Emotionaler Abend in der Grotenburg
Der FC Viktoria Köln gibt beim 1:1 in Uerdingen zum ersten Mal in dieser Saison Punkte ab. Die Rückkehr an alte Wirkungsstätte wird für Trainer Wollitz aber nicht nur deshalb zu einer hitzigen Angelegenheit. Bis Mittwochabend war Claus-Dieter Wollitz ein gern gesehener Gast in der Krefelder Grotenburg. Von 1996 bis 1998 trug er als Spielmacher die Kapitänsbinde beim damaligen Zweitligisten, traf in 61 Partien 18 Mal für den KFC und avancierte dank seiner emotionalen Art auf und abseits des Platzes zum Publikumsliebling. Auch seine ersten Erfahrungen auf der Trainerbank machte Wollitz in Uerdingen, wo er von 2002 bis 2004 die sportliche Verantwortung trug.
Als Erinnerung an die gemeinsame Zeit schmückt ein Bild von „Pele“ Wollitz die Wand im VIP-Raum in den Katakomben des Grotenburg-Stadions, auf der viele ehemalige Krefelder Größen, unter anderem auch Friedhelm Funkel, verewigt sind. Zumindest war dies bis Mittwoch so. Denn kurz nach dem Abpfiff des Nachholspiels vom 3. Spieltag der Regionalliga West zwischen dem KFC und dem FC Viktoria Köln, stürmte KFC-Präsident Agissilaos „Lakis“ Kourkoudialos wutentbrannt die Räumlichkeiten, setzte den Rotstift an, strich das Konterfei des Ex-Krefelders durch und fügte das Wort „Asi“ hinzu, mitsamt der Ankündigung, das Bild werde schnellstmöglich entfernt.
Ausgangspunkt dieser Szenerie waren einige verbale Nettigkeiten, die sich die Verantwortlichen beider Teams nach Abpfiff entgegenwarfen. Auf der anschließenden Pressekonferenz bezog Wollitz dann Stellung und schoss zurück: „So etwas spricht für die Persönlichkeit dieses Menschen. Er soll lieber zusehen, dass er seine Spieler pünktlich bezahlt.“
Es war der emotionale Schlusspunkt eines Fußballabends, der viel Spannung, Emotionalität und einige strittige Szenen bereithielt. Aber der Reihe nach: Als verlustpunktfreier Tabellenführer war der FC Viktoria nach Krefeld gereist und dementsprechend selbstbewusst in die Partie gestartet. Lukas Nottbeck hatte die erste Chance des Spiels, zielte aber zu hoch (7.). Drei Minuten später war einmal mehr Fatih Candan zur Stelle, der einen Abpraller von Mike Wunderlich im Tor unterbrachte. Doch der nicht immer glücklich agierende Schiedsrichter Sven Heinrichs entschied, in diesem Fall korrekt, auf Abseits und verhinderte so Candans zehntes Saisontor. In der Folge verflachte die Partie, da sich beide Mannschaften viele Fehler im Spielaufbau leisteten und mit Ball zu hektisch agierten.
Sekunden vor der Pause hatten die Gäste allerdings Glück, dass Krefelds erster guter Angriff folgenlos blieb. Der stark aufspielende El Houcine Bougjdi drehte sich im Strafraum um Markus Brzenska, schoss den Ball aber am kurzen Pfosten vorbei (45.). Im zweiten Durchgang war dann ordentlich Tempo im Spiel: KFC-Keeper Robin Udegbe verhinderte mit einer klasse Tat gegen Candan den Rückstand (50.), auf der Gegenseite landete ein Schlenzer des Uerdinger Stürmers Dominik Oehlers an der Latte (54.). Wiederum nur einige Sekunden später hatte die Viktoria Glück, dass der Unparteiische nach einem Foul an Nico Buckmeier nicht auf Elfmeter entschied (54.).
Mit zunehmender Spieldauer entwickelte sich ein offener Schlagabtausch zweier Teams, die leidenschaftlich kämpften, aber keine Ordnung mehr ins Spiel bekamen. Oehlers vergab gleich mehrfach gute Einschussgelegenheiten, für die Viktoria hatten Timo Staffeldt und Andre Dej die Führung auf dem Fuß. Strittig wurde es zudem, als Viktorias Rechtsverteidiger Patrick Koronkiewicz im Strafraum gelegt wurde, der Elfmeterpfiff aber erneut ausblieb (73.).
Die wackeren Hausherren, die von den 1.806 Zuschauern und dem Grotifanten leidenschaftlich unterstützt wurden, hatten sich gegen den Spitzenreiter ein Spiel mit offenem Visier erarbeitet und setzten kurz vor dem Ende zum großen Wurf an: Daniel Reiche rutschte im Laufduell weg, konnte den schnellen Bougjdi daher nicht aufhalten, der steckte auf Oehlers durch und die Nummer sieben des KFC behielt vor Viktoria-Keeper Nico Pellatz die Nerven und tunnelte diesen zur nicht unverdienten Führung (84.).
Was folgte, war ein Anrennen der Gäste, die sich in den Schlussminuten Eckbälle in Serie erarbeiteten. Eine flog in den Fünfmeterraum, wo Udegbe umringt von einem ganzen Pulk von Spielern mit einer Hand abermals zur Ecke klären konnte. Der Torwart blieb liegen und die Uerdinger reklamierten auf Foulspiel. Anders als viele Schiedsrichter, die in solchen Szenen meist für den Torhüter entscheiden, gab Referee Heinrichs Eckball, was alle Beteiligten, die es in irgendeiner Form mit dem KFC hielten, zur Weißglut trieb. Es lief bereits die dritte Minute der Nachspielzeit, als Mike Wunderlich den Ball abermals in den Strafraum brachte. Das Spielgerät wurde im hohen Bogen geklärt und landete vor den Füßen von Kapitän Staffeldt, der den Ball aus gut 20 Metern direkt nahm und im langen Eck versenkte. 1:1. Danach war Schluss und der Boden bereitet, für das emotionale Nachspiel in den Katakomben.
So spielte die Viktoria: Pellatz, Koronkiewicz, Brzenska, Reiche, Schäfer, Dej (84. Löhden), Manno (82. Spinrath), Nottbeck (74. Assauer), Staffeldt, Wunderlich, Candan.
Tore: 1:0 Oehlers (84.), 1:1 Staffeldt (90.+3).
Stimmen zum Spiel:
Claus-Dieter Wollitz: Wir haben keine Ruhe ins Spiel bekommen und waren nicht konsequent genug. Unsere Abstände haben nicht gestimmt und phasenweise waren wir nicht gut organisiert. Damit haben wir Uerdingen in die Karten gespielt. Sie wollten einen offenen Schlagabtausch provozieren, zu dem es dann auch gekommen ist. Ich hätte mir mehr Organisation von meiner Mannschaft gewünscht. Am Ende ist es glücklich, wenn man mit der letzten Aktion den Ausgleich macht. Wir haben heute nicht unser Optimum auf den Platz gebracht und darum auch nicht verdient, zu gewinnen.
Stephan Küsters: Wir hatten heute nicht unseren besten Tag, dementsprechend können wir mit dem Punkt heute zufrieden sein. Es gab gute Torchancen auf beiden Seiten, daher ist das Unentschieden gerecht, auch wenn ein Tor in der letzten Minute immer glücklich ist. Wir haben uns vorgenommen, Ruhe ins Spiel zu bekommen, haben es aber nicht geschafft, mal auf den Ball zu treten, hintenrum zu spielen und Ruhe auszustrahlen. Normalerweise haben wir die Erfahrung, um solch ein Spiel in die richtigen Bahnen zu lenken. Man sollte aber auch nicht so vermessen sein und erwarten, dass wir jeden Gegner in dieser Liga mit fünf Toren nach Hause schicken. Das ist eine Fehleinschätzung. Wir müssen auch mit der Situation umgehen können, mal nicht zu gewinnen. Aus Spielen wie diesen, kann die Mannschaft viel lernen. Das ist im Hinblick auf die nächsten Wochen sicher positiv.
Timo Staffeldt: Es war eine hitzige Stimmung, auf die wir uns zu sehr eingelassen haben. Wir haben uns zu viel mit Gegner und Schiedsrichter beschäftigt und uns so aus dem Konzept bringen lassen. Uerdingen hat gekämpft, alles in die Waagschale geworfen und sich den Punkt sicherlich verdient. Jeder will gegen Viktoria gewinnen und wächst in den Duellen über sich hinaus. Die Saison ist noch lang und kein Gegner wird es uns leicht machen. Das wird auch am Samstag gegen Hennef so sein. Wir müssen alles abrufen, um zu gewinnen. Ehrlich gesagt, ist es mir egal, wie wir gewinnen, hauptsache wir holen drei Punkte und bleiben an der Tabellenspitze.
Am Samstag (14 Uhr) empfängt die Viktoria den noch sieglosen Aufsteiger FC Hennef im Sportpark Höhenberg. Verzichten müssen die Rechtsrheinischen dabei auf Silvio Pagano, der sich gegen Wattenscheid (1:0) einen Außenbandriss zuzog und rund drei Monate ausfallen wird.