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Köln.Sport

E Levve Lang

Obwohl es den 1. FC Köln erst seit 70 Jahren gibt, ist Max Esser bereits seit 80 Jahren Mitglied. Er hat alle Höhen und Tiefen der Vereinsgeschichte miterlebt – und fiebert noch immer genauso mit seinem Klub wie am ersten Tag
Max Esser

Auch mit 95 Jahren bringen schlechte Spiele des FC Max Esser noch um den Schlaf. (Foto: Andreas Kerschgens)

Max Esser hat es sich in seinem Wohnzimmer in Sülz bequem gemacht und blättert in einem dicken Aktenordner. Mit Bedacht nimmt er dort einzelne Dokumente heraus. Leicht vergilbte Mannschaftsfotos und Schriftblätter kommen zum Vorschein. Das Foto einer Fußballmannschaft von 1921 zeigt seinen Vater, Esser hat ihn mit Kugelschreiber umkreist und markiert. Der Name des Vereins, für den die elf Männer aufliefen: Kölner BC. „Der KBC war bei uns Familientradition“, sagt Esser und erinnert sich zurück. „Mein Bruder hat dort gespielt, war ein toller Torwart. Auch meine Cousine war Mitglied, ebenso wie mein Vetter.“

Mittlerweile gibt es den KBC in seiner ursprünglichen Version nicht mehr, mit Sülz 07 fusionierte er am 13. Februar 1948 bekanntlich zum 1. FC Köln. Damals war Max Esser bereits zehn Jahre Mitglied beim KBC und ist auch beim 1. FC Köln dabeigeblieben. „Die Zeit beim KBC zählt da schon mit rein. Und heute bin ich deshalb der Typ, der 80 Jahre Mitglied ist“, sagt Esser.

Max Esser ist 95 Jahre alt und länger Mitglied des 1. FC Köln, als es den Verein überhaupt gibt. Er hat alle Höhen und Tiefen miterlebt, was ihn jedoch nicht dazu bringt, die Spiele seines FC im hohen Alter mit einer gewissen Gemütsruhe zu verfolgen. „Wenn ich Sky gucke und der FC gerät in Rückstand, schalte ich immer auf Konferenz um“, sagt Esser und lacht. „Und dann hoffe ich, dass der Reporter ruft: Tor in Müngersdorf, und sich dann die richtigen Farben umarmen. So ein Spiel regt mich schon auf und kreist auch noch in meinem Kopf, wenn ich nachts im Bett liege“, sagt er.

Mit dem Fahrrad zum KBC

Angefangen hat es mit seiner Beziehung zum heutigen 1. FC Köln durch seinen Vater, der, wie eingangs erwähnt, Spieler des KBC war. „Das Prob­lem“, erzählt Esser, „war jedoch, dass wir in Braunsfeld wohnten, der KBC aber in Klettenberg zu Hause war. Wir waren eine Arbeiterfamilie, konnten uns kein Auto oder einen Fahrschein für die Straßenbahn leisten – und ein Fahrrad hatte ich auch nicht. Deshalb bin ich zunächst in den Verein Hannibal Melaten eingetreten, den es heute nicht mehr gibt, der aber direkt in unserer Nähe lag. Das war ein DJK-Verein, und die wurden durch die Nazis nach und nach verboten. 1938 hatte ich dann ein Fahrrad bekommen – und bin anschließend in den KBC eingetreten.“

Esser ist eines der 560 Mitglieder, die anwesend sind, als der Verein durch die Kooperation mit Sülz 07 zum 1. FC Köln fusioniert. Bekanntermaßen hauptverantwortlich dafür: der damalige KBC-Präsident Franz Kremer. „Kremer war ein Visionär, er wusste, dass in den 15 Kölner Vereinen eine Menge talentierter Spieler vorhanden waren, und wollte diese vereinen“, sagt Esser. Nachdem Kremer erst bei Union Köln vorstellig worden war, diese jedoch eine Fusion ablehnen (Esser: „Gäbe es den Verein noch, würde er sich wahrscheinlich heute noch darüber ärgern“), findet er mit dem Sülzer Club einen Verbündeten. „Und so wurde dann der 1. FC aus der Taufe gehoben.“ Beim ersten Spiel der Vereinsgeschichte gegen Nippes 12 ist Esser selbst im Stadion.

Viel Glück für Hans Schäfer

Einige Jahre später spielt er in der Altherrenmannschaft des 1. FC Köln, „bis die Jüngeren kamen und gesagt haben: Was wollt ihr Gruftis eigentlich hier?“, lacht er. Eine Zeit, die ihm bis heute noch viel bedeutet. „Einmal waren wir in Bergheim bei einem Feuerwehrfest – und an unseren Tisch kam ein junger, damals noch unbekannter Spieler namens Hans Schäfer, der stand kurz vor seinem ersten Länderspiel. Da haben wir ihm natürlich alle viel Glück gewünscht – und wie man heute weiß, haben unsere Glückwünsche ja dann auch Erfolg gehabt“. Auch die Double-Zeit habe ihn sehr geprägt, ebenso die Europapokalteilnahme 2017.

Über die Anekdoten und Geschichten Essers könnte man wahrscheinlich einen Film drehen, er hat auch nach all den Jahren praktisch kein Detail vergessen und wirkt immer noch sehr fit. „Das müssen die Gene sein, meine Mutter ist 97 geworden, ihre Schwester bis auf drei Monate 100. Und natürlich die gute Pflege meiner Frau“, betont er. „Ich sage immer: Ich bin mit dem FC 80 Jahre verheiratet und mit meiner Frau 70 – das sorgt dann schon mal für Konflikte zu Hause“, sagt der 95-Jährige und lacht. Seine ganze Familie ist FC-infiziert, bis auf den Sohn, der es mit dem FC St. Pauli hält. „Das muss ich ertragen“, sagt Esser, während er die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Er weist darauf hin, dass der FC dort in dieser Spielzeit bereits 5:3 gewonnen hat – „Streiten tun wir uns deshalb aber nicht“, sagt er mit einem Lächeln.

Ins Stadion geht er mittlerweile nicht mehr, der letzte Besuch in Müngersdorf ist inzwischen vier Jahre her. „Das war ein Spiel gegen Borussia Mönchengladbach – und wohl das letzte abschreckende Erlebnis, nicht mehr hinzugehen“, sagt Esser und lacht. „Aber im Ernst – die ganzen Treppen schaffe ich einfach nicht mehr. Ich habe mich dann nach langem, innerem Kampf dafür entschieden, die Spiele im Fernsehen zu verfolgen.“

Das tut er jedoch weiterhin mit ganzer Hingabe. Dies wird auch durch seine Interpretation des Millowitsch-Klassikers „Ich bin ene kölsche Jung“ deutlich, den er anlässlich des 70-jährigen Vereinsjubiläums umgedichtet hat. In der letzten Strophe seiner Version heißt es: „Nu setz ich do, am ahle Vatter Rhing, un freu mich övver e bessje Sunnesching, und wat ich dräum un wünsch, met aller Kraff – dem FC Kölle de vierte Meisterschaff!“