fbpx
Köln.Sport

Hinter den Kulissen bei Bayers Talentschmiede

Kai Havertz, Danny da Costa oder Kevin Kampl: Das Nachwuchsleistungszentrum von Bayer 04 Leverkusen hat schon einige große Talente hervorgebracht. Scout Dirk Diekmann gewährt Köln.Sport einen Einblick hinter die Kulissen der Werksklub-Talentschmiede.

Als Scout sieht sich Dirk Diekmann täglich vier bis sechs Stunden Fußball an (Foto: Ben Horn)

Von Manchester City über den FC Barcelona hin zum FC Liverpool und dem FC Bayern: Die Liste an europäischen Topklubs, die auf der Jagd nach Kai Havertz sind, ist lang. Mit gerade einmal 17 Jahren und 126 Tagen debütierte er als jüngster Spieler in der Geschichte von Bayer 04 Leverkusen in der Bundesliga und erzielte in der vergangenen Spielzeit starke 17 Tore und vier Assists.

Bis zu seinem zehnten Lebensjahr kickte der gebürtige Aachener bei Alemannia, ehe sein Weg über die Leverkusener Nachwuchsabteilung in den Profifußball führte. Er ist nicht nur das jüngste Beispiel für die gute Nachwuchsarbeit bei Bayer 04, sondern auch für eine erfolgreiche Scouting-Abteilung.

Dirk Diekmann, Verantwortlicher für den Bereich U12 bis U19 arbeitet seit 30 Jahren für Leverkusen und hat im Laufe seiner Karriere schon unzählige Male sein Adlerauge unter Beweis gestellt. Er gilt als einer der besten seiner Zunft und weiß als absoluter Fußballfachmann genau, worauf es ankommt.

Unersetzliche Helfer

Sie agieren meist im Hintergrund, stehen selten im Rampenlicht und dennoch sind sie für Profiklubs unersetzlich – Die Rede ist von Scouts, die sich Tag für Tag auf die Suche nach neuen, jungen Talenten machen. Einer von ihnen ist Dirk Diekmann, einst Jugend-Trainer für die U13 bis U15 beim aktuellen Bundesligasechsten. Mittlerweile kümmert er sich um die Sichtung von Talenten im Bereich U12 bis U19.

Beim Werksklub beginnt das Werben um die Stars von morgen im Alter zwischen fünf und sechs Jahren: „Unsere erste Jugendmannschaft ist die U8, also Siebenjährige. In dem Zusammenhang ist es so, dass wir im Umkreis von ungefähr 50 Kilometern viele Scouts haben, die sich in den einzelnen Gebieten auskennen“, erklärt Diekmann.

Meistens sind auch zwei bis drei Talentsichter bei einem Spiel vertreten, die ihre Beurteilungen anschließend zusammentragen. Sobald ein guter Spieler entdeckt wird, werden die Trainer, Vereine und natürlich auch die Eltern kontaktiert. Die spannende Frage ist jedoch: Wonach beurteilen Scouts die Spieler? Danach, wer die meisten Tore schießt oder die meisten Zweikämpfe gewinnt? Natürlich nicht!

Aktuelles Leistungsvermögen nur bedingt relevant

Für Diekmann steht die Spielleistung eines Jungen nicht im Vordergrund und ist nur bedingt aussagekräftig. Im Fußball, so sagt er, gibt es Fähigkeiten, die man lernen kann und es solche, die man haben muss. Ruft ein Spieler in bestimmten Situationen Dinge ab, die man so nicht ohne weiteres beibringen kann, hat er bei ihm einen großen Pluspunkt:

„Ich achte darauf, ob ein Spieler auf dem Feld alles mitbekommt. Hat er in bestimmten Situationen eine Idee und erkennt er Situationen frühzeitig? Er muss ein Gefühl für das Spiel haben“, weiß der Scout aus Erfahrung. Überzeugt ein Kicker die Beobachter, wird er zu einem Probetraining eingeladen. Dabei schauen der jeweilige Trainer, oft auch die sportliche Leitung und unter Umständen noch zwei andere Scouts zu.

Bei den 11- bis 15-Jährigen ist das Gebiet, in dem die Sichter auf Talentsuche gehen, ungefähr doppelt so groß. In einem Umkreis von rund 100 Kilometern geht es darum, die besten Fußballer zu entdecken und anschließend unter das Bayerkreuz zu lotsen.

Dazu erklärt Dirk Diekmann: „Generell läuft es in diesem Altersbereich etwas anders ab. Es gibt Lehrgänge von den Verbänden, es gibt Meisterschaften – eine Vielzahl von Gelegenheiten, um Talente zu scouten. Jedoch ist der Konkurrenzkampf groß. Umliegenden Klubs wie Gladbach, Köln oder Schalke buhlen auch um die größten Talente.“

Blick in die Glaskugel

Bei seinem Job ist Diekmann, der selbst von der U13 bis zur U19 in der Nachwuchsabteilung kickte, ständig und überall unterwegs. Nicht nur bei Spielen ist er anwesend, er beobachtet auch Trainingseinheiten und bewertet die Entwicklung junger Spieler. Zudem schaut er sich Spieler an, die zum Probetraining eingeladen werden, um an der Entscheidung beteiligt zu sein. Aber was genau macht einen guten Scout aus, abgesehen von einem hohen Fußball-Sachverstand und im Idealfall auch einer gewissen Erfahrung?

„Es geht beim Scouting generell immer darum, dass wir nicht nur den Ist-Zustand bewerten, das, was ein Junge gerade kann, sondern ob er perspektivisch das Zeug für Bayer 04 hat. Ein sehr guter Jugend-Scout ist derjenige, der es hinbekommt, valide einschätzen zu können, welche Fähigkeiten der Jugendliche in Zukunft entwickeln wird und ob er sich verbessern kann“, so Diekmann.

Einen Topspieler schon im frühen Alter von elf oder zwölf Jahren zu erkennen, ist zwar schwierig, aber nicht ausgeschlossen: „Ich traue mir schon zu, einzuschätzen, wo der Spieler landen kann, wenn die Entwicklung normal verläuft. Nimmt man Kai Havertz oder Leroy Sané, den ich auch drei Jahre trainiert habe, dann sage ich, da konnte man das erkennen.“

Nur die wenigsten schaffen es

Doch natürlich wird nicht aus jedem jungen Talent auch ein erfolgreicher und gestandener Bundesligaprofi. Aus jedem Jahrgang in ganz Deutschland schaffen es ungefähr 15 Spieler in die Bundesliga. Die Spieler im Nachwuchsleistungszentrum müssen sich Jahr für Jahr neu qualifizieren und alles der Schule und dem Fußball unterordnen, weiß der Talentsichter:

„Wir haben eine große Verantwortung für die jungen Menschen. Sie stehen teilweise um 6:00 Uhr auf und dann geht es erst mal in die Schule. Dann steigen sie um 15:00 Uhr in den Bus und werden zu unserer Anlage gefahren, um hier eineinhalb bis zwei Stunden zu trainieren. Nach dem Training steigen sie dann wieder in den Bus und sind mitunter erst gegen neun Uhr zu Hause.“

Zeit für Freunde und Freizeit bleibt da kaum – ein Opfer, dass die Kinder und Jugendlichen bewusst bringen. Und auch, wenn sie es am Ende nicht zu den Profis schaffen, war die Zeit im NLZ nicht umsonst. Persönliche Erfahrungen wie Auslandsreisen und die hervorragende sportliche Ausbildung kann ihnen am Ende keiner nehmen.

Vorbildfunktion

Ebenso wie die Jugendtrainer nehmen auch Scouts eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Spieler ein und fungieren gewissermaßen auch als Vorbilder. Sie sind dafür verantwortlich, Dinge aus den Spielern herauszukitzeln. Die Jungen haben einen Traum und sowohl die Trainer, als auch die Scouts, können ihnen dabei helfen, diesen zu verwirklichen: „Wenn man das Engagement und den Ehrgeiz vorlebt, folgen die Spieler“, so Diekmann.

Gleiches gilt für den Zusammenhalt untereinander. Obwohl jeder Spieler das gleiche Ziel vor Augen hat, müssen sie lernen, dass Konkurrenzdenken nicht weiterhilft, sondern im Mannschaftssport meist in eine Sackgasse führt. Laut Diekmann sollten sowohl Nachwuchstrainer als auch Scouts stets empathisch, fordernd und vor allem ehrlich sein:

„Man muss den Spielern sagen, was gut ist und woran man arbeiten kann. Wenn das nicht klappt, kann es bedeuten, dass es mal nicht weitergeht. Natürlich sind sie dann im ersten Moment enttäuscht. Aber sie werden lernen, damit umzugehen.“

Wer wird der nächste Havertz?

Auch wenn das Business hart ist und Dirk Diekmann sich oft einer schwierigen Entscheidung gegenüber sieht, liebt er seinen Job über alles, nicht zuletzt wegen der Zusammenarbeit mit jungen Menschen. Und wenn es dann mal wieder ein Nachwuchsspieler in die Profimannschaft geschafft hat, ist die Freude umso größer:

„Ich sehe oft Spieler unten auf dem Rasen, die ich gescoutet habe und freue mich jedes Mal darüber. Ich hatte immer die Verabredung mit den Spielern gehabt, wenn sie Profis bei Bayer 04 Leverkusen werden und spielen, sollen sie mir zwei Karten besorgen.“

Die Fans der Werkself dürfen jedenfalls optimistisch in die Zukunft blicken, denn die Nachwuchsabteilung bietet gute Voraussetzungen, dass der ein oder andere Spieler den Sprung schafft, verrät Diekmann. Ob es dann nach Havertz ein weiteres Ausnahmetalent sein wird, bleibt abzuwarten.