkeiten zur Behandlung? Außerdem ging es mir um die massive Einstampfung von Förderplätzen, die das neue Fördersystem zwangsläufig mit sich bringt, weil man den B-Kader, den es jetzt gibt, in dieser Form nicht mehr will. Aus diesem Kader können es aber auch Athleten zu Olympia schaffen, so wie ich das auch geschafft habe. Ich bin ein gutes Beispiel für die Athleten, die man jetzt nicht mehr fördern will.

Wie groß ist Ihre Angst, nicht weiter im Kader zu sein und damit nicht mehr gefördert zu werden?

Groß und sehr existent. Die Entscheidung fällt nach der Spitzensporttagung in Kienbaum (28. September bis 1. Oktober 2017, Anm. d. Red.), nach der die Kader benannt werden.

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