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Köln.Sport

„Fußballspielen verlernt man nicht“

Gab sein Comeback bei der Zweiten Mannschaft der Fortuna: Ozan Yilmaz (r.) Foto: Ben Horn

Gab sein Comeback bei der Zweiten Mannschaft der Fortuna: Ozan Yilmaz (r.)
Foto: Ben Horn

Gut anderthalb Jahre sind seit dem schweren Autounfall vergangen, der die Karriere von Ozan Yilmaz ins Stocken brachte. Doch die Leidenszeit des Mittelfeldspielers in Diensten von ­Fortuna Köln ist vorbei.

Wenn Ozan Yilmaz’ Freundin Theresa nach Hause kommt, kann sie sich darauf verlassen, dass die Spülmaschine bereits ausgeräumt ist. Das war nicht immer so. „Früher habe ich solche Sachen immer so lange hinausgezögert, bis sie es schließlich selbst gemacht hat“, sagt der Mittelfeldspieler des SC Fortuna Köln. „Mittlerweile unterstütze ich meine Freundin gerne und helfe auch im Haushalt.“

Es ist nur eine kleine Anekdote, doch sie steht sinnbildlich für eine neue Einstellung zum Leben, die Yilmaz seit seinem schweren Autounfall entwickelt hat. Damals hatte ihn ein anderes Fahrzeug auf der Fahrerseite getroffen. Der heute 27-Jährige erlitt schwere Verletzungen, unter anderem einen Beckenbruch. „Mittlerweile erledige ich Dinge, die mir wichtig sind, sofort, statt sie aufzuschieben. Früher war ich ein sehr oberflächlicher Mensch“, gesteht Yilmaz. Doch die Zeiten, in denen er sein Leben frei nach dem Motto „Komm ich heut nicht, komm ich morgen“ organisierte, gehören seit dem einschneidenden Er­lebnis im Herbst 2013 der Vergangenheit an.

Auch seine Eltern in Marl besucht Yilmaz, der seine ersten Erfahrungen im Seniorenfußball ganz in der Nähe bei der SG Wattenscheid 09 gemacht hat, mittlerweile, so oft es geht. „Meine Familie hat der Unfall noch mehr mitgenommen als mich. Sie waren in dieser schweren Zeit für mich da, das will ich jetzt zurück­geben.“ Ozan Yilmaz ist dankbar für die Unterstützung, die er in der härtesten Phase seines Lebens erfahren hat: „Die erste Zeit im Krankenhaus war schlimm. Ich konnte nicht aufstehen und habe mich hilflos gefühlt. Man macht sich viele Gedanken und beginnt, Dinge anders zu sehen.“

„Ein geiles Gefühl“

Weil der behandelnde Arzt im Universitätsklinikum Mainz vom ersten Tag an eine Fortsetzung der Karriere in Aussicht stellte, kehrte der Optimismus schnell wieder zurück. „Ich weiß nicht, wie sie es gemacht haben, aber es war eine Meisterleistung“, sagt Yilmaz und lacht. Seit knapp zwei Monaten steht er im Training mit der Mannschaft auf dem Platz, ist wieder ein vollwertiger Teil des Teams. „Als ich in die Kabine kam, haben mich alle umarmt. Es ist ein schönes, aber auch komisches Gefühl, wenn man so lange weg war.“

Seit Yilmaz im Oktober 2013 letztmals für die Fortuna am Ball war, ist viel passiert. Mit dem Aufstieg in die 3. Liga hat die Qualität im Kader zugenommen: „Es ist schneller geworden, Fehler werden jetzt sofort bestraft“, lobt der Deutsch-Türke die Entwicklung seiner Mitspieler: „Die Jungs haben sich super gemacht. Vor allem Kusi Kwame ist ein riesiger Sprung gelungen.“ Geschont wird Yilmaz im Training nicht. Probleme hat er keine mehr, lediglich in Sachen Spritzigkeit besteht noch Nachholbedarf. Nach über anderthalb Jahren Pause kein Wunder. Um langsam wieder auf Touren zu kommen, sammelte der feine Techniker zuletzt Spielpraxis in Fortunas zweiter Mannschaft, die in der Kölner Kreisliga A um den Aufstieg in die Bezirksliga kämpft. „Mir helfen diese Einsätze sehr. Die Jungs haben mich super aufgenommen“, erzählt Yilmaz.

Bei den Fortuna-Fans ist Yilmaz nicht in Vergessenheit geraten Foto: imago/Revierfoto

Bei den Fortuna-Fans ist Yilmaz nicht in Vergessenheit geraten
Foto: imago/Revierfoto

Sein Comeback gab er am 19. April. Statt Preußen Münster oder Dynamo Dresden hieß der Gegner SV Schlebusch II. Für den Rückkehrer kein Problem. Beim 4:1-Sieg hielt er 75 Minuten durch. „Es war ein richtig geiles Gefühl, wieder ein Spiel für Fortuna gemacht zu haben.“ Eine Woche später spielt Yilmaz sogar über die komplette Distanz und hat maßgeblichen Anteil am knappen 2:1-Erfolg gegen Rheinkassel-Langel, der für Fortunas Zweite vorübergehend die Tabellenführung bedeutet. In der 90. Spielminute nimmt Yilmaz den Ball mit dem Rücken zum Tor an und lupft ihn über seinen Gegenspieler hinweg in den Lauf von Marko Stojanovic, der den Siegtreffer erzielt. „Ballgefühl kommt immer auf die Situation an. Aber Fußballspielen verlernt man nicht.“ Kaum jemand wird das besser beurteilen können als Ozan Yilmaz.

Der Traum vom Comeback

Im Sommer läuft der Vertrag des beidfüßig starken Offensivspielers beim Südtstadklub aus. Noch ist nicht geklärt, wo Ozan Yilmaz in der kommenden Saison Fußball spielen wird. Erste Gespräche mit Trainer Uwe Koschinat, bei der Fortuna für die Personalplanung federführend verantwortlich, verliefen aus Sicht des Spielers positiv. Eine Garantie für eine Weiterbeschäftigung bedeutet dies nicht. Werden die Fortuna-Fans Yilmaz in dieser Saison noch einmal im Südstadion zu Gesicht bekommen? „Ich hoffe es. Wenn der Trainer entscheidet, dass ich so weit bin, und mir die Chance gibt, wäre ich überglücklich“, so Yilmaz.

Ein Comeback im letzten Heimspiel der Saison gegen Wiesbaden, verbunden mit dem Klassenerhalt – für den leidgeprüften Publikumsliebling würde es die endgültige Rückkehr und das Ende einer langen Leidenszeit bedeuten. Zudem wäre es eine tolle Gelegenheit, Danke zu sagen. „Es ist unfassbar, wie die Fans an mich geglaubt haben und hinter mir standen. Es wäre ein unbeschreibliches Gefühl, wenn ich mich auf dem Platz für ihre Unterstützung und die Motivation, die sie mir gegeben haben, bedanken könnte“, sagt Yilmaz. Er lächelt. Dass er nach dem Training zu Hause noch die Spülmaschine ausräumen muss, stört ihn nicht.

Stefan Kühlborn