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Hymnen-Skandal: Box-Event gegen Rassismus wird zur Farce

Was für ein Skandal! Am 29. Juni wurde bei der Veranstaltung „Boxen am Meer – Sportler gegen Rassismus und Gewalt“ in Steinhude beim Spielen der deutschen Nationalhymne nicht die dritte, sondern die erste Strophe des Deutschlandliedes gespielt wurde. Jürgen Kyas, Präsident des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV) schritt ein, als das Lied mit den Worten „Deutschland, Deutschland über alles…“ begann. Im Interview spricht Kyas über den Skandal.

DBV-Präsident Kyas erhebt schwere Vorwürfe! (Foto: imago images / VIADATA)

Herr Kyas, Sie waren am 29. Juni in Steinhude vor Ort. Wie haben Sie die Situation erlebt?

Ich bin dort ganz unvoreingenommen hingefahren und habe mich eigentlich auf eine schöne Box-Veranstaltung gefreut. Das Ambiente dafür war auch geschaffen, mit dem Ring direkt am Meer. Das wurde wirklich sehenswert aufgebaut und hätte auch den Anspruch gehabt, eine tolle Veranstaltung zu werden. Es gab zwar ein paar Unstimmigkeiten in der Organisation, aber das ist auch ganz normal bei der ersten Austragung eines solchen Events. Was mich dann aber wirklich erschrocken hat, war der Moment, in dem die Mannschaften den Ring betreten sollten und die Nationalhymnen gespielt wurden. Bei der südafrikanischen Hymne ging noch alles gut, aber dann folgte für mich der Schreck des Nachmittags. Auf einmal wurde „Deutschland, Deutschland über alles…“ gespielt. Gerade in dieser sensiblen Zeit, in der wir täglich mit negativen Ereignissen konfrontiert werden, die aus dem rechtspopulistischen Spektrum kommen, ist man natürlich schockiert, wenn ein solcher Fauxpas passiert. Auch das Publikum quittierte diesen Umstand mit Buhrufen und Pfiffen. Ich bin dann aufgesprungen und zum verantwortlichen DJ gelaufen. Ich habe ihm untersagt, das Lied weiterzuspielen, was wiederum vom Publikum mit Beifall begleitet wurde. Daraufhin hat der DJ auch reagiert, wobei auffällig war, dass er gar nicht richtig verstanden hatte, warum ich dem Einhalt geboten habe. Ich habe ihm das dann erklärt, hatte aber nicht den Eindruck, dass er wusste, was ich meinte, obwohl ich es sehr deutlich, laut und klar gesagt habe.

Sie glauben also, dass es durch Unwissenheit dazu gekommen ist?

Ja. Ich möchte auf keinen Fall eine böse Absicht unterstellen. Was man den Veranstaltern aber vorwerfen kann, ist die Tatsache, dass offensichtlich keine Vorabüberprüfung der Nationalhymnen stattgefunden hat, wie wir das zum Beispiel bei jedem DBV-Turnier durch einen Supervisor machen lassen. Ansonsten wäre es wahrscheinlich gar nicht soweit gekommen. Leider Gottes habe ich vermisst, was in solch einer Situation einfach erforderlich gewesen wäre, nämlich dass der Ausrichter bzw. der Verantwortliche das Mikrofon in die Hand nimmt und sich für den Fehler entschuldigt.

Sie meinen Manfred Schumann, den Präsidenten des Niedersächsischen Box-Sport Verbandes (NBSV). Im Zuge des Skandals bot er seinen Rücktritt an, gab aber nun bekannt, dass er die Rückendeckung vom NBSV genieße und dies für ihn kein Thema mehr sei. Wie beurteilen Sie das?

Wenn er das so handhabt, dann spricht das nicht gerade für ihn. Und die Situation ist aktuell so, dass Manfred Schumann eine Hetzkampagne gegen meine Person loslässt und sich selbst als Opfer darstellt. Er attackiert mich in übelster Form und ich werde da nun wahrscheinlich rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen, um mich gegen diese verbalen Angriffe des Herrn Schumann zu wehren. Ich verstehe aber, dass er in seiner überheblichen Art nicht den Mut hat, sich zu etwas zu bekennen, was er zu verantworten hat.

Was genau wirft Herr Schumann Ihnen vor?

Am Montag, den 8. Juli, erreichte meine Geschäftsstelle ein Brief des Herrn Schumann. Er wirft mir vor, dass ich ihn in eine rechte Ecke stellen würde. Zudem solle ich, im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit bei der AIBA (der Weltverband des olympischen Boxens; d.Red.), vor meiner eigenen Tür kehren. Ich wäre mitverantwortlich für die desaströsen Geschehnisse bezüglich der AIBA und deren Ausschluss für die Olympischen Spiele 2020. Er konstruiert hier einen beleidigenden und persönlichen Vorwurf und das ist wirklich ungeheuerlich. Er zwingt mich dazu, Maßnahmen gegen ihn einleiten zu lassen.

Nochmal zurück zur Veranstaltung. Das heißt, es gab vor Ort keine Entschuldigung in jedweder Form?

Herr Schumann behauptet das Gegenteil. Aber ich habe während meiner Anwesenheit keine Entschuldigung gehört. Ich verließ das Event etwas früher, da mir das Ganze schon peinlich war, weil ich am laufenden Band auf die Situation angesprochen wurde. Herr Schumann behauptet, dass er sich entschuldigt habe, aber ich habe danach noch mit anderen Besuchern gesprochen, die bis zum Schluss dort geblieben sind und die mir sagten, dass es keine Entschuldigung gegeben habe. Was ich noch hinzufügen möchte: Auch im Nachhinein gab es keine Entschuldigung von Herrn Schumann. Hier möchte ich aber ausdrücklich den NBSV in Schutz nehmen, denn dort hat sich Vizepräsident Burkhard Schröder öffentlich und schriftlich für den Vorfall entschuldigt.

Welche Folgen erwarten Sie für den DBV oder den NBSV?

Für den DBV sehe ich keine Folgen, aber für Niedersachsen und in diesem Zusammenhang den Bundesstützpunkt (BSP) in Hannover könnte es Folgen haben. Denn auch der DOSB (Deutsche Olympische Sportbund; d. Red.) und der Landessportbund (LSB) Niedersachsen haben mit Unverständnis auf das Verhalten von Herrn Schumann reagiert. Der BSP in Hannover hat nur eine Anerkennung bis 2020. Wie es dort weitergehen wird, bleibt abzuwarten. Aber es ist bereits deutlich geworden, dass die jüngsten Ereignisse auch beim DOSB und LSB negativ angekommen sind. Denn es hängt natürlich vieles davon ab, ob es mit dem BSP in Hannover weitergehen wird. Ich denke da vor allem an Sportförderungen durch den LSB Niedersachsen.

Das Event hieß „Boxen am Meer – Sportler gegen Rassismus und Gewalt“, dennoch kam es zu einem solchen Eklat und es wird deutschlandweit darüber berichtet. Befürchten Sie, dass der Boxsport hierzulande dadurch Schaden genommen hat?

Die Befürchtungen sind allemal berechtigt. Ich hoffe aber inständig, dass es nicht weiter eskaliert. Von meiner Seite und von Seiten des DBV besteht kein Interesse, das Thema weiterhin in der Öffentlichkeit zu behandeln. Vor allem, seit es von Herrn Schumann so auf die persönliche Ebene getragen wurde. Dann würde nämlich der Boxsport in irgendeiner Form doch Schaden nehmen.

Das Interview führte Benjamin Stroka