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Köln.Sport

Exklusiv: Koschinats Kaderkonzept!

Quelle: IMAGO

Fortuna-Trainer Uwe Koschinat (r.) mit seinem ganz persönlichen Sergio Ramos: Rechtsverteidiger Jan-André Sievers.

Fortuna-Coach Uwe Koschinat gilt als absoluter Experte in Sachen Kaderplanung. Schon beim Scouting setzt der Fußball-Lehrer auf das Prinzip „Weltauswahl“. Was das genau bedeutet? Lesen Sie selbst.

Wer in dieser Saison noch nie im Südstadion war, hat einiges verpasst. Immerhin spielt Fortuna Köln um den Meistertitel in der Regionalliga West mit – und bietet den Zuschauern stets ein attraktives Offensivspektakel. Dabei zeichnet das Team aus der Südstadt ein ganz spezieller Stil aus: Frühzeitige und aggressive Balleroberung, schnelles Umschaltspiel in beide Richtung, stetiger Drang zum Tor. „Meine gesamte Herangehensweise im Fußball wurde sehr stark vom FC Chelsea unter José Mourinho geprägt“, verrät Fortunas Cheftrainer Uwe Koschinat. Also von einer Mannschaft, die eine starke physische Präsenz ausstrahlte und ein Gegenstück zum FC Barcelona mit seinen kleinen, technisch versierten Kickern darstellte. „Auf unserem Niveau siegt Physis im Regelfall über Technik“, erklärt der Trainer seine Beweggründe. Bei der Kaderzusammenstellung hat er klare Vorstellungen. Fußballer, die nicht ins Konzept passen, haben darum keine Chance.

Für die Scouts der Fortuna, die Woche für Woche in der Regionalliga unterwegs sind, gibt es darum klare Anweisungen. Für jede Position auf dem Feld gibt es eine geheime Liste mit Kriterien, die sich auf das Offensiv- und Defensivspielweise, besondere Fähigkeiten, körperliche Voraussetzungen und Persönlichkeitsmerkmale beziehen. Köln.Sport kennt die Anforderungen (siehe Ausdrucke rechts). Vor eineinhalb Jahren wurde die Mannschaft komplett umgekrempelt, im vergangenen Sommer folgte die Verstärkung des Kaders.

Um die Suche für die Scouts zu erleichtern und die geeigneten Spieler zu finden, liefert Koschinat zu jeder Position einen prominenten Namen aus dem internationalen Fußball, natürlich jeweils umgemünzt auf die Regionalliga. In der Innenverteidigung etwa setzt er auf einen großgewachsenen, schnörkellos spielenden Organisator, der sowohl defensiv als auch offensiv über einen starken Kopfball verfügt. „Innenverteidiger müssen heutzutage technisch sehr stark sein, da sie oftmals bereits den Spielaufbau einleiten. Meinem Idealbild entspricht aber eher eine kompromisslosere und mit wenig Risiken behaftete Spielweise von hinten heraus.“ Kurz gesagt: John Terry statt Serdar Tasci. Fortunas „Terry“ heißt Daniel Flottmann. Der 1,93 Meter große Kapitän ist aus der Mannschaft nicht wegzudenken und entspricht sowohl in seiner Spielweise als auch von seiner Persönlichkeit aus dem Rasen dem englischen „Vorbild“. Weltmeisterliches erwartet der Trainer von seinem Rechtsverteidiger: „Ich mag Außenverteidiger, die von hinten ein druckvolles Spiel aufziehen können. Wiederholte Sprintfähigkeit ist ein enorm wichtiger Faktor. Und das trifft auf Jan-André Sievers absolut zu“, lobt er. „Ähnlich wie Sergio Ramos ist er ein kompromissloser Zweikämpfer. Gleichzeitig nutzt er jede Möglichkeit, um sich ins Angriffsspiel einzuschalten.“

Der Platz im Halbfeld ist in der „Weltauswahl“ für Englands Kapitän Steven Gerrard reserviert. Bei Fortuna bekleidet seit dieser Saison Kristoffer Anderson diese Position. Ähnlich wie der Star aus Liverpool spielt er aktuell als „Box-to-Box“-Spieler, der zwischen den Strafräumen fleißig Meter macht und sowohl in der Balleroberung als auch durch Offensivaktionen für Furore sorgt. „Eine solche Kombination an Fähigkeiten habe ich in der Regionalliga bislang noch nicht gesehen“, schwärmt der Trainer. Dabei sollte eigentlich Ozan Yilmaz auf dieser Position spielen. Aufgrund eines schweren Unfalls fiel er jedoch vor wenigen Wochen aus.

Ebenfalls im Mittelfeld zum Einsatz kommt Sebastian Zinke, über den Uwe Koschinat sagt: „Er ist mein Yaya Toure!“ Sowohl Toure als auch Zinke sind laufstark, defensiv verlässlich und großgewachsen (1,91 bzw. 1,88 Meter) – allesamt wichtige Kriterien für Koschinat auf dieser Position. Denn: „In Verbindung mit zwei großgewachsenen Innenverteidigern ist die Chance groß, dass man entscheidende Kopfballduelle gewinnt.“

In Einzelfällen entspricht das Wunschbild nicht der Realität. Beispiel: Die Torhüterposition bekleidet in der „kölschen Wunschelf“ der junge Marc-André ter Stegen von Borussia Mönchengladbach. Also ein moderner Torhüter, der auch aktiv ins Spiel eingreift – fast schon wie ein Libero agiert. Fortunas André Poggenborg verkörpert seine Rolle indes eher klassisch. „Natürlich trifft man nicht immer das Idealbild“, gibt Uwe Koschinat zu. „Bei André waren andere Merkmale entscheidend. Er ist ein extrem leistungsstarker Torwart, der sowohl im Eins-gegen-Eins als auch auf der Linie herausragend agiert.“ Es spricht allerdings für die klaren Vorgaben, dass der Trainer in den allermeisten Fällen seine Wunschspieler findet. Wie im Fall von Thomas Kraus: „Für mich ist er eins-zu-eins mit Thomas Müller vergleichbar!“ Kein Filigrantechniker, aber sehr vielseitig auf der Außenbahn und im Angriffszentrum einsetzbar. „Thomas ist ein unfassbar fleißiger Spieler, der sich für keinen Weg zu schade ist. Wie Müller ist er kein klassischer Flankenläufer, sondern auch selbst torgefährlich. Und er arbeitet sehr viel nach hinten.“

Voll des Lobes ist der Coach auch über Ercan Aydogmus. Eigentlich wünschte sich Koschinat an vorderster Front einen Spielertyp wie Mario Mandzukic, aber mit Aydogmus bekam er in gewisser Hinsicht noch mehr: „In Ercan steckt auch ein bisschen Didier Drogba, der durch seine Körpergröße besticht und jedem Ball hinterhergeht. Ihm gelingen teilweise unfassbare Balleroberungen.“ Auch dank ihm ist die „kölsche Weltauswahl“ derzeit auf einem sehr guten Weg – wie der Blick auf die Tabelle beweist. Zumindest in der ersten Saisonhälfte ist das penibel durchgeplante Konzept der sportlichen Leitung vollends aufgegangen.

Marcus Holzer