fbpx
Köln.Sport

„Hockey braucht mehr Mut“

Andre Henning und Markus Lonnes, Trainer Rot-Weiss Köln

Ambitioniert für Rot-Weiss Köln bei der Sache: André Henning (l.) und Markus Lonnes
Foto: Köln.Sport/Thomas Berger

Die Meisterschaftsendrunde fest im Visier haben die Hockey-Teams von Rot-Weiss Köln. Vor der Schlussphase der Hauptrunde sprach Köln.Sport mit Herren-Trainer André Henning und Damen-Coach Markus Lonnes.

Mindestziel Platz vier erreicht – so lautet zumindest der Zwischenstand bei den Hockey-Teams von Rot-Weiss Köln. Die Endrunde der besten vier Teams der Bundesliga ist für Kölns Aushängeschilder fest eingeplant, denn die Herren als amtierender Meister sind ebenso ein Kandidat für den Titel wie die rot-weißen Damen. Vor dem Saison-Endspurt sprach Köln.Sport mit Herren-Trainer André Henning und Damen-Coach Markus Lonnes über Olympia, Alltagstristesse und die Ambitionen bei Rot-Weiss.

2016 ist ein olympischen Jahr, dort steht der Hockeysport mehr in der Öffentlichkeit als sonst. Freut man sich, dass die eigenen Sportart mehr Aufmerksamkeit genießt?

André Henning: Ich merke es besonders bei meinen Spielern. Wir haben acht Olympia-Kandidaten, die sind natürlich mit einem ganz anderen Fokus bei der Sache. Für uns ist das ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sind die Spieler fitter als eh schon, aber andererseits geht dadurch auch etwas an Konzentration für Rot-Weiss verloren. Der Verein ist dabei häufig derjenige, der Abstriche machen muss – beim DHB wird darauf recht wenig Rücksicht genommen.

Markus Lonnes: Wir sind immer als Vereine die, die die Kompromisse eingehen müssen und schauen, dass die Mädels nicht überdrehen. Ich freue mich trotzdem, wenn viele meiner Spielerinnen durchkommen und ich sie im Fernsehen bewundern darf. Hoffentlich bringen sie eine Medaille mit.

Im Alltag ist die Aufmerksamkeit für Hockey nicht allzu groß – obwohl der Sport hierzulande hochklassig betrieben wird. Ärgert Sie das manchmal?

Lonnes: Bei mir ist das eine Mischung aus Ärger und Selbstkritik. Ärger, weil die Spieler mehr verdient hätten. Wir müssen uns im Hockeysport aber auch hinterfragen, warum das so ist. Wir sind alle gefordert, das Ganze populärer zu machen. Wir sind bei Rot-Weiss dabei, vor der eigenen Türe etwas aufzubauen und uns besser zu vermarkten. Da sind wir als Trainer natürlich auch gefordert, die Sachen mitanzuschieben.

Henning: Da brauchen wir ganz eindeutig mehr Mut. Der Sport versteckt sich auch gern in seiner Nische und erzählt, dass man mit einem Boom gar nicht klar käme. Das ist natürlich kompletter Unfug. Wir brauchen mehr Events wie beispielsweise die Endrunde der Hallen-DM in einer Max-Schmeling-Halle in Berlin. Da tut der DHB leider zu wenig, daher müssten sich eigentlich die Top-Vereine zusammenfinden und sich vielleicht sogar als Liga abzukoppeln. Der Verband ist leider an dem Produkt Bundesliga nicht interessiert.

Herr Lonnes, Sie sind seit 2009 Damen-Trainer bei Rot-Weiss und damit schon ein Vereins-Urgestein an der Seitenlinie. Bislang keine Abnutzungseffekte spürbar?

Lonnes: Doch, die gibt es bestimmt. Ich wäre ein Zauberer, wenn es die nicht geben würde. Dass das Ganze jetzt seit sieben Jahren läuft, ist sicherlich nicht normal. Es ist im Hockey aber beileibe nicht so wie im Fußball, wo nach ein paar Niederlagen der Stuhl zu wackeln beginnt. Bei Frauen wird gern gesagt, es sei etwas spezieller und die Chemie müsse stimmen. Und die stimmt bei uns, weil wir uns schon ewig kennen. Das passt schon ganz gut!

Sie sind darüber hinaus auch im Jugendbereich tätig. Wie wichtig ist die Nachwuchsförderung für Rot-Weiss?

Lonnes: Die Jugendarbeit wurde bei Rot-Weiss in der Vergangenheit nicht so wahnsinnig groß geschrieben, das fing erst vor ein paar Jahren an. Das trägt nun Früchte: Mit Liv Arndt haben wir nun ein Eigengewächs in der Mannschaft, die hier alles erlernt hat. Das ist der Weg, den wir gehen wollen!

Gilt das auch für das Herrenteam? Sie waren U18- und U21-Bundestrainer, haben den Ruf als Förderer junger Talente.

Henning: Unbedingt. Bei uns gibt es eine ähnliche Situationen wie bei den Mädels, es wurde lange nicht sehr leistungsorientiert ausgebildet. Da sind wir auf dem Weg, vielleicht in drei-vier Jahren Top-Eigengewächse hochziehen zu können. Unser Ziel ist es, dass jedes Jahr zu schaffen, damit wir unsere Teams aus der eigenen Mitte aufbauen können. Die ersten Schritte dazu sind getan!

Sie sind seit dieser Saison Trainer der Rot-Weiss-Herren. Eine spezielle Aufgabe?

Henning: Ja, sonst hätte ich sie auch nicht angetreten. Es ist sehr reizvoll – schon zuvor hatte ich mich mit der Rolle als sportlicher Leiter fixiert. Ich wurde auch damit gelockt, bei Rot-Weiss etwas aufzubauen. Die Mannschaft hat darüberhinaus einen großen Reiz: Viele talentierte Jungs, die ich bereits als U-Bundestrainer gecoacht habe, dazu die erfahrenen Spieler wie die Zeller-Brüder – dieser Mix hat es gemacht. Rot-Weiss hat ein wahnsinnig professionelles Image, das hat sich für mich bestätigt. Ich kann hier auf hohem Niveau arbeiten, das ist eine Welt, die es im Hockey-Bereich nur sehr selten gibt.

Ist der Druck bei Rot-Weiss anders als bei anderen Vereinen?

Henning: Ich schaue nicht morgens in die Mails, ob ich meinen Job noch habe. Diese Sorge muss ich nicht haben. Das Umfeld ist viel ruhiger als kolportiert – man weiß, dass wir in einem Umbruch stecken und ein junges Team aufbauen. Dennoch ist Rot-Weiss ambitioniert und will auch für Titel stehen, das will ich auch. Daher machen wir uns intern wohl den größten Druck.

Die Herren sind Titelverteidiger, die Damen waren 2014 zuletzt Meister. Wie sehen die Ziele für die aktuelle Spielzeit aus?

Henning: Pflicht ist für uns definitiv die Teilnahme an der Endrunde der besten vier Teams. Schön wäre es, wenn wir uns direkt den Startplatz für die European Hockey League sichern könnten. Und für die Endrunde gilt: Wenn wir mit unserer jungen, aber doch schon sehr guten Mannschaft teilnehmen, dann wollen wir auch den Titel holen!

Lonnes: Wir haben drei Ziele: Wir wollen wieder in die Playoffs – und wenn wir dort sind, dann wollen wir auch Deutscher Meister werden, sonst brauchen wir dort nicht hinzufahren. Die Mannschaft hat schon 2012 und 2014 gezeigt, dass sie das Zeug dazu hat. Dazu spielen wir an Pfingsten in der EuroLeague: Mit Europa haben wir noch eine Rechnung offen, da wollen wir in diesem Jahr endlich eine Goldmedaille einsammeln.

Andre Henning und Markus Lonnes, Trainer Rot-Weiss Köln

„Der Standort Köln ist ein Riesenvorteil“: Bei Transfer ist die Stadt ein schlagendes Argument
Foto: Köln.Sport/Thomas Berger

Viele Spieler streben nach Köln – womit kann Rot-Weiss besonders punkten?

Henning: Der Verein hat bereits ein wahnsinnig professionelles Image aufgebaut – und bietet darüber hinaus Rahmenbedingungen, die unseren Spielern Perspektiven im Berufsleben und die Karriere nach der Karriere ermöglichen. Das zieht ebenso wie eine erfolgreiche Mannschaft mit Potenzial, dazu ist Köln als Standort auch nicht zu unterschätzen. Im Vergleich mit Hamburg muss sich die Stadt definitiv nicht verstecken.

Lonnes: Man muss bei uns differenzieren zwischen Herren und Damen, das ist schon ein Unterschied. Der Standort mit den Unis ist ein Riesenvorteil: Ich komme aus Neuss, André aus Mülheim – da hast du keine Chance, selbst Düsseldorf zieht da nullkommanull. Bei den Frauen ist aber noch extrem wichtig, dass sie ein Team haben, in dem sie sich wohl fühlen. Da geht so manches über Kontakte: Bei uns ist’s cool, bei uns lässt sich’s gut leben und bei uns kann man richtig gut Hockey spielen.

Bei Olympia wird Rot-Weiss vermutlich erneut sehr gut vertreten sein. Wie stehen die Chancen im Sommer, wieder Edelmetall bejubeln zu dürfen?

Lonnes: Die Möglichkeit dürfte bei den Herren sicherlich etwas besser sein als bei den Frauen. Ich glaube dennoch an eine Medaillenchance für unsere Mädels. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein solcher Coup gelingt. Ein „Lucky Punch“ ist durchaus im Bereich des Möglichen.

Henning: Die Damen haben sich sicherlich in die erweiterte Weltspitze zurückgearbeitet, es sind einige junge Spielerinnen, auch aus Köln, dazu gestoßen. Es steckt sehr viel Potenzial in der Mannschaft – die Frage ist, ob sie das bei so einem Turnier auch abrufen können. Bei den Herren ist zwischen Gold und Platz sieben alles drin. In der Vergangenheit haben sie bewiesen, bei Höhepunkten auf den Punkt fit zu sein. Da könnte in Rio wieder das klassische „Turniermannschaft“-Klischee greifen.

Herr Lonnes, Sie haben ihrem Kollegen etwas voraus – und zwar eine Olympia-Teilnahme als Co-Trainer der DHB-Damen. Da zieht er nun in Rio gleich: Was geben Sie ihm mit auf den Weg?

Lonnes: Komm nicht wie ich mit Platz vier wieder! (lacht) Im Ernst: Ich würde es auf jeden Fall nochmals mitmachen, denn Olympia ist mit allem, was wir im Sport erlebt haben, nicht zu vergleichen. Du sitzt im Olympischen Dorf und neben dir isst Dirk Nowitzki ein Schnitzel. Das ist sensationell, birgt aber auch Gefahren: Die Mannschaft muss man darauf sehr früh vorbereiten, damit sie sich auf das Wesentliche konzentrieren kann.

Henning: Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr. Nicht nur auf das Event Olympia an sich, sondern auch, wie die Mädels damit umgehen. Sie haben sich das sehr hart erarbeitet, es war nicht so selbstverständlich wie vielleicht in der Vergangenheit.

Auf dem Weg dahin steht am 26. April für alle ein Heim-Länderspiel gegen Argentinien an. Was darf sich der Kölner Sportfan davon erwarten?

Henning: Auf einen attraktiven Gegner, der tolles Hockey bietet. Argentinien ist eine absolute Hockeynation, die Mannschaft zählt zu den besten der Welt und gilt für Olympia neben den Team aus Australien und den Niederlanden als ein Kandidat auf die Goldmedaille. Für uns sind solche Spiele als Vorbereitung sehr gut – und wenn drei, vier Rot-Weiss-Mädels auf dem Platz stehen, hoffen wir, dass auch die Anlage dementsprechend voll wird.

Lonnes: Das ist ein Härtetest, der unsere Spielerinnen weiterbringen kann. Aber auch für unsere Nachwuchs-Akteure ist das ein tolles Erlebnis, wenn sie ihre Idole in der Nationalmannschaft sehen können. Das ist Anschauungsmaterial, wo das Ganze hinführen kann.

Das Interview führte Thomas Reinscheid