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Köln.Sport

Edelmetall im Visier

Martin Kaymer steht vor einem Baum

„Olympia gibt es einmal alle vier Jahre. Es ist mir deshalb sehr wichtig“, sagt Martin Kaymer
Foto: imago/Bildbyran

Die Chancen stehen gut, dass bei Olympia in Rio gleich vier Golfer aus dem Rheinland die deutschen Farben vertreten.

Wie sehr sich Martin Kaymer auf die Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) freut, machte er auf Twitter deutlich. Nur kurz nachdem die deutsche Handball-Nationalmannschaft den Titel bei der Europameisterschaft und damit auch die Qualifikation für das olympische Turnier in Brasilien unter Dach und Fach brachte, gratulierte Deutschlands Vorzeigegolfer artig. Und schickte einen Gruß hinterher, dass man sich doch hoffentlich  am Zuckerhut sehen werde.

„Glückwunsch an das @DHB-Teams, das nenne ich ein TEAM! Lasst krachen, wir sehen uns hoffentlich in Rio“, schrieb der 31-Jährige beim Kurznachrichtendienst. Ein halbes Jahr vor dem Abschlag bei Olympia kribbelt es bereits beim zweifachen Major-Sieger aus Mettmann. „Ich freue mich sehr darauf!“, so Kaymer im Gespräch mit GOLFSPIEL, „Olympia steht für mich in diesem Jahr an oberster Stelle, ich bereite mich bereits­ seit einiger Zeit darauf gezielt vor. Für uns Golfspieler ist es etwas sehr Großes, eine solch neue Erfah­rung machen zu dürfen. Man spielt nicht nur für sich selbst, sondern auch für das gesamte deutsche Olympiateam und für Deutschland.“

Ein umstrittener Kurs
Dass sich nicht nur der Deutsche auf das größte Sportereignis der Welt freuen darf, liegt an der Rückkehr des Golfsports auf die olympische Bühne­. Nach 112 Jahren wird erstmals wieder um Edelmetall geputtet und gepitcht­. Zuletzt war Golf 1904 in St. Louis Bestand­teil der Sommerspiele, auch vier Jahre davor in Paris schlugen Herren und Damen in zwei Wettbewerben ab. Nun also 2016 das große Comeback am Zuckerhut im Zeichen der fünf Ringe­: 2009 beschloss die Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) mit großer Mehrheit (63 Ja-Stimmen/27 Nein-Stimmen/2 Enthaltungen) die Wiederaufnahme ins Programm – ein Votum, das auch einen vorläufigen Charakter hat: Golf ist gewis­sermaßen auf Bewäh­rung Teil der Olympischen Spiele.

In Rio allerdings werden je 60 Golfer und Golferinnen um Gold, Silber und Bronze kämpfen, Austragungsort ist der neu errichtete­ „Reserva­ de Marapendi“-Golfclub im Westen der brasilianischen Millionenstadt. Der von Gil Hanse designte Platz in der Barra da Tijuca ist beileibe nicht unum­stritten, ist der Parcours doch mitten in einem Naturschutzgebiet entstanden. Nach den Spielen soll er als öffentliche Golfanlage fungieren, um den Sport in Brasilien und Südamerika zu fördern. „Es ist vielerlei Hinsicht ein Links-Course, der sehr an die berühmten ‚Sand Belt‘-Kurse in Australien erinnert“, erklärt Ty Votaw, Vizepräsident der International Golf Federation (IGF), die Charakteristik des Olympia-Parcours. „Definitiv wird der Wind auf einigen Bahnen eine Rolle spielen, darauf wurde beim Design des Platzes Rücksicht genommen. Auch gibt es mehr Anhöhen als für eine Location in Strandnähe üblich“, so Votaw über die Herausforderung, die bei Olympia auf die Golf-Pros warten.

Umstritten wie die Entstehung des Platzes sind auch Spiel- und Quali­fikationsmodus: Die Medaillen werden auf dem „Reserva de Mara­pendi“ im auf der Tour üblichen Zählspiel über vier Runden vergeben. Vom 11. bis zum 14. August werden zuerst die Herren antreten, vom 17. bis zum 20. August kämpfen dann die Damen um olympische Ehren. Ange­sichts des straffen Programms bei Olympia befürch­ten viele ein wachsendes Desinteresse an dem doch zäh verlaufenden Golf-Wettbewerb, andere kritisieren das Fehlen eines Teamwettbewerbs.

Vier Rheinländer nach Rio?
Die Entscheidung ist allerdings gefal­len – das gilt seit Mitte 2014 auch für den Qualifikationsmodus, der darüber bestimmt, welche Golfer und Golferinnen letztlich antreten dürfen. Die Startplätze für den Wettkampf werden über das sogenannte Olympic Golf Ranking (OGR) aufgrund des Weltranglistenplatzes ermittelt. Die Top 15 sind zur Teilnahme berechtigt, allerdings dürfen nicht mehr als vier Starter aus einem Land kommen.

Max Kieffer guckt skeptisch

Max Kieffer findet die Majors wichtiger als die Olympischen Spiele
Foto: imago/Eibner

Die restlichen Plätze werden für jeweils bis zu zwei Spielerinnen und Spieler aus einem Land für die Länder, die nicht bereits mehr als zwei Spielerinnen oder Spieler in den Top 15 haben, vergeben. Eine Regelung stellt sicher, dass auch jeweils ein Starter aus dem Gastgeberland kommt und dass sämtliche Kontinente der Olympischen Bewegung vertreten sind. Ein durchaus kompliziertes Verfahren, das den Spagat aus Topstars auf der einen und Vielfalt auf der anderen versucht.

In Deutschland haben gleich fünf Rheinländer die Chance auf eine Teilnahme: Während Martin Kaymer (Mettmann), Sandra Gal (Düsseldorf) und Caroline Masson (Gladbeck) aufgrund ihrer Leistungen im Qualifikationszeitraum seit Juli 2014 nahezu gesetzt sein dürften, kämpfen unter anderem Marcel Siem (Ratingen) und Maximilian Kieffer (Düsseldorf) um einen zweiten Startplatz bei den Herren. „Olympia ist für jeden Sportler das Highlight. Wir freuen uns alle darauf“, betont Siem, der sich als Teil des Elite Teams Germany des Deutschen Golf Verbands (DGV) auf den Wettbewerb in Rio vorbereitet. Um letztlich auch dort starten zu dürfen, konzentriert sich der Ratinger nach einem Ausflug in die USA nun wieder komplett auf die European Tour.

Dort wird er häufig auf Kontrahent Max Kieffer treffen, der durch eine erfolgreiche Saison den Sprung an den Zuckerhut schaffen will. „In Rio um eine Medaille zu kämpfen, wäre natürlich ein tolles Erlebnis, besonders die Atmosphäre im Olympischen Dorf und der Kontakt zu den anderen Athleten“, sähe der Düsseldorfer eine Qualifikation als „i-Tüpfelchen“ auf eine dann gelungene Saison.

„Großes Highlight für mich“
Wenig zittern müssen derweil Sandra Gal und Caroline Masson – kaum verwunderlich also, dass die Vorfreude bei beiden riesig ist. „Natürlich ist die Begeis­terung unglaublich groß. Wir Golfer sind zum ersten Mal seit über 100 Jahren bei den Olympischen Spielen dabei. Es wird für mich ein großes Highlight in diesem Jahr werden, ich freue mich riesig, denn es ist der Traum eines jeden Sportlers, dabei zu sein“, erklärt Gal (30) im GOLFSPIEL-Gespräch.

Als Profi die deutschen Farben zu vertreten sei für sie eine neue Erfahrung und eine große­ Ehre. Auch Masson kann es kaum erwarten: „Als Golferin habe ich früher wirklich nicht einmal im Traum über Olympia nachgedacht. Jetzt die Möglichkeit zu haben­, dabei zu sein, ist einfach unglaub­lich“, freut sich die 26-Jährige auf die Chance, sich in einem olympischen Golfturnier mit den besten Spielerinnen der Welt zu messen.

Golf-Proette Sandra Gal puttet

Die Düsseldorferin Sandra Gal will in Rio eine Medaille
Foto: imago/Pressefoto Baumann

Insbesondere auf die Atmosphäre im Zusammenleben mit Athleten aus ande­ren Sportarten ist die Gladbeckerin gespannt: „Ich möchte so nah dran sein, wie es geht“, so Masson. Etwas, das auch Kaymer erleben möchte: „Ich habe das Bild von Dirk Nowitzki 2008 in Peking noch gut in Erinnerung, wie er die deutsche Olympiamannschaft anführt. Den Einmarsch der Nationen und das Leben im Olympischen Dorf mitzuerleben, das ist ein Lebenstraum von mir.“

Wie groß der Stellenwert angesichts eines Jahrs voller Highlights ist, bleibt derweil abzuwarten. „Ich denke, dass man das Renommee dieses Wettbewerbs erst nach Abschluss der Spiele beurteilen kann, da wir nicht wirklich wissen, was auf uns zukommt“, ist Gal sich noch unschlüssig. „Wir Golf-Professionals müssen aufgrund der langjährigen Abstinenz vom olympischen Zirkus den Stellenwert erst wieder ein wenig erlernen“, findet Kieffer, „aktu­ell würde ich die alteingesessenen Golf-Highlights noch höher bewerten als die neu hinzugekommenen Olympischen Spiele.“ Dafür seien die Erinnerungen an Majors oder den Ryder Cup zu tief in ihm verwurzelt.

Ganz anders sieht das Martin Kaymer: „Olympia gibt es einmal alle vier Jahre­, Majors vier Mal pro Jahr. Gerade­ Olympia ist mir deshalb sehr wichtig, da ich nicht so viele Chancen bekommen werde, teilzunehmen“, so der 31-Jährige. Trotz der Diskussion um den Stellenwert, um den Spiel­modus, um die Qualifikation und um den Platz in Rio: Die Vorfreude bei allen Golfern ist spürbar. Es hängt nun an den Leistungen der fünf Pros, wer letztlich die deutschen Farben bei Olympia vertreten darf. Erst am 11. Juli wird endgültig feststehen, wer die Startplätze für den „Reser­va de Marapendi“ erhalten wird. Bis dahin bleibt für alle nur der Traum von Gold.

Thomas Reinscheid