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Köln.Sport

EM-Tagebuch, Tag 21 (2. HF)

„Germania Germania Vaffanculo“ – diese Worte vom vergangenen Sonntag klingen heute noch in meinen Ohren. Ob es im Laufe der Nacht zum oralen Kontakt an jenem Körperteil am unteren Rumpfende zwischen deutschen und italienischen Fans gekommen ist, kann ich nicht beurteilen. In den meisten Fällen wohl eher nicht. Gerüchteweise sollen ja viele Tifosi tagsüber auf den Gebrauch von Toilettenpapier in Vorfreude auf eine spätere Endreinigung verzichtet haben. Wussten die etwa schon, wie das Spiel ausgeht? Italienische Wettmafia halt. Gibt es heute Gewitter? Und wenn ja, wann und wo? Etwa ausgerechnet in unserem ausgesuchten Biergarten? Also doch drinnen schauen? Aber das bei diesen mega heißen Temperaturen. So in etwa lief der ganze Tag ab. Wenn man nicht grad am Telefon hing, dann wurde der Himmel begutachtet. Letztlich fuhren wir mehrgleisig. Einige besetzten Bierbänke an der „Rennbahn“, andere beanspruchten Sitzplätze per Deutschland-Fahne in der „Kantine“, während sich eine dritte Fraktion am Aachener Weiher umschaute. Am Ende wurden alle von ihren Standorten abgezogen (Aachener Weiher war auch extrem frühzeitig belegt) und so versammelte sich der Tross zum Halbfinal-Showdown doch an der „Rennbahn“, denn „ich hab auf RTL gehört, dass das Gewitter nicht vor 23 Uhr kommt. Und bis dahin simmer aufn Ring.“ Stimmt, dank der guten Verkehrsanbindung zur stundenlangen Party locker zu schaffen. Auch die „Rennbahn“ war bei unserer Ankunft schon proppevoll. Der Geheimtipp war längst schon keiner mehr. Darko und Stefan hatten jedoch „gewichtige“ Gründe eingebracht, um für alle Plätze freizuhalten. Und Bier stand auch schon bereit – es konnte also losgehen. Inzwischen hatten wir uns ja dran gewöhnt, dass die Stimmung hier selten Wohnzimmer-Atmosphäre übersteigt. Auch das ungläubige Anstarren der sonstigen Couch-Potatoes bei unserem Aufstehen zu BEIDEN Hymnen wird mittlerweile locker ignoriert. Wir fanden es eher einmal mehr peinlich, dass sechs unserer Nationalspieler die Hymne gar nicht mitsangen und der Rest sie in sich hinein nuschelte, während alle (!) Italiener mit ganzem Stolz lautstark ihre Strophen trällerten. Es ist einfach zum Kotzen! Nachhilfeunterricht absolut erforderlich, lieber DFB!! Kurz darauf fing das Spiel an. Nach 94 Minuten wurde es abgepfiffen. Randnotiz aus der 36. Minute: Gemeinsames Seufzen aller Besucher beim 0:2 – Männer wegen des Tores, Frauen wegen Balotellis Trikot-Aktion. Keine 40 Sekunden nach dem Abpfiff hatte man am Nachbartisch schon nichts Wichtigeres zu tun, als sich über den heutigen Shoppingtag auszutauschen. Das hatte nichts mit Verdrängung zu tun, das Spiel war längst egal und Nebensache (war es wahrscheinlich vorher auch schon). Daher an euch: Aufstehen, Deutschlandtrikot abgeben und bitte gehen – Hausverbot für mindestens 1 WM und 1 EM! Immerhin gab es aber doch noch genügend Fans, die noch eine längere Zeit wirklich traurig in ihr Kölsch starrten. Dagegen befand sich das Event-Publikum schon längst auf dem Heimweg und machte sich Gedanken, welche Events sie denn bis zur WM 2014 ganz toll finden könnten. Wir Masochisten trauten uns stattdessen noch in die grün-weiß-rote Hölle auf den Ring. Hier spielten sich natürlich die Szenen ab, die wir gerne in schwarz-rot-gold gesehen hätten. Der italienische Kioskbesitzer am Friesenplatz wollte fürs Kölsch noch nicht mal Kohle, grinste uns dafür aber minutenlang wie ein Honigkuchenpferd an. Hat vermutlich Fernsehen geschaut. Einzelne Scharmützel gab es erwartungsgemäß, doch war die Polizei immer schnell da. Häufig gab es auch Verbrüderungsszenen. So solls ja auch sein. Völkerverständigung halt. „Hat einer Simon gesehen?“ – „Seit 10 Minuten nicht mehr.“ Naja, es waren immer noch 26 Grad und Italienerinnen zeigen auch gerne, was sie haben. Viel Spaß denn! „Schauen wir denn noch das Endspiel?“ – „Ja klar, jetzt bringen wir das auch zu Ende!“ – „Hat einer denn eine Idee?“ – „Wir könnten ja mal auf die Schäl Sick fahren.“ – „Prima Vorschlag! Da hätten wir auch schon mal früher drauf kommen können.“