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Köln.Sport

Doppelte Frauenpower

Von der WM 2019 in Russland kehrten Nadine Apetz und Ursula Gottlob mit ­unterschiedlichen Resultaten und Erfahrungen zurück. Doch nun träumen die beiden Boxerinnen des SC Colonia 06 von den Olympischen Spielen 2020 in Tokio.

Nadine Apetz verpasste erstmals seit 2014 eine WM-Medaille (Foto: pa/ Evgeny Biyatov)

Noch nie nahm eine deutsche Boxerin bei Olympischen Spielen teil. Hauptgrund für diesen auf den ersten Blick ziemlich ernüchternden Fakt, ist die Tatsache, dass es überhaupt erst seit den Spielen 2012 in London ein olympisches Boxturnier für Frauen gibt. Seitdem wurde in gerade mal drei Gewichtsklassen (51 kg, 60 kg und 75 kg) gekämpft. So nahmen in Rio 2016 insgesamt nur 36 Boxerinnen teil.

Das wird sich für die Spiele in Tokio im kommenden Jahr jedoch drastisch ändern. Das Internationale Olympische Komitee (IOC), dass den Box-Weltverband AIBA aufgrund diverser Skandale von Olympia 2020 ausgeschlossen hat, legte fest, dass 100 Frauen in der japanischen Hauptstadt in fünf Gewichtsklassen auf Medaillenjagd gehen werden. Das besondere aus Kölner Sicht: Gleich zwei Boxerinnen des traditionsreichen SC Colonia 06 können sich echte Hoffnungen auf einen Olympia-Startplatz machen – Nadine Apetz und Ursula Gottlob.

Dämpfer zur rechten Zeit

Apetz und Gottlob vertraten den Deutschen Boxsport-Verband (DBV) kürzlich beim letzten ganz großen Turnier vor den Olympischen Spielen 2020 – den AIBA-Weltmeisterschaften in Ulan-Ude, in Russland. Und zumindest aus sportlicher Sicht kehrten sie mit gänzlich unterschiedlichen Erfahrungen zurück in die Domstadt.

„Es war nicht das, was ich mir erhofft hatte“, gab Apetz gegenüber Köln.Sport zu. Sie reiste mit großen Erwartungen ins südöstliche Sibirien. Nach zwei Bronzemedaillen bei den Weltmeisterschaften 2016 und 2018 wollte Apetz in diesem Jahr eigentlich noch einen draufsetzen. Doch es kam alles anders. Obwohl an Nummer zwei gesetzt, scheiterte sie bereits in ihrem ersten Fight an der Russin Saadat Dalgatova. „Ich habe mir zu viel Druck gemacht. Ich war vom Kopf her nicht da, wo ich hätte sein müssen.“

„Nicht hundertprozentig fit“

Zudem laborierte die gebürtige Haanerin im Sommer an einem Muskelfaserriss. „Mit der Verletzung fing alles an. Ich bin nicht hundertprozentig fit ins erste Trainingslager gegangen. Und die Leistungen waren nicht so wie ich es von mir gewohnt bin“, berichtet Apetz. Das setzte sich auch in Russland fort.

„Hundertprozentig wohl habe ich mich nicht gefühlt. Die Verletzung hat schon eine Rolle gespielt.“ Die Kölnerin ist sicher, dass sie ihre russische Gegnerin normalerweise besiegen könne. „Auf jeden Fall“, sagt sie selbstbewusst. „Als ich im Ring stand, habe ich mich so gefühlt als würde ich neben mir stehen. Das war nicht das, was ich leisten kann.“

Vielleicht sei dieser Dämpfer aber gerade zur rechten Zeit gekommen, so die 33-Jährige. „Ich denke, dass in Zukunft die von außen herangetragenen Erwartungen ein wenig heruntergeschraubt werden. Ich will wieder frisch starten und versuche, das Positive darin zu sehen.“

Olympia-Quali im Blick

Apropos positiv. So kann man die Erfahrungen beschreiben, die Ursula Gottlob in Ulan-Ude gemacht hat. Die 27-Jährige erreichte bei der WM das Viertelfinale und erzielte damit neben Irina Schönberger aus Heidelberg das beste deutsche Ergebnis. „Ich bin sehr zufrieden, wie es gelaufen ist. Mir ist es dieses Mal gelungen, mit der nötigen Gelassenheit an die Sache heranzugehen. Einfach mit Freude dabei zu sein. Man darf das nicht unterschätzen“, erklärt Gottlob. „Egal wie gut man vorbereitet ist, eine solche WM haut einen schon um. Trotzdem muss man es schaffen, mutig und frech zu sein. Das fiel mir in der Vergangenheit manchmal schwer.“

Gottlob tritt normalerweise in der Gewichtsklasse bis 51 Kilogramm an. In Russland boxte sie jedoch ein Limit höher, bis 54 Kilo. Die Erwartungen und der Druck seien so sehr gering gewesen. „Das war sehr befreiend“, erzählt sie. „Ich habe zwei Kämpfe gewonnen und den dritten (das Viertelfinale; d.Red.) hätte ich meiner Meinung nach auch gewinnen müssen.“ Gottlob verlor einen sehr engen Kampf gegen die Inderin Jamuna Boro und verpasste eine Medaille daher nur knapp.

Im ersten Moment sei es bitter gewesen, „aber im Nachhinein weiß ich, dass es für mich darum ging, international erst einmal Fuß zu fassen. Das war für mich ein richtig großer Schritt. Ich bin erhobenen Hauptes nach Hause gefahren“, sagt die Kölnerin selbstbewusst.“

Positiv denken

Dass ihre Teamkollegin Nadine Apetz so früh aus dem Turnier ausschied, beunruhigt Gottlob für die Zukunft übrigens nicht. „Nadine hat eine Woche auf ihren ersten Kampf warten müssen und musste dann direkt gegen eine absolute ‚Knallergegnerin‘ ran. Das sind Faktoren mit denen kann man nicht kalkulieren“, erklärt sie. Man müsse die Sache als Prozess betrachten. „Wir entwickeln uns weiter und die WM war eine gute und wichtige Erfahrung.“

Besonderes Lob erhielten übrigens die Organisatoren in Russland und der Zusammenhalt im DBV-Team. „Organisatorisch lief alles reibungslos und die Eröffnungsshow war eine der coolsten, die ich je gesehen habe“, berichtet Apetz. „Ganz ganz toll“, lautet Gottlobs Fazit.

Sportlich sei es für das gesamte Team keine Traum-WM gewesen, resümiert Apetz. „Allerdings war die Stimmung in der Mannschaft unglaublich. Der Zusammenhalt war so gut wie nie zuvor. Das müssen wir mit nach Hause nehmen und beim nächsten Mal wieder angreifen, wenn es um die Olympia-Quali geht.“

Nach der WM machten die Colonia-Boxerinnen, die übrigens beide von Coach Lukas Wilaschek trainiert werden, erstmal zwei Wochen Urlaub, ehe sie wieder ins Training einstiegen. Apetz möchte sich zudem „endlich der Doktorarbeit zuwenden“. Ihr Thema: die tiefe Hirnstimulation (ein neurochirurgischer Eingriff im Gehirn) bei Parkinson im Alter. Doch auch sportlich geht es in diesem Jahr nochmal richtig rund für Apetz und Gottlob. In der zweiten Dezemberhälfte steht in Berlin ein „Round Robin“-Turnier (pro Gewichtsklasse boxt jeder gegen jeden) an.

Dort sollen die letzten deutschen Olympia-Kandidaten ermittelt werden. Apetz dürfte von Grund auf gute Karten haben. Gottlob muss sich der Heidelbergerin Azize Nimani stellen, die bei den Deutschen Meisterschaften gegen die Kölnerin gewann. „Da entscheidet sich, wer von uns beiden zur Olympia-Quali fährt“, sagt Gottlob.