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Köln.Sport

„Der Trainer kann Urlaub machen“

Quelle: Jennifer Schattling

Kurz vor dem Derby zu Gast in der Köln.Sport-Redaktion

Kurz vor dem Regionalliga-Derby zwischen Fortuna und Viktoria Köln am Samstag hat Köln.Sport die beiden Kapitäne Daniel Flottmann (Fortuna) und Mike Wunderlich (Viktoria) zum Doppel-Interview gebeten. Herr Wunderlich, war die Hinrunden-Niederlage im Derby der Vorsaison ein Knacks für die ganze Saison?
Wunderlich: Ja, das kann man sicher so sehen. Dieses Negativerlebnis hat sich bis in die Rückrunde gezogen. Trainerwechsel und alles, was danach passiert ist, waren dann ein Stück weit die Folge.

Herr Flottmann, der Bezug von Mike Wunderlich zum kölschen Derby ist offensichtlich. Wie sieht es bei Ihnen als gebürtiger Osnabrücker aus?
Flottmann: Ich glaube, man hat bei meinem Tor zum 2:0 im Hinspiel der letzten Saison gesehen, dass mir das Ergebnis dieser Spiele nicht komplett egal ist (schmunzelt). Diese Partie war ohnehin ein tolles Erlebnis, auch von der ganzen Vorfreude her. Das hat natürlich großen Spaß gemacht, weil für uns dann auch das richtige Ergebnis herausgekommen ist. Aber zur Frage: Ich bin als Wahl-Kölner schon so weit, dass ich weiß, wie wichtig unseren Fans die Partie ist. Genauso geht es allen, die sich voll mit dem Verein identifizieren. Und da zähle ich mich definitiv dazu.

Sind Sie mit den Gedanken noch oft bei dem Tor aus dem letzten Jahr oder eher schon beim nächsten Tor in diesem Jahr?
Flottmann: Also, ich habe jetzt keine schlaflosen Nächte, wenn ich mal kein Tor mache. Aber ich erwische mich ab und an dabei, wie ich an das Erlebnis und das Tor denke. Und gegen noch eins würde ich mich natürlich nicht wehren.

Beide Teams haben sich wieder in der Spitzengruppe etabliert. Verleiht das dem direkten Duell eine besondere Würze und Bedeutung?
Flottmann: Wir haben im Vorjahr beide Duelle gewonnen und es hat am Ende trotzdem nicht zum ersten Platz gereicht. Deswegen denke ich, dass diese Duelle vor allem in Sachen Selbstvertrauen sehr helfen können. Aber gerade in den Partien gegen Teams wie Wattenscheid oder Uerdingen die absolute Spannung zu halten und zu gewinnen, ist mindestens genauso wichtig.
Wunderlich: Genau das haben wir in den vergangenen Wochen auch öfter zu spüren bekommen. Die Spiele gegen Teams von unten sind auch immer sehr schwierig. Deshalb glaube ich nicht, dass die direkten Duelle am Ende entscheiden. Wir haben in der letzten Saison gegen Lotte auch nicht verloren und waren am Ende 25 Punkte dahinter. Die vermeintlich leichten Spiele sind eher entscheidend dafür, ob du es am Ende packen kannst oder nicht.

Herr Wunderlich, fühlen Sie sich in der Regionalliga sehr unter Sonderbewachung der Gegner?
Wunderlich: Nein. Man weiß ja, dass es bei uns einige Spieler gibt, die individuell sehr stark sind. Dass mir jede Woche vier Spieler hinterherlaufen, das Gefühl habe ich überhaupt nicht. Wir sind in einer Liga, wo es genug Spieler gibt, die fantastische Fähigkeiten haben.
Flottmann: Gerade bei Viktoria macht eine Sonderbewachung ohnehin wenig Sinn. So viele Spieler haben wir ja gar nicht, dass wir einen Müller, einen Candan oder einen Pagano immer noch gesondert bewachen können.

Ist die Vorbereitung auf ein Spiel anders, wenn man den Gegner so gut kennt?
Wunderlich: Nein, wir sind alle lange genug dabei, um die meisten Spieler der Gegner zu kennen. Jeder in der Mannschaft kann die Kontrahenten in der Regionalliga mit ihren Stärken und Schwächen schon gut einordnen.
Flottmann: Wenn das so wäre, dann könnte der Trainer an dem Tag des Derbys ja Urlaub machen. Aber das Wissen und die Motivation müssen natürlich auch in gewisser Weise kanalisiert werden.

Eine Fernsehübertragung des Derbys ist trotz Angebot von Sport1 nicht zustande gekommen. Sind Sie traurig darüber?
Flottmann: Na ja, das wäre ja auch kein besonders guter Termin gewesen. Falls der eine oder andere Karneval feiern wollte, wäre das hinfällig gewesen (Sport1 hat eine Übertragung am 12. November, einen Tag nach Karnevals-Auftakt, angeboten, d. Red.). Die Zuschauer sollen ruhig ins Stadion kommen, das ist schon okay.

Grundsätzlich bleibt das Zuschauer-Aufkommen auch in dieser Saison bescheiden. Enttäuscht Sie das?
Wunderlich: Ich glaube, bei uns hängt das nicht so viel mit dem Erfolg zusammen. Wir haben einen konstanten Schnitt. Da muss noch einiges wachsen, weil der Verein ja vor zwei Jahren auch gerade erst wieder neu entstanden ist. Da wurden zwischenzeitlich viele Zuschauer von früher verloren. Aber das hängt nicht davon ab, ob wir Erster oder Elfter sind.
Flottmann: Ich habe da bei unterschiedlichen sportlichen Situationen auch keinen Unterschied gesehen. Abgesehen davon ist es mir aber auch lieber, dass wirklich Leute da sind, die auch Bock auf die Fortuna haben. Aber Attraktionen gibt es auch in der Regionalliga. Wenn ich Zuschauer wäre, würde ich für Spieler wie Mike gerne mein Geld ausgeben. Ein paar mehr Zuschauer wären schön, das ist klar. Aber wenn wir weiter so gut Werbung machen können, werden auch bald mehr kommen.

Herr Flottmann, die treuen Fortuna-Fans stehen jetzt wieder auf Höhe der Mittellinie. Ist das für die Mannschaft ein Unterschied?
Flottmann: Ja. Bisher sind die Gesänge durch die enorme Entfernung zum Spielfeld immer etwas untergegangen. Ich glaube auch, dass es für die Fans etwas anderes ist. So kann der Funke auf die Mannschaft natürlich besser überspringen.

Der Aufstiegsmodus der Regionalliga wird vielerorts kritisiert. Ihre Gedanken?
Flottmann: Das ist sicher ein Punkt, der sich auch auf die Zuschauerzahlen auswirkt. Der Modus kostet die Liga ganz klar Attraktivität.
Wunderlich: Zu dem Punkt kann es keine zwei Meinungen geben. Wer Meister wird, muss aufsteigen. Gerade in einer solchen Liga, wo es schon brutal schwer ist, Meister zu werden. Und dass man dann noch durch eine Relegation muss, das ist völliger Schwachsinn.
Flottmann: Dass im Vorjahr mit Lotte und Leipzig die beiden besten Mannschaften auch noch gegeneinander in der Relegation spielen mussten, hat dem ganzen Spiel die Krone aufgesetzt.

Wer aufsteigen will, wird auch diesmal wieder die Sportfreunde Lotte in die Schranken weisen müssen. Wie war der Eindruck von diesem Team im direkten Duell?
Wunderlich: Wir haben gegen Lotte das erste Saisonspiel bestritten (0:0, d. Red.). Über 90 Minuten gesehen waren wir da die bessere Mannschaft und hätten den Sieg verdient gehabt. Man sieht, dass Lotte derzeit sehr konstant ist. Im Spiel bei Fortuna (1:2) haben sie mich in der ersten Hälfte mit ihrer Effizienz überzeugt, ähnlich wie im Vorjahr. Es wird sehr schwer, sie zu verdrängen.
Flottmann: Lotte hat wie im Vorjahr wieder einen guten Plan, deswegen werden sie bis zum Ende oben dabei sein. Im Spiel gegen uns hatte ich gehofft, dass sie ihrem hohen Pensum nach der Pause Tribut zollen müssen. Das haben wir aber nicht nutzen können.

Sind Ihre Mannschaften schon eingespielt genug?
Flottmann: Das hängt bei uns viel mit der Personalie Kristoffer Andersen zusammen. Hätten wir ihn früher gehabt, wären wir schon mindestens einen Schritt weiter. Ohne das kritisch zu sehen, auf welchem Stand wir jetzt sind. Aber er hebt unser Spiel auf ein anderes Level. Vorher haben wir Fußball mehr gearbeitet, jetzt kommt Kreativität dazu. Kristoffer ist definitiv einer unserer besten Spieler.

Herr Wunderlich, diesen Status haben bei Viktoria Sie inne. Finden Sie Ihre Mannschaft zu abhängig von Ihren persönlichen Leistungen?
Wunderlich: Nein, dafür haben wir uns zu gut verstärkt. Mit Silvio Pagano beispielsweise. In der Zeit seiner Verletzung hat man gesehen, dass wir derzeit nicht in der Lage sind, so einen Spieler eins zu eins zu ersetzen. Das gleiche gilt für David Müller. Das sind Spieler, die in dieser Liga genau so den Unterschied ausmachen können.

Haben die letzten Wochen Selbstvertrauen gekostet?
Wunderlich: Dass es nicht unser Anspruch ist, wie wir gegen Leverkusen, Düsseldorf oder Aachen gespielt haben, das wissen wir. Trotzdem haben wir eine Mannschaft, die charakterlich einwandfrei ist und die weiß, worauf es ankommt. Und gerade in solchen Spielen weiß, dass sie da sein muss. Leider spiegelt sich das noch nicht immer in den Ergebnissen wieder.

Ihr Trainer „Pele“ Wollitz beklagt, die Gegner seien gegen Viktoria motivierter als gegen alle anderen Gegner. Nehmen Sie das auch so wahr?
Wunderlich: Ja, jede Mannschaft ist extrem motiviert gegen uns. Damit müssen wir leben. Wenn man Spieler verpflichtet wie wir es getan haben, dann muss man damit klar kommen. Meine Überzeugung ist aber, dass die Teams gegen uns eine andere Leistung an den Tag legen. Ich habe noch viele Freunde in Siegen und sehe deshalb einige Spiele der Sportfreunde. Auch, weil sie immer eine Woche vorher gegen unseren nächsten Gegner spielen. Das sind teilweise Unterschiede wie Tag und Nacht.
Flottmann: Aber ich denke, dass sich dann Rot-Weiss Essen auch beklagen müsste. Weil jeder, der in diesem Stadion aufläuft, total heiß auf das Spiel sein wird. Da zähle ich mich auch zu.

Was halten Sie von dem Großprojekt Viktoria Köln?
Flottmann: Man merkt definitiv, dass da ein System dahinter steckt, das aus meiner Sicht allerdings noch in der falschen Liga festhängt. Damit haben wir auch zu kämpfen. Dieser Modus wirft jedes Jahr mindestens eine Mannschaft zurück, weil wieder der gleiche Aufwand gefahren werden muss. Deswegen kann sich RB Leipzig glücklich schätzen. Nach dem Aufstieg wird die weitere Entwicklung jetzt fast von alleine gehen. Ohne dass ich RB und Viktoria vergleichen möchte.

Wäre denn die Fortuna schon bereit für die 3. Liga?
Flottmann: Das ist unser Ziel, auch wenn wir es vielleicht nicht ganz so offensiv angehen wie andere. Aber wir arbeiten jeden Tag im Training dafür, um so viele Spiele wie möglich zu gewinnen. Deswegen kann ein Platz ganz oben ja nur unser Ziel sein.

Was wollen Sie beide als Kapitän ausstrahlen?
Wunderlich: Ich versuche, auf dem Platz mit Aktionen voranzugehen. Natürlich kann es dabei auch mal emotional werden, keine Frage. Da schieße ich vielleicht auch mal übers Ziel hinaus. Aber wir haben genügend Spieler, die mehr Erfahrung haben als ich und erfolgreicher waren, deswegen übernehmen auch viele Spieler Verantwortung. Ich habe die Binde am Arm, aber ich bin bei weitem nicht der einzige, der das Heft in die Hand nehmen kann.
Flottmann: Wir haben eine charakterstarke Mannschaft, diese Power muss aber geleitet werden. Ich sehe mich also einerseits dafür verantwortlich, dass unsere Taktik, die vom Trainer vorgegeben wird, auf dem Platz zu erkennen ist. Zum anderen sollen meine Mitspieler wissen, dass ich da bin, wenn mal Nackenschläge kommen. Und sie sich auf mich verlassen können.

Ihre beiden Väter waren selbst beide Profifußballer. Holen Sie sich vor dem Derby nochmal letzte Ratschläge?
Wunderlich: Mein Vater ist ja selbst sehr emotional (lacht). Der ist bei jedem Spiel so heiß, als würde er noch selbst spielen. Klar sprechen wir sehr viel miteinander, haben ein sehr enges Verhältnis. Aber am Spieltag mache ich lieber mein Ding für mich.
Flottmann: Bei mir ist es auch so, dass der Kontakt eher nach dem Spiel stattfindet. Mein Vater versucht, möglichst viele meiner Spiele zu sehen und gibt mir auch ehrliches Feedback. Sehr kritisch, aber alles andere bringt mich auch nicht weiter.

Was hätten Sie gerne vom anderen Verein?
Wunderlich: Wir sind glücklich, so wie alles ist. Beide Vereine sind ja auch auf Augenhöhe, deshalb gibt es da auch keinen Grund für Neid.
Flottmann: Jeder versucht, mit den eigenen Waffen, den besten Weg hinzulegen. Das ist absolut in Ordnung so.

Angenommen, der Konkurrent steigt in die 3. Liga auf: Würden Sie die Rheinseite wechseln?
Wunderlich: Ich würde nicht zu Fortuna wechseln. Aber das hat auch andere Gründe. Herr Wernze hat mich aus einer schwierigen Situation herausgeholt. Das versuche ich dem Mann, der mit Viktoria einen Traum hat, zurückzuzahlen. Das ist sehr schwer, aber ich versuche es. Wenn es Fortuna vor uns schaffen sollte, dann nehmen wir den nächsten Anlauf. Solange Herr Wernze das Projekt betreibt, werde ich auch daran teilnehmen.
Flottmann: Ich bin ehrlich gesagt so überzeugt von dem Weg, den wir eingeschlagen haben, dass sich die Frage aktuell gar nicht stellt. Unser Weg ist der richtige, deswegen bin ich da mit den Gedanken nirgendwo anders.

Gibt es Spieler-Connections zwischen den Teams?
Flottmann: Ja, wenn man bis vor kurzem das gleiche Trikot getragen hat, dann ist ja nicht die Freundschaft beendet, nur, weil das nicht mehr so ist. Untereinander wird natürlich gestichelt, das gehört auch dazu.

Herr Wunderlich, vor kurzem waren Sie mit der Mannschaft zu Gast auf dem Oktoberfest am Südstadion. Haben Sie etwas Geld in den Spendenball von Klaus Ulonska geworfen?
Wunderlich: An dem Tag war ja das Spiel der Fortuna in Essen, deswegen gab es die Möglichkeit leider nicht. Aber ich habe nichts gegen Klaus Ulonska. Auch die Sache mit dem Spendenball schätze ich. Nicht jeder Präsident würde das so machen. Da sieht man, dass er mit Herz dabei ist. Auf dem Oktoberfest haben wir auch ein paar Pfiffe geerntet, aber das war zu erwarten (schmunzelt). Wir wären auch da gewesen, wenn Fortuna nicht gespielt, sondern auch gefeiert hätte.

Wie sieht Ihr perfektes Derby aus?
Flottmann: So wie das Hinspiel im letzten Jahr. Ob wieder mit einem Tor von mir, wäre mir dann sogar egal. Aber ein Sieg wäre nicht schlecht.
Wunderlich: Hauptsache, wir gewinnen. Wie wir spielen und wie das Spiel läuft, ist mir dann echt total egal. Aber wir wollen endlich mal ein Derby für uns entscheiden.

Warum gewinnt Ihr Team das Derby?
Wunderlich: Wir haben in diesem Team das Zeug dazu, unsere Ziele zu erreichen. Und wie gesagt, wir haben eine Mannschaft, die auf den Punkt da sein und in den wichtigen Spielen nochmal zulegen kann.

Herr Flottmann, warum der dritte Derbysieg in Folge?
Flottmann: Weil wir wissen, wie es geht.

Sind Sie zu einer Wette bereit?
Flottmann: Nein, Fußball und Wetten, das ist ein sensibles Thema. Ich wäre mir nicht zu schade, aber in dem Fall ist es besser ohne.
Wunderlich: Gerade bei unserem Trainer ist das Thema auch nicht so gerne gesehen. Er hat in Osnabrück schlechte Erfahrungen gemacht.

Interview: Thomas Werner, Thomas Reinscheid