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Köln.Sport

Köllefornia Love

Ein Neubau mit Signalwirkung: Der Köllefornia-Park in Weidenpesch Foto: NorthBrigade/Hendrik Herzmann

Ein Neubau mit Signalwirkung: Der Köllefornia-Park in Weidenpesch
Foto: NorthBrigade/Hendrik Herzmann

Seit Anfang Mai ist Köln um eine sportliche Attraktion reicher: Der Köllefornia-Park im Kölner Norden setzt Maßstäbe im Skateboarding – Köln.Sport macht den Check vor Ort.

Alles ist ruhig – mitten im belebten Weidenpesch, mitten in einem der Sportzentren der Domstadt. Als Dieter „DJ“ Ortsiefer uns an der Bezirkssportanlage gegenüber der Galopprennbahn in Empfang nimmt, ist inmitten des stattlichen Grüns nur zu erahnen, welch gigantischer Skatepark sich jenseits des Zauns befindet. Freundlich bittet uns der Skateboard-Pionier hinein – und uns wird schlagartig klar, dass wir hier ein Aushängeschild der Sportstadt Köln erblicken. „Es ist ein wahr gewordener Traum. Wir haben acht Jahre gekämpft, in der Zeit hat häufiger das Totenglöckchen geläutet. Umso größer ist die Freude darüber, das Projekt fertiggestellt zu haben“, sagt Ortsiefer und kann den Stolz in seiner Stimme kaum verhehlen. „Ich bin unglaublich dankbar, dass wir durch die Kontakte und die Unterstützung das Ganze fertigstellen konnten. Aber wir dürfen jetzt nicht abheben.“

Abgehoben sind hier Anfang Mai aber etliche Könner ihres Fachs im Kölner Norden – zur Eröffnung des neuen Köllefornia-Parks hatte die „North Brigade“ um „DJ“ Ortsiefer geladen. Es folgten nicht nur zahlreiche Skate-Cracks, sondern auch viele Interessierte. Neben Jochen Ott, Kandidat für das Oberbürgermeister-Amt, und Sportamtsleiter Dieter Sanden kamen über 2.500 Besucher, die in Weidenpesch eine tolle Eröffnungsfeier erlebten. Der Höhepunkt: die Flaggenhissung des neuen Köllefornia-Logos, das getreu dem europäischen Leitspruch: „In Vielfalt geeint“ von den europäischen Sternen umrandet wird. „Wir haben den Begriff ‚Köllefornia‘ zum Inbegriff von Skateboarding in der Stadt gemacht“, sagt Ortsiefer. „Das ist sogar in dem entlegensten Viertel von Sao Paulo bekannt. Deswegen haben wir nach der Errichtung auch ganz klar gesagt: Das ist der Köllefornia-Skatepark.“

Für solche Momente lohnt sich das Ganze

Die Rückmeldung auf den komplett renovierten Skatepark ist jedenfalls überwältigend: „Eines unserer Urgesteine sagte mir: Ich hätte mir vor zwanzig Jahren beide Arme abgehackt, um in einem solchen Park zu fahren. Das geht nicht nur runter wie Öl, das treibt einem die Tränen in die Augen. Für solche Momente lohnt sich das Ganze“, berichtet Ortsiefer. „Den Anspruch, den wir an die Anlage und deren Betrieb stellen, ist folgender: Mit dem Lächeln, das die Leute bei der Ankunft im Gesicht haben, sollen sie den Köllefornia-Park auch wieder verlassen. Und das ist bislang bei 99 Prozent der Fall.“ Das macht auch jenseits von Köln Eindruck: „Durch den Neubau kommen viele Besucher von außerhalb. Zum Teil reisen Skater 400 bis 500 Kilometer quer durch Deutschland, aber auch aus Nachbarstaaten wie Belgien, Polen oder Dänemark werden Sportler hierhin gelockt.“

Der Ruf kommt nicht von ungefähr: In Weidenpesch hat man geklotzt, nicht gekleckert. In 123 Tagen wurde der Köllefornia-Park für 700.000 Euro saniert. Auf den mehr als 3.000 Quadratmetern Fahrfläche wurden über eine Tonne Beton verbaut, zahllose Arbeitsstunden stecken in Entwicklung und Durchführung des Projekts. „Wir simulieren hier nichts anderes als eine normale städtebauliche Architektur, es gibt drei verschiedene Sektoren: Bowl, Street und Canyon. Für jedes Level bieten wir hier etwas an“, erklärt uns der Skate-Pionier. Eines der Highlights sehen Besucher direkt beim Betreten: die große Treppe im Köllefornia-Park. „Zehn Treppenstufen – das ist schon etwas für Männer. Nicht nur über die Distanz zu springen, sondern in der Luft oder an den Rutschen auch Tricks zu machen – das beherrschen in Deutschland allerhöchstens zehn Fahrer“, so Ortsiefer, der sich stark für die Errichtung eingesetzt hatte.

Denn sein Verein musste, wie bei der Errichtung von Sportstätten üblich, ein Drittel der Kosten selbst tragen. Kein leichtes Unterfangen, die Unterstützung der Kölner Wirtschaft ließ zu wünschen übrig. Neben Sponsoren wie RedBull, SkateDeluxe oder Vans kamen auch Mittel von der Bezirksvertretung und einer Kölner Sparkasse. „Wir haben von Beginn an sehr engagierte Politiker und sehr engagierte Menschen in der Verwaltung als Partner. Ohne einen Herrn Sanden wären wir beispielsweise nicht auf diesem Grundstück in einer städtischen Sportanlage“, lobt der umtriebige Funktionär die Zusammenarbeit mit der Stadt.

Köllefornia-Park ist „state of the art“

Das Ergebnis kann sich jedenfalls sehen lassen. „Der Platz ist State of the Art, wie man so schön sagt. Darauf können wir uns aber nicht ausruhen. Wenn wir heute der modernste Skatepark Europas sind, sieht das nächste Woche vielleicht schon ganz anders aus“, weiß er, betont aber dennoch: „Wir haben in Deutschland und auch in Europa mit der Errichtung des Köllefornia-Parks ein Zeichen gesetzt.“ Dass das möglich war, ist auch der Skateboard-Community zu verdanken, die sich in die Gestaltung einbrachte. „Die Konzeption war ein Gemeinschaftswerk“, erklärt Ortsiefer.

Der Skatepark im Kölner Norden ist für 700.000 Euro saniert worden. Foto: NorthBrigade/Fire Line Marketing

Der Skatepark im Kölner Norden ist für 700.000 Euro saniert worden.
Foto: NorthBrigade/Fire Line Marketing

Rune Glifberg, einer der besten europäischen Skateboarder, designte beispielsweise die „Bowl“, eine große Schüssel. Für ihn sei es eine Ehre gewesen, für die North Brigade dieses Element zu konzipieren. „Das macht einen unheimlich stolz. Insgesamt war die Welle der Solidarität in den letzten zwei, drei Jahren kolossal. Ohne das hätten wir es nicht schaffen können“, so Ortsiefer. Hätte die Stadt das Projekt gebaut, wären die Kosten wohl auf drei Millionen Euro angewachsen. Dazu war das Know-how aller Beteiligten wichtig, um einen Fehlschlag wie in Frankfurt zu vermeiden. Dort hatte die Kommune fast fünf Millionen Euro in den Sand gesetzt, so Ortsiefer. „Für eine Anlage, die keiner fahren kann, weil sie total verbaut ist. Das war unsere Horrorvision – dass am Ende der ganzen Arbeit etwas steht, wo die Leute sagen: Was ist das denn für ein Mist!“

Davon ist der Köllefornia-Park allerdings weit entfernt, auch wenn die Realisierung häufig auf der Kippe stand. „Es war mühsam, aber sehr spannend, als es im letzten Sommer immer konkreter wurde. Verschiedenste Gremien mussten zustimmen, ein unendliches Prozedere. Dazu standen wir unter kolossalem Zeitdruck seitens der Sponsoren: Ab einem gewissen Zeitpunkt hätte das Projekt nicht mehr realisiert werden können. Aber wir haben es gewuppt. Umso größer ist die Freude, dass wir da sind, wo wir vor Jahren nicht mal geglaubt hätten zu sein.“

„Multikulturelle, klassenlose Gesellschaft“

Die Reaktionen auf den Köllefornia-Park sind so positiv wie die Atmosphäre unter den Skatern. „Das hier ist eine multikulturelle, klassenlose Gesellschaft. Hier ist es egal, ob der eine 14 oder 30, Schüler oder Rechtsanwalt ist“, weiß Ortsiefer. „Wenn jemand im Alltag oder auch im Wettbewerb einen geilen Trick zeigt, dann klopfen die anderen mit ihren Brett auf die Kante als Anerkennung. Stellen Sie sich das beim Fußball vor: ein Team, das dem Gegner nach einem schönen Tor applaudiert! Diese gemeinschaftliche Leidenschaft macht die Faszination aus.“

So ist Köln auf dem besten Wege zurück auf die Landkarte der Skateboard-Welt. „Mekka hört sich immer so hehr an. Wir versuchen das zu werden, was wir vor 20 Jahren waren: eine Metropole für Skateboarding, die auch viele sehr gute Skateboarder hervorbringt.“ Talente wie der 14-jährige Tyler Edtmayer, der zur Eröffnung aus dem tiefsten Bayern anreiste und sich gegen internationale Konkurrenz behauptete, sollen demnächst wieder in der Domstadt heranreifen. Eine Vision, die auch olympische Träume beinhaltet: „Wir haben hier die idealsten Trainingsbedingungen im Bowl- und im Street-Bereich, um dem Anspruch als Leistungszentrum oder sogar Olympiastützpunkt zu genügen. Es gibt schon jetzt Jungs, die kommen zweimal die Woche aus Lippstadt zweieinhalb Stunden mit der S-Bahn, um hier zu trainieren“, so Ortsiefer. Das sei schon bei der Errichtung im Hinterkopf gewesen.

Um den Standort Köln noch weiter zu stärken, will er alle Beteiligten zusammentrommeln:  „Ich hätte gerne für Köln einen runden Tisch, wo sich alle, die mit Skateboarding und BMX zu tun haben, zusammensetzen und einen Masterplan entwickeln. Ich sehe uns hier auch nicht als Nonplusultra, sondern wir sind eine Ergänzung des Angebots. Wir stellen etwas anderes dar als der Lentpark oder das Kap, diese Vielfalt macht doch das Leben aus“, betont Ortsiefer und kritisiert die aktuelle Situation in der Stadt. Bei der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Sportlern und Sportarten sei noch Luft nach oben. „Es gibt genügend urbane Beispiele, wo das funktioniert. In München funktioniert das, in Hamburg und Berlin funktioniert das, nur leider in Köln nicht. Hier giften sich die BMX-Fahrer und die Skater gegenseitig an.“ Bis zu einer Lösung genießen die Skater die neuen Möglichkeiten im Kölner Norden. In Ruhe und in sportlicher Nähe.

Thomas Reinscheid