Hut ab, Hansi Flick!
Zwischen 1990 und 1993 trug der heutige Bayern-Coach den Geißbock auf der Brust. Bei Gesprächen mit alten Kölner Weggefährten wird klar: Dieser Mann war schon immer besonders.

1990 wechselte Hansi Flick für eine damals beachtliche Ablösesumme von 1,5 Millionen D-Mark von der Isar an den Rhein. (Foto: imago images / Norbert Schmidt)
Hansi Flick hat in den zurückliegenden Monaten einen Traineraufstieg hingelegt, der seinesgleichen sucht. Nicht viele hätten ihm den Durchbruch beim FC Bayern als Cheftrainer zugetraut. Doch was er ablieferte, war nicht nur ein Durchbruch, vielmehr ein explosionsartiges Sprengen jeder Erwartung. Doch nicht nur in seiner Trainerkarriere, auch als Aktiver feierte der Coach Erfolge. Mit den Bayern wurde er vier Mal in Folge Deutscher Meister, bevor er sich im Sommer 1990 dem 1. FC Köln anschloss. Köln.Sport hat mit ehemaligen Weggefährten gesprochen – über den Spieler und Menschen Hansi Flick und darüber, was ihn so besonders macht.
„Aufrecht und Respektvoll“
Franz Wunderlich, Flicks alter Effzeh-Weggefährte (beide spielten in derSaison 1990/91 zusammen in Köln) und heutiger Vize-Präsident und Sportvorstand von Drittligist FC Viktoria Köln, hat nur gute Erinnerungen an seinen ehemaligen Teamkameraden. Das letzte Mal sahen sich der 57-jährige Wunderlich und der zwei Jahre jüngere Flick vor einigen Jahren zufällig in der VIP-Lounge des 1. FC Köln. Damals stand Flick noch als Co-Trainer neben Jogi Löw an der Seitenlinie und coachte die Nationalmannschaft. Auch damals, Jahre nach ihrer aktiven Zeit, war das Aufeinandertreffen noch „super aufrecht und respektvoll. Hansi hat einfach nicht vergessen, wer er ist”, so Wunderlich.
Auch während Wunderlichs FC-Zeit war Flick, der 1990 ans Geißbockheim wechselte, stets ein Vorbild für ihn. Auf der einen Seite der heutige Viktoria- Boss, frisch von den Amateuren der Kölner gekommen und seit einem halben Jahr im Kader der „Großen“ dabei. Auf der anderen Seite Hansi Flick, Ex-Bayern-Profi, der mit den Münchnern schon zahlreiche Trophäen gewinnen konnte, bevor er zu den Geißböcken wechselte. Aber Hochnäsigkeit oder Star-Allüren hatten nie eine Chance bei Flick. „Er war immer sehr höflich zu mir, er hat ja durchaus ein paar Titel gefeiert mit den Bayern zu der Zeit, aber das hat er nie jemanden spüren lassen. Hansi hat nie raushängen lassen: ,Ich komme vom FC Bayern München und du von den Amateuren‘, ganz im Gegenteil.”
Flicks Profi-Debüt
Auch an sein Profi-Debüt hat Wunderlich gute Erinnerungen, und das auch dank Hansi Flick: „Mein erstes Bundesliga-Spiel vergesse ich nie. Da haben wir 4:0 gegen die Bayern gewonnen, ich wurde in der 80. Minute eingewechselt. Danach hat Hansi einen Bayrischen Abend bei sich zu Hause veranstaltet, auch mit einigen Bayern- Spielern. Das war schon toll.”
Der Riesen Lautsprecher war der heutige Erfolgscoach aber nie, da gab es beim Effzeh andere: „Wir hatten damals Bodo Illgner, Paul Steiner, Pierre Littbarski, das waren schon eher die Köpfe. Aber Hansi war natürlich ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft.” Einer Mannschaft, die am Ende der Spielzeit auf Rang sieben einlief – es sollte in den kommenden Jahren noch weiter nach oben gehen.
Auch nach ihrer gemeinsamen Zeit verfolgte Wunderlich Flicks weitere Laufbahn aufmerksam. „Dass er jetzt bei den Bayern diesen unglaublichen Erfolg hat, ist natürlich toll. Auf lange Zeit wird sich zeigen, wo seine Trainerkarriere noch hingeht. Aber ich glaube, dass das einfach passt, gerade bei Bayern zwischen dem Team und Hansi.” Fragt man Wunderlich nach Flicks Erfolgsgeheimnis, hat dieser eine klare Meinung: „Wenn du so eine Mannschaft wie Bayern führst, dann brauchst du zum einen eine hohe Fachkompetenz, aber noch wichtiger ist ein gutes Gespür dafür, wie man mit diesen Spielern menschlich umgeht. Und ich glaube, dass das sein großes Geheimnis ist – seine Menschlichkeit und sein Führungsstil.”
Hat er damals zu seiner aktiven Zeit schon wie ein Trainer gedacht? „Die Jungs um Hansi Flick und Olaf Janßen im defensiven Mittelfeld hatten generell schon ein bisschen mehr taktisches Verständnis und Trainerdenken”, erinnert sich der Viktoria Manager. „Das braucht man einfach auf diesen Positionen, und das hatte Hansi damals auch.”
Damals wie heute Kollegen
Apropos Olaf Janßen: Der aktuelle Co- Trainer von Bruno Labbadia bei Hertha BSC Berlin hat über seinen alten Weggefährten ebenfalls ausschließlich Positives zu berichten. Während Flicks Köln- Aufenthalt steht Janßen jedes Jahr mit ihm im Kader – und als Doppel-Sechs oft auf dem Platz. „Hansi war ein ,ehrlicher‘ Spieler, hat alles dem Mannschaftserfolg untergeordnet und stets all seine Energie in die tägliche Arbeit und ins Spiel gesteckt”, berichtet Janßen. „Wir waren direkte Konkurrenten für die Sechser-Position und haben beide alles gegeben, um zu spielen.” Aber dieser Kampf sei niemals mit unfairen Mitteln ausgetragen worden. „Im Gegenteil, wir haben uns gegenseitig gepusht, es entwickelte sich eine Win-win-Situation unter Kollegen.” In der Saison 1991/92 resultierte dies in einem vierten Tabellenplatz für die Geißböcke.
Auch neben dem Platz hat Janßen den in Heidelberg geborenen Coach stets als tadellos und menschlich wahrgenommen. „Das ist seine DNA. Einfach ein angenehmer Kollege, der immer für jeden ein offenes Ohr hatte und sich auch um Dinge gekümmert hat, die nichts mit dem Fußball zu tun hatten. Hansi wollte andere stets unterstützen. Diese Charakterzüge seien auch ein Grund dafür, weshalb Flick dort als Trainer so große Erfolge feiert. Er ist ein ,Menschenfreund‘, der die Spieler erreicht und es darüber hinaus versteht, seine Spielidee als DNA den Akteuren zu implementieren.”
Nicht nur der „nette” Hansi
Auch die Wege des „Nordlichts“ André Trulsen kreuzten sich Anfang der 90er- Jahre beim 1. FC Köln mit denen Flicks. Der 1,91 Meter große Defensivspieler kam im Sommer 1991 für umgerechnet 650.000 Euro zu den Geißböcken. „Für mich war es der Schritt von St. Pauli zu einer Top-Mannschaft mit herausragenden Spielern wie Bodo Illgner, Pierre Littbarski und eben auch Hansi Flick. Es war etwas Besonderes, mit solchen Spielern und Persönlichkeiten zusammenzuspielen.” Eine dieser Persönlichkeiten hat ihm auch dabei geholfen, sich in seiner neuen Heimat einzuleben. „Ich war ja erst mal neu und musste mich einfinden”, erzählt Trulsen. „Aber gerade Hansi hat mir meinen Einstieg enorm erleichtert und mir geholfen, beim 1. FC Köln anzukommen.”
Neben seiner offenen, sympathischen und hilfsbereiten Art hatte der heutige Erfolgscoach, der mit dem FCB gerade das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League gewann, stets ein offenes Ohr für die Themen und Fragen seiner Mitspieler. „Hansi war damals schon ein echter Team-Player und stand für ein gutes Miteinander”, so die St.-Pauli-Legende, die nach dem FC Abstieg 2012 gemeinsam mit Holger Stanislawski als Trainergespann am Geißbockheim einstieg.
Auf dem Feld konnte der „nette” Hansi aber auch ganz anders. „Er war extrem ehrgeizig, wollte jedes Spiel gewinnen, auch im Training”, sagt Trulsen. Eine gewisse Galligkeit will er seinem ehemaligen Teamkollegen nicht absprechen: „Hansi konnte da schon sehr bissig sein.” Die heutigen Trainer-Erfolge Flicks verfolgt der Rekordspieler des FC St. Pauli aufmerksam: „Es freut mich natürlich total, wie er nicht nur als Spieler, sondern jetzt auch als Trainer eine so tolle Karriere hinlegt.” Gerade das „Wie” imponiert Trulsen besonders: „Dass Hansi mit seiner ruhigen, menschlichen und authentischen Art so erfolgreich ist, freut mich sehr. Ich glaube, das ist auch ein Stück weit sein Geheimnis.” Er sei kein Lautsprecher und Selbstdarsteller, sondern bodenständig, glaubwürdig und ehrlich. „Dazu natürlich fachlich hochkompetent. Ich glaube, Hansi wird auf jeden Fall auch in Zukunft sehr erfolgreich auf diesem Gebiet arbeiten.”
„Der Trainer steckte schon damals in ihm”
Einer, der Flick seit seinem ersten Tag im Effzeh-Trikot kennt, ist Erich Rutemöller, sein erster Trainer in Köln. Hansi Flick war damals noch unter Christoph Daum im Cheftrainer-Amt zum Effzeh gelotst worden, bei seiner Ankunft hatte allerdings schon Rutemöller den Platz an der Seitenlinie eingenommen. In der täglichen Arbeit lernte der mittlerweile 75-Jährige, der in seiner langen Laufbahn auch bei verschiedenen Auswahlmannschaften des DFB an der Seitenlinie stand, Hansi Flick kennen und schätzen.
„Er war ein sehr laufstarker Spieler im Mittelfeld. Sehr pflichtbewusst, sehr aufmerksam”, erinnert sich Rutemöller, „was nicht nur Hansis Spiel betraf, sondern auch seine Gedanken, die er sich grundsätzlich machte.” Der erfahrene Fußballlehrer bezeichnet Flicks Einstellung als „positiv kritisch – indem er viel fragte und auch seine Meinung kundtat. In Hansi steckte schon damals ein bisschen Trainer.” Rutemöller, der heute als sportlicher Berater des FC-Vorstandes arbeitet, sind Flicks strategische Fähigkeiten im Gedächtnis geblieben: „Ich hatte zwei Spieler in Köln, die beide ähnlich im Mitdenken waren: Hansi Flick und Olaf Janßen.” Die zwei hätten sich nicht nur mit dem Spiel beschäftigt, sondern auch immer wieder nach- und hinterfragt. „Beide sind ja dann auch im Trainerberuf gelandet.”
Der Taktikfuchs
Gerade Flick war schon damals taktisch sehr interessiert. „Wenn es um taktische Dinge ging, wollte er wissen, welche Aufgabe er hatte und wie man das am besten angeht. Das war natürlich eine andere taktische Welt damals”, sagt Rutemöller, der den Effzeh von Juni 1990 bis August 1991 trainierte. „Trotzdem, die Grundzüge waren bei Hansi Flick schon da: Was machen wir bei eigenem Ballbesitz? Und vor allem, was machen wir bei gegnerischem Ballbesitz? Greifen wir hoch an – oder ziehen wir uns zurück?” Dies habe der heutige Bayern-Coach damals schon ganz genau wissen wollen. „Hansi hat sich nicht nur um seine eigene Rolle und Position gekümmert, sondern sich für das ganze Geschehen auf dem Platz interessiert.” Flicks gesteigertes Interesse und seine durchaus kritische Art empfand Rutemöller jedoch keineswegs als störend. „Das war alles im Rahmen, das war nicht mit einer verstohlenen Kritik verbunden.” Aber: „Wenn er manches anders sah, dann hat er das auch mitgeteilt.“ Er habe mit Flick auch nicht immer nur über Taktik gefachsimpelt. „Doch in der unmittelbaren Vorbereitung vor dem Spiel merkte man, dass er sich mehr Gedanken machte als manch anderer.”
Status-Gehabe wegen seiner titelreichen Bayern-Vergangenheit? „Nein, das hat Hansi nie gezeigt. Das sieht man ja auch heute, das ist gar nicht seine Art. Hansi war damals ein Mannschaftsspieler, der sich eingebracht hat, der fürs Team gelaufen ist und gekämpft hat.”
Zwischen 2000 und 2007 leitete Erich Rutemöller die Fußball-Lehrer- Ausbildung des Deutschen Fußball-Bundes. Diese durchlief auch Hansi Flick, der 2003 unter Rutemöller als Jahrgangsbester abschloss. Auch im DFB-Trainerkurs bestätigte sich sein Eindruck von Flick: „Er war ein absolut vorbildlicher ,Schüler‘, der alles wissen wollte, interessiert und neugierig war und lernen wollte, wie man Wissen vermittelt.” Was Hansi Flick, schaut man sich die vergangenen Monate mit dem FC Bayern an, offenbar ziemlich gut gelungen ist!