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Köln.Sport

Hoffnung & Gefahr

Für die Erfüllung des Viktoria-Traums „3. Liga“ spielt Kapitän Mike Wunderlich eine enorm wichtige Rolle. Allerdings hat der 32-Jährige seine Gegner oft besser im Griff als seine Nerven. Und ein weiterer Ausfall des Anführers könnte verheerende Folgen haben
Wunderlich

Mike Wunderlich absolvierte in seiner Karriere 28 Spiele in der 2. Bundesliga (fünf Tore, fünf Assists) (Foto: imago/Dünhölter SportPresseFoto)

Während die Menschen in Deutschland am Übergang von Januar zu Februar eisigen Temperaturen ausgesetzt waren und die eigenen Oberarme beim Schneeschaufeln trainierten, bereiteten sich Mike Wunderlich und der FC Viktoria Köln im türkischen Belek auf die Rückrunde in der Fußball-Regionalliga West vor. „Schwitzen in der Sonne am Mittelmeer statt frieren in der Heimat“, hieß das Motto für Coach Patrick Glöckner und seine Mannschaft. „Wir haben natürlich mitbekommen, was in Deutschland los war“, sagt ­Kapitän Wunderlich. „Daher hatten wir optimale Bedingungen.“ Geht es nach Team, Trainern und Verein, soll es das letzte Trainingslager gewesen sein, dass die Höhenberger als Regionalligist bestreiten. Die Sommervorbereitung 2019 soll das Team dann bereits fit ­machen für die erste Saison in der 3. Liga.

Die Ansprüche sind hoch und auch die Ausgangsposition vor dem Pflichtspielstart 2019 ­gegen Rot-Weiß Oberhausen (17. Februar) passt – sechs Punkte haben die Viktorianer aktuell Vorsprung auf Verfolger SV ­Rödinghausen, neun auf RWO selbst. „Es ist klar, dass der Aufstieg unser Ziel ist. Wir werden alles versuchen, den Vorsprung diesmal nach Hause zu bringen“, so Wunderlich, der aber auch einschränkt: „Durch sind wir natürlich noch nicht. Jeder weiß, dass sechs Punkte Vorsprung eine gute Ausgangsposition sind, aber die können auch innerhalb von zwei Wochen wieder weg sein. Deshalb sind wir gut beraten, uns erstmal auf einen guten Start in 2019 zu konzentrieren.“ 

Doppelt außer Gefecht

Seit dem 13. Spieltag ist die Viktoria Tabellenführer, auch nach mittlerweile 21 Partien hat man den „Platz an der Sonne“ nicht mehr verlassen. Doch so positiv die erste Saisonhälfte für das Glöckner-Team verlaufen ist, so enttäuschend war sie für Wunderlich selbst. Der 32-Jährige, seit seiner Rückkehr auf die „Schäl Sick“ vor fast acht Jahren mit 140 Ligatoren für „seine“ Viktoria, musste sich bisher mit drei Einsätzen (drei Tore) begnügen. Zunächst setzte ihn eine Fraktur am Sprungbein fast vier Monate außer Gefecht, die Verletzung hatte sich Wunderlich gleich am ersten Spieltag beim 2:1-Sieg gegen Alemannia Aachen zugezogen.

Bei seinem Startelf-Comeback beim SC Verl (3:2-Sieg, 26. Oktober) schnürte der offensive Mittelfeldspieler in seiner typischen Manier gleich wieder einen Doppelpack zur zwischenzeitlichen 2:0-Führung, ruinierte sich in der zweiten Halbzeit allerdings selbst ­einen Großteil der Saison. Nach einer vermeintlichen Notbremse der Hausherren (64. Minute) bildete sich eine Spielertraube, in der Wunderlich mit Verl-Verteidiger Jonas Acquistapace aneinander geriet und seinem Gegenüber einen Kopfstoß verpasste. Das Urteil des Westdeutschen Fußball-Verbandes: zehn Spiele Sperre! Kein Spiel mehr für Wunderlich vor der Winterpause, erst seit dem 4. Januar 2019 ist er wieder spielberechtigt. Eine harte Strafe, doch wirklich überraschend kam sie nicht, denn der Viktoria-Kapitän ist Wiederholungstäter: Fünf Platzverweise hat er in seiner Zeit am Sportpark Höhenberg bereits kassiert. Unvergessen ist vor ­allem der im Relegations-Hinspiel gegen Carl Zeiss Jena 2017, als Wunderlich in der Nachspielzeit Gegenspieler Sören Eismann beleidigte und beim Rückspiel zusehen musste, wie seine Kollegen das „Wunder von Jena“ verpassten.

Nun darf der Mann mit der Rückennummer acht wieder spielen, doch sein eigenes Verhalten hat ihn durchaus beschäftigt. „So was darf mir nicht mehr passieren, gerade nach dem Platzverweis im Relegationsspiel 2017. Da steht man dann wieder vor der Mannschaft und sagt, dass es einem leid tut, aber irgendwann kann es keiner mehr hören. Das verstehe ich auch“, so der Rechtsfuß, der in Sachen Selbstkritik kein Blatt vor den Mund nimmt. „Das ist eine Schwäche von mir, dass ich auf dem Platz nicht so entspannt bin wie privat, sondern sehr emotional. Aber mit 32 Jahren sollte das man das besser im Griff haben. Und ab jetzt wird das auch so sein.“ In der Tat ist Wunderlich einer der Spieler, die man häufig auf dem Platz kaum wiedererkennt, wenn man um ihre Persönlichkeit außerhalb des grünen Rasens weiß. Eine Eigenschaft, die nicht nur negative Effekte hat: Immerhin ist der Sohn von Viktoria-Vizepräsident Franz Wunderlich innerhalb der Mannschaft seit Jahren als emotionaler Leader hochangesehen. „Meine Art hat mich zum Teil dahin ­gebracht, wo ich es hingeschafft habe. Aber wenn die negativen Effekte in einem Moment überwiegen, ist das natürlich trotzdem schlecht.“

Zusätzliche Motivation

Nun ist die Stellung Wunderlichs innerhalb des Vereins eine besondere. Gerade sein Verhältnis zu Vater Franz und Mäzen Franz-Josef Wernze (er holte ihn nach seiner Burnout-Erkrankung zurück nach Köln) ist extrem eng, was den Spielmacher allerdings nach seinem Platzverweis in Verl nicht vor ­einer internen Sanktion bewahrte. „Mein ­Vater ist sicherlich keiner der Väter, die das schönreden, ganz im Gegenteil. Das ist auch in Ordnung, so muss das auch sein. Auch Herr Wernze hat jedes Recht, dann ein ernstes Gespräch zu führen“, blickt der Kapitän zurück.

Doch mittlerweile geht der Blick wieder nach vorne: Wunderlich ist fit, hat eine gute Vorbereitung absolviert. Dass er wieder spielen kann, macht das Team definitiv stärker. Und an der ­Motivation für eine erfolgreiche Rückrunde mangelt es nach diesem Jahr 2018 definitiv nicht, auch wenn der 32-Jährige andere Schwerpunkte setzt. „Grundsätzlich ist keine Zusatz-Motivation nötig, weil mich das Ziel Aufstieg seit Jahren antreibt. Dass die Hinrunde für mich persönlich jetzt nicht perfekt war, kommt aber sicher noch oben drauf, das stimmt schon. Dennoch ist die größte Motivation ­unser großes Ziel, das wir jetzt zwei Mal in Folge verpasst haben. Und wir sind alle heiß darauf, das in dieser Saison endlich zu schaffen.“

Dass die Höhenberger dafür stark genug sind, hat die Hinrunde eindrucksvoll gezeigt. Es hat seit der Rückkehr in die Regionalliga im Jahr 2012 sicher nicht viele Viktoria-Teams gegeben, die mit nur drei Einsätzen von Mike Wunderlich einen Vorsprung von sechs Punkten nach 21 Spielen erarbeitet hätten. Doch in der Kabine und auf dem Platz stimmt es – ein Unterschied zu einigen früheren Spielzeiten. „Ich glaube, wir sind als Mannschaft in den letzten drei Jahren extrem gewachsen. Zum großen Teil sind wir ja seit ein paar Jahren zusammengeblieben. Man sieht es auf dem Platz, dass wir uns jetzt besser kennen. Und das war sicherlich der Schlüssel, warum wir auch Sperren und Verletzungen kompensieren können.“ Neben Wunderlich mussten auch potenzielle Leistungsträger wie ­Sascha Eichmeier (Kreuzbandriss), Marcel Gottschling (Muskelbündelriss) oder Simon Handle (Adduktoren-Abriss) längerfristig ersetzt werden.

Dennoch wurde der Kader zum Jahreswechsel nur im Angriff ergänzt, und zwar durch Lucas Musculus. Der 28-Jährige aus der Talentschmiede des 1. FC Köln war schon einmal bei der Viktoria (2013/2014), ist den Fußball-Kennern aber weniger aufgrund seiner damaligen Leistungen (sechs Spiele, kein Tor) in Erinnerung geblieben, sondern aufgrund der Vorsaison, als er mit 18 Treffern Viktoria-Kontrahent KFC Uerdingen in die 3. Liga schoss. Nach nur acht Einsätzen in der Drittliga-Hinrunde nun die Rückkehr nach Köln, Kumpel Mike Wunderlich ist begeistert. „Er ist ein anderer Spielertyp, der uns gut tut und jedes Regionalliga-Team weiterbringen würde. Über seine Qualitäten müssen wir nicht sprechen, die sind unglaublich.“ Mit einer Offensive aus Sven Kreyer, Albert Bunjaku, Wunderlich, Musculus, Kevin Holzweiler oder Timm Golley bringt die Viktoria im Angriffsspiel definitiv die höchste PS-Zahl in der Regionalliga mit. Dass diese PS wieder auf die Straße kommen, dafür will vor allem Mike Wunderlich sorgen. Selbstverständlich ab sofort wieder auf dem Platz, nicht mehr daneben.