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Köln.Sport

„In Höhenberg kann etwas entstehen“

Sie stehen für die Viktoria wie kein zweites Duo: Sportvorstand Franz und Kapitän Mike Wunderlich. Im Köln.Sport-Interview sprechen Vater und Sohn über den Aufstieg, Demut und höhere Ambitionen.

Pure Ekstase: Nach dem ­Abpfiff gegen Mönchengladbach II gab es in ­Höhenberg kein Halten mehr – erst recht nicht bei den Wunderlichs (Foto: imago images / Herbert Bucco)

Franz, Mike, ein Foto (s.o.) beschreibt den Aufstieg so perfekt wie die Umarmung von Ihnen beiden. Können Sie noch ungefähr nachempfinden, was Ihnen in diesen Momenten durch den Kopf gegangen ist?

Mike Wunderlich: Das Bild zeigt ganz gut, wie nach dem Abpfiff alles abfällt. Wenn man so lange darauf gewartet und hingearbeitet hat wie wir, ist das pure Ekstase. Bei diesem Bild ist auch denke ich nicht mehr viel hinzuzufügen.

Franz Wunderlich: Das Foto ist ja schon fast legendär, in dem Moment wird man wirklich „unbefleckt“ so wahrgenommen, wie man sich wirklich fühlt. Die letzten Saisonwochen waren wirklich brutal, gerade auch in unserer Situation gab es keinen Tag, wo man nicht über dieses Ziel redet. Freude, Ängste, Sorgen – in dem Moment war alles geschafft. Und das Foto bringt das perfekt zum Ausdruck, wie man sieht, ist da nichts gestellt (lacht).

Wie wurde nach dem Aufstieg gefeiert?

Mike: Wir haben hier gefeiert, ein Teil ist danach nach Mallorca geflogen, der andere nach Ibiza. Da haben wir eine Woche Gas gegeben, und dann ist jeder nochmal in den Urlaub. Die Woche Feiern hat auch gereicht, und jetzt sind wir froh, dass es wieder losgeht.

Nach dem Abstieg der Fortuna ist die Viktoria sozusagen jetzt die „Nummer zwei“ im Kölner Fußball. Ist dies auch die Selbstwahrnehmung? Und wie bewertet man diesen Abstieg der Fortuna?

Franz: Ich muss ganz klar sagen, dass ich es für die Fortuna sehr schade finde, bei aller Rivalität. Dass Uwe Koschinat dann gegangen ist, hat mir sehr Leid getan, ich schätze den Uwe sehr. Er war immer ein Aktivator, das ist mit seinem Abschied etwas verloren gegangen. Ich wäre aber lieber über die Severinsbrücke zur Fortuna gefahren, als 400 oder 500 Kilometer im Bus. Und die Wahrnehmung, dass wir die Nummer zwei in Köln sind: Wir sind gerade aufgestiegen, es ist schade, dass die Fortuna abgestiegen sind. Ob wir aber jetzt die Nummer zwei sind, spielt keine Rolle. Wir sollten demütig und seriös bleiben, wissen das Ganze richtig einzuschätzen.

Köln.Sport-Redakteur Peter Stroß (l.) mit Mike (r.) und Franz Wunderlich (Foto: Mick Oberbusch)

Mike, Sie haben bereits 2. Liga gespielt, die 3. Liga ist für Sie sportlich „Neuland“. Wie groß schätzen Sie diese Herausforderung ein?

Mike: Es war mein Ziel, als ich hier die Reise begonnen habe, mit dem Verein irgendwann in der Dritten Liga zu spielen. Das haben wir jetzt erreicht, und ich freue mich darauf, nochmal eine Liga höher zu spielen. Mit 33 ist das für mich auch nochmal eine Riesenmotivation, mich zu beweisen und zu zeigen, dass ich in meinem Alter auf dem Niveau noch gut mitspielen kann.

Auch wirtschaftlich ist der Aufstieg ein Riesenerfolg. Welche Veränderungen kommen nun auf den Verein zu?

Franz: Herr Wernze ist ein reiner Zahlenmensch, da gibt es nur Einnahmen und Ausgaben, da wird sich die Balance zeigen. Zu Beginn haben wir natürlich mehr Einnahmen, ich gehe aber davon aus, dass wir auch mehr ausgeben werden. Jetzt hat sich ja entschieden, dass wir unsere Heimspiele in Höhenberg spielen dürfen, da muss in die baulichen Maßnahmen auch ordentlich investiert werden. Dann die Reisekosten, wir müssen oft schon einen Tag vorher anreisen. Im ersten Jahr muss man sehen, aber Einnahmen und Ausgaben werden sich fast gleichermaßen bewegen. Es ist also nicht so, dass wir sagen könnten, wir hätten einfach mehr Geld.

Es war zu lesen, der Etat siedle sich im oberen Drittel der Dritten Liga an. Was können Sie dazu sagen?

Franz: Das würde ich nicht so sehen. Wir werden keine genauen Zahlen herausgeben, weil wir ja immer den gesamten Verein sehen, sprich Jugendabteilung etc. Ich würde uns finanziell im guten Mittelfeld sehen, mit Vereinen wie Braunschweig oder Ingolstadt können wir uns finanziell noch nicht messen. Die Stadionsituation hat sich zu Ihren Gunsten geklärt.

Wäre es nicht auch ein wenig komisch gewesen, in der kommenden Spielzeit im Südstadion aufzulaufen?

Franz: Ich habe es ja als Spieler 1986 erlebt, dass wir im zweiten Jahr ins Südstadion mussten. In Höhenberg wurde die Tribüne gebaut, damals hat uns das den Aufstieg in die Dritte Liga gekostet. Wenn man seine Heimstätte verliert, verliert man auch ein Stück weit Identität. Deswegen, unabhängig von der gesamten logistischen Abwicklung, sind wir super happy, dass wir hier bleiben dürfen. Mit dem Bau der Tribüne hinter dem Tor bekommt dieses Stadion nochmal eine andere Atmosphäre, und ich möchte nicht wissen, was dann hier los ist, wenn wir mal vor 8000 oder 10.000 Menschen spielen. Das haben wir in den Spielen gemerkt, als es um was ging, sprich DFB-Pokal. Da waren wir fast immer ausverkauft. Und dann wird man sehen, was auch hier in Höhenberg entstehen kann.

Mike, wie ist Ihr erster Eindruck von Pavel Dotchev?

Mike: Ich glaube, dass wir alle vom Trainer profitieren können. Er hat bereits Dritt-, auch schon eZweitliga-Erfahrung. Er weiß, wie die Liga funktioniert und worauf es ankommt, daher sind wir froh, dass wir so einen Trainer haben, der uns hinbringt, wo wir wollen. Hohe Ziele zu formulieren, halte ich im ersten Jahr doch für vermessen. Wir müssen uns schnell an die Liga gewöhnen und frühzeitig die Klasse sichern.

Welchen Fußball kann man 2019/20 in Höhenberg erwarten?

Mike: Auch in der Regionalliga waren wir fußballerisch neben den Amateurteams die Besten. Wir wollen immer übers Spielerische kommen, das hat uns in der vergangenen Saison ausgezeichnet und passt auch gut zum neuen Trainer. Er will Fußball spielen lassen, was in der Dritten Liga nicht allzu viele Mannschaften tun. Das wird weiter unser Weg sein, auch wenn wir beispielsweise im Pokal gegen die Fortuna gesehen haben, dass auch andere Dinge gefordert sind. Aber auch in diesem Spiel waren wir fußballerisch klar die bessere Mannschaft.

Franz, wie weit sind Sie mit der Kaderplanung und wo sehen Sie die größten Baustellen?

Franz: Es war klar, dass wir nach der Meisterschaft und dem etwas größeren Umbruch, den wir vorgenommen haben, auch neues Personal brauchen. Das benötigt Zeit. Ich glaube, dass wir aktuell gut unterwegs sind, wir sind uns aber auch im Klaren darüber, dass wir jetzt keine Panik machen dürfen. Wir sind alle lang genug im Geschäft, um zu wissen, dass jetzt gerade erst richtig Bewegung in den Transfermarkt kommt. Wir brauchen schon noch den ein oder anderen Spieler, wollen im Offensivbereich nochmal extrem hohe Qualität holen. Da reden wir über Spieler, die nachgewiesen haben, dass sie auf Top-Niveau agieren können, aber dafür brauchen wir Geduld. Das kann auch ein Leihspieler sein. Wir sind gut vernetzt, da laufen gute Gespräche.

Zum Abschluss: Mike, Sie sind jetzt 33. Beenden Sie Ihre Karriere in Köln?

Mike: Definitiv. Ich habe so lange darauf hingearbeitet, mit Viktoria in der Dritten Liga zu spielen, das haben wir jetzt erreicht. Ich habe noch zwei Jahre Vertrag, bin dann 35 und dann schauen wir mal, ob ich dann noch laufen kann. (lacht) Ich will die nächsten zwei Jahre genießen, alles andere ist noch weit weg. Dass ich hier meine Karriere beende, ist aber sicher.

Und an Franz: Wo sehen Sie die Viktoria in fünf Jahren?

Franz: Das ist im Fußball schon eine lange Zeit. Wir müssen erstmal in der Liga ankommen, wir freuen uns, aber das wird auch brutal. Wenn ich sehe, welche Qualität dort im kommenden Jahr vertreten sein wird. Das wird ein extremer Gradmesser. Wir müssen frühzeitig die Weichen stellen, um nicht in Stress zu geraten. Wir haben ja öffentlich zum Ausdruck gebracht, dass wir sehr ambitioniert sind, sonst hätte sich auch Pavel Dotchev nicht für unser Projekt entschieden, er hatte auch Angebote von höherklassigen Vereinen. Und jeder, der Herrn Wernze kennt, weiß, dass wir auch die nächsten Schritte einleiten wollen, wenn wir uns einmal etabliert haben. Es ist ganz klar, dass wir mittelfristig in die 2. Bundesliga wollen. Dazu wollen wir erst einmal im Profifußball ankommen. Die weiteren Schritte werden wir dann hinter den Kulissen planen.

Das Interview führten Mick Oberbusch & Peter Stroß