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Köln.Sport

Der kölsche Patient

Seit seinem Wechsel zu Fortuna Köln hat Stürmer Maurice Exslager eine unvergleichliche Leidenszeit hinter sich. Doch nach zwei Kreuzbandrissen will der 27-Jährige nun wieder angreifen – und damit die schwerste Zeit seiner Karriere hinter sich lassen.
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Blick nach vorn: Maurice Exslager ist fest entschlossen und will wieder angreifen. (Foto: imago/Manngold)

Nicht alle Jubiläen eignen sich für Partys. Das weiß Maurice Exslager nur zu genau. Und so wird sein Gespräch mit Köln.Sport am 4. September ungewollt zur Gedenkfeier seiner zweiten schweren Kreuzband-Verletzung genau ein Jahr später. Ein Zufall, zugegeben, aber auch der perfekte Anlass, mit dem 27-jährigen Angreifer über die schwerste Zeit seines Lebens zu sprechen. „Eigentlich war es ein ganz normaler Trainingstag“, beginnt Exslager, als er sich an den 4. September 2017 erinnert. Am Wochenende hatte Drittligist Fortuna Köln frei, der Montag sollte der Aufgalopp in eine intensive Trainingswoche werden. Für Exslager, zuvor schon lange verletzt, ging es langsam aufwärts. Bei der Vorbesprechung des Trainings hatte Coach Uwe Koschinat sogar betont, dass „Exe“ (sein Spitzname) nun wieder wie ein ganz normaler Spieler behandelt werden sollte. Die Rücksicht der Kollegen, um keine neue Verletzung zu riskieren, sollte vorbei sein. Da ahnten Koschinat und seine Spieler noch nicht, dass genau das Gegenteil eintreten sollte.

Rückblick: Exslager, dessen Stern einst beim MSV Duisburg aufging, bekam im Frühjahr 2016 kein neues Vertragsangebot vom 1. FC Köln und entschied sich frühzeitig für einen Wechsel zum damaligen Drittligisten 1. FC Magdeburg. Schon damals war Interesse vonseiten der Fortuna vorhanden, doch Magdeburg schien die richtige Wahl, die Fortuna-Anfrage war hinfällig. „Ich dachte, es würde passen, aber es passte nicht. Trotzdem hatte ich mir vorgenommen, das in Magdeburg bis zum Sommer durchzuziehen. Ich bin keiner, der sich verpisst“, sagt Exslager. Doch auch für den FCM ist er entbehrlich geworden. Kurz vor dem Ende der Wechselperiode erlaubt der Klub die Verhandlungen mit Liga-Kontrahent Fortuna. Und es klappt. „Der Trainer hat mir das Gefühl gegeben, dass ich hier gebraucht werde. Ich kenne einige Spieler, und Köln ist natürlich deutlich näher an meiner Heimat als Magdeburg“, sagt der gebürtige Bocholter.

Unvergleichliche Pechsträhne

Doch aus der erhofften Verstärkung wird nichts – bis jetzt. Denn schon beim zweiten Einsatz für die Fortuna im Heimspiel gegen Wehen Wiesbaden passiert es: Nach einem Zusammenprall im Wehener Strafraum bleibt Exslager liegen und muss ausgewechselt werden. Die Diagnose: Kreuz- und Außenbandriss im rechten Knie – Saisonaus! „Ich dachte immer, dass mir so etwas nicht passieren kann. Ich war acht oder neun Jahre Profi, meine schlimmste Verletzung war ein Anriss des Außenbandes. Das waren sechs Wochen Pause“, berichtet der Unglücksrabe. Diesmal sieht der Plan anders aus: Operation, danach fast drei Monate Reha. Exslager ist oft allein, kämpft sich aber langsam wieder an die Mannschaft heran. In der Vorbereitung auf die Saison 2017/18 absolviert er seine ersten Einheiten mit dem Team. Bis zum 4. September 2017.

Während des Abschlussspiels wird der Rechtsfuß angespielt, lässt den Ball zu weit vom Fuß springen. Als ein Gegenspieler näher kommt, will ihn Exslager ausspielen, bleibt aber im Rasen hängen. Ein Schmerz, ein Schrei, doch zunächst noch Hoffnung. „Ich habe nicht direkt gedacht, dass es wieder das Kreuzband ist.“ Erst als Physiotherapeut Christian Osebold ihn ins Krankenhaus zur Untersuchung schickt, überkommt Exslager ein schlechtes Gefühl. Hintergrund: Wenn die „Physios“ im Profibereich ihre Spieler ins Krankenhaus schicken, sind sie meist auf der Suche nach einer Bestätigung für einen schon vorhandenen – meist schlimmen – Verdacht. Und genau so ist es: Gut 30 Minuten nach dem Training hat Exslager traurige Gewissheit: das gleiche Knie, wieder ist das Kreuzband durch. Ein Schock, und das im schlimmsten aller Momente. „Ich bin nicht der erste Mensch, der zwei Kreuzbandrisse hat“, sagt der Stürmer. „Aber andere spielen dazwischen wieder ein Jahr oder mehr. Aber so hart für dein Comeback zu arbeiten, dann kurz davorzustehen, nur damit im letzten Moment wieder die gleiche Verletzung passiert – das ist hart.“

Ein tiefes Loch – und leise Hoffnung

Entsprechend tief ist das Loch, in das Exslager zunächst fällt. Für eine komplette Woche zieht er sich zu seinen Eltern zurück, hat nur sporadisch mit Coach Uwe Koschinat oder der medizinischen Abteilung der Fortuna Kontakt, um seinen OP-Termin abzusprechen. Am Trainingsgelände taucht er erst einmal nicht auf, zu tief sitzt der Schmerz. Statt Comeback stehen wieder anstrengende Monate in der Reha auf dem Programm. Ein Karriereende, was viele Spieler nach dem zweiten Kreuzbandriss in Erwägung ziehen (müssen), kommt für den 1,76 Meter großen Wirbelwind nicht in Frage. Vor allem aufgrund der „besonderen“ Umstände in der Südstadt. „Wenn ich bei einem Verein gespielt hätte, wo ich über Jahre viel unter Beweis gestellt hätte, wären mir Gedanken ans Aufhören vielleicht gekommen“, sinniert er. „Aber ich habe erst zwei Spiele für die Fortuna absolviert. Da habe ich zu mir selbst gesagt: ‚So kannst du nicht abtreten.‘“

Eine große Hilfe in der ersten schweren Zeit ist die Zusammenarbeit mit Teamkollege und Innenverteidiger Boné Uaferro; bei dem war das Kreuzband nur neun Tage nach Exslager ebenfalls gerissen. Eine weitere Hiobsbotschaft. Auch Exslager ist geschockt, doch auf lange Sicht sehen beide das Positive. „Es war hilfreich, dass Boné dabei war. So hatte man immer jemanden, mit dem man auf Augenhöhe arbeiten konnte“, erklärt Exslager. Beide sind etwa gleich alt, verstehen sich gut und konnten sich täglich austauschen über Probleme, Hoffnungen und die Fortschritte auf beiden Seiten. Ein Luxus in harter Zeit.

Noch enger war für Exslager die Zusammenarbeit mit Fortuna-Physiotherapeut Christian Osebold. Das Urgestein der Südstädter betreut die verletzten Akteure bei der Fortuna seit 15 Jahren und schaffte auch bei Exslager den schwierigen Spagat aus Physio- und „Psychotherapie“, der bei schweren Verletzungen vonnöten ist. „Er hatte schon ein gutes Gefühl dafür, wann man mich auch mal in Ruhe lassen muss. Aber es gab auch viele Phasen, wo er mich angetrieben hat. Das war sehr wichtig für mich“, so Exslager.

Mittlerweile ist der ehemalige U20-Nationalspieler wieder im Mannschaftstraining, ein Muskelfaserriss setzte ihn noch einmal außer Gefecht. Doch seit er wieder den Ball am Fuß hat, setzt er sich auch wieder Ziele. „Mein Ziel ist, erst mal über einen längeren Zeitraum so zu trainieren, dass ich nicht mehr eingeschränkt bin. Dass ich regelmäßig in den Kader komme. Dann mal 10 bis 15 Minuten rein und langsam über einen längeren Zeitraum die Sicherheit und Fitness holen“, so der Unglücksrabe. Um dann irgendwann auch wieder Kandidat für die Startelf zu werden. „Der Körper muss das halt auch wieder über 90 Minuten mitmachen. Man will ja auch nicht immer der sein, der nach 60 Minuten raus muss.“ Dass er das noch kann, davon ist sowohl Exslager selbst als auch Uwe Koschinat immer noch überzeugt. Nicht umsonst hat der Angreifer für die Saison 2018/19 einen neuen Vertrag bekommen.

Und einmal auf dem Platz, soll auch das Team endlich von ihm profitieren. Und mindestens so erfolgreich spielen wie in der Vorsaison. „Wenn wir unseren Job erledigen, dann kommen auch die Punkte. Aber der Job in der 3. Liga heißt eben nicht Schönspielerei.“ Ein Ansatz, den auch Koschinat gerne predigt, auch wenn er die Fortuna 2017/18 spielerisch sehr weiterentwickelt hat. Dennoch: Die harte Arbeit ist gerade in dieser Liga der wichtigste Teil. Aber was dieses Thema angeht, hat wohl niemand in den letzten 20 Monaten mehr Erfahrung gesammelt als Maurice Exslager.