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Köln.Sport

Haie: Totale Kontrolle

Um ihrem Gegner im Liga-Alltag einen Schritt voraus zu sein, nutzen die Kölner Haie ein Analyse-Tool, das die Leistungsfähigkeit der Spieler steigern und einen Überblick über ihre aktuelle Verfassung geben soll. Alles, damit die Kufenstars am nächsten Spieltag ihre maximale Leistung abrufen können.
Kontrolle

Vor jedem Training legt Arne Greskowiak den Haie-Profis, hier Fabio Pfohl, Herzfrequenz-Messgeräte an (Foto: Mick Oberbusch)

Arne Greskowiak steht hinter der Bande in der Kölnarena 2 und schaut seinen Schützlingen beim Training zu. Und zwar in dem Bereich ohne Glasscheibe, der nicht unbedingt vor einem quer fliegenden Puck schützt – hunderte Einschlaglöcher auf der Wand hinter ihm bestätigen dies. Kein Problem für Greskowiak, er ist auf seinen Laptop fokussiert, hält diesen in der Hand und beobachtet sowohl das Treiben auf dem Eis als auch das auf dem Bildschirm ganz genau.

Im Visier hat der Athletiktrainer der Kölner Haie den Routinier Kai Hospelt, den er nur „Hospi“ nennt. Es steht eine Trainingsübung an: Puck zur Mitte passen, freilaufen, ihn wiederbekommen, abschließen. In wenigen Sekunden.

Dass dies auch im Training für erhöhten Blutdruck und Anspannung sorgt, kann Greskowiak an seinem Bildschirm ablesen. Dieser ist in verschiedene Bereiche unterteilt, insgesamt drei für die einzelnen Positionsgruppen Tor, Verteidigung und Angriff sowie für jeden Spieler, der sich aktuell auf dem Eis befindet, einzeln. Darauf kann Greskowiak unter anderem Faktoren wie Herzfrequenz, Sauerstoffzufuhr oder körperliche Ermüdung im Auge behalten.

„Eishockeyspieler skaten im Laufe einer Partie eine hohe Anzahl an Shifts rauf und runter, da ist es wichtig, schnell die Herzfrequenz herunterfahren zu können, wenn man wieder auf der Bank sitzt“, sagt Greskowiak und schaut zurück auf den Bildschirm.

Körperliche Fähigkeiten messbar machen

Hospelt, gerade noch im Eiltempo Richtung Tor unterwegs, stellt sich hinter seinen Teamkollegen an der Seite an und wartet, bis er mit seinem nächsten Angriff dran ist. Sein Puls fährt herunter, der auf dem Weg verlorene Sauerstoff gelangt schnell zurück in seinen Körper. So wie es sein soll. „Ich will vor allem vermeiden, die Spieler unter- und überzubelasten, will keinen ‚kaputt machen‘. Unser Ziel ist es, maximale Leistung abzurufen – und das ist planbar“, sagt Greskowiak.

Deshalb nutzen die Haie in der mittlerweile dritten Saison das Tool „Firstbeat“, das dabei helfen soll, die Performance der Spieler auf dem Eis besser einschätzen und so im Saisonverlauf optimieren zu können. Und der Erfolg gibt ihnen Recht. „Wir setzen das System auch schon bei den 15- und 16-jährigen Spielern ein, schaffen so früh die Strukturen, um sie an den Profibereich heranzuführen. Das Resultat sind dann Spieler wie Lucas Dumont, Mick Köhler oder Dani Bindels. Jetzt sind wir auf der letzten Stufe und versuchen, aus den Jungs richtige Männer zu machen“, erläutert Greskowiak.

Arne Greskowiak

Während die Profis auf dem Eis sind, hat Arne Greskowiak auf einem Bildschirm alle seine Schützlinge im Blick. Mit „Firstbeat“ misst er deren Herzfrequenz, Sauerstoffzufuhr und Erschöpfungsgrad (Foto: Mick Oberbusch)

Der 34-Jährige ist ein groß gewachsener Typ mit Vollbart, der selbst nicht aus dem Eishockey kommt, sondern früher leistungsmäßig Handball gespielt hat. Greskowiak hat einen trockenen Humor, ist eher schroff im Umgang mit den Spielern, flachst aber auch viel – und hat das uneingeschränkte Gehör der Profis. „Wir haben 25 Spieler im Kader, mit sehr unterschiedlichen, teilweise auch genetisch bedingten Voraussetzungen. Uns interessiert: Wie können wir die körperliche Fähigkeit des einzelnen messbar machen und erfahren, wie es dem Spieler wirklich gerade geht?“

Da die Gemütslage der Profis jedoch nicht ausschließlich über körperliche Belange definierbar ist, spricht Greskowiak viel mit ihnen. „Und aus den gemessenen Werten, den subjektiven Eindrücken der Spieler und den Einschätzungen des Trainerteams bekomme ich eine schöne Batterie an Informationen zusammen, mit denen wir dann arbeiten können“, erklärt der Athletiktrainer.

Maximale Leistungen abrufen

„Firstbeat“ ist dafür unerlässlich. „Wir nutzen das Ganze in einer Teamvariante, das heißt, wenn die Jungs auf dem Eis sind, kann ich mir alle Spieler gleichzeitig anschauen und sehen, welcher Spieler wie intensiv belastet ist. Das System wirft ein paar Scores aus, anhand derer sich nachher das Training beurteilen und sagen lässt, welche Intensität es hatte“, sagt der Trainingsexperte. Um die mentale Verfassung sowie die Trainingsbereitschaft zu überprüfen, nutzen die Haie zudem eine App, die in der Vergangenheit auch schon in der Fußballbundesliga zum Einsatz kam und die für Diskussionen sorgte.

„Da hieß es dann: ‚Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann überwacht seine Spieler mit einer App.‘ Dabei ist es ein ganz klassisches Befragungstool: Jeder Spieler bekommt täglich fünf Fragen per App auf sein Handy. Wir wollen wissen: Wie hast du geschlafen? Wie ist deine Bereitschaft zu trainieren? Hast du Muskelkater? Und je häufiger wir das machen, desto mehr bekommen wir ein Gefühl für die Belange der einzelnen Profis“, erläutert Greskowiak.

Alles natürlich immer im Hinblick auf den nächsten Spieltag. „Das Ziel ist, unser maximales Leistungspotenzial am Wochenende abrufen zu können. Dafür stellen wir unter der Woche die Weichen“, sagt der 34-Jährige. Er schaut zurück aufs Eis: Kai Hospelt hat seine zweite Runde absolviert, kommt aber nach der körperlich und mental anstrengenden Übung wieder schnell zur Ruhe. Greskowiak blickt zufrieden auf seinen Bildschirm.