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Köln.Sport

„Das ist eine völlig neue Dimension“

Quelle: IMAGO

Klare Worte: Thomas Broich bezieht im exklusiven Interview zu den Problemen des 1. FC Köln Stellung.

Für unsere Oktober-Ausgabe haben wir den ehemaligen FC-Profi Thomas Broich zum Interview gebeten. Im ersten Teil ging es dabei vorrangig um den Saisonstart des FC, die Probleme als großer Favorit und die Geschehnisse um seinen ehemaligen Mitspieler Kevin Pezzoni.

 

Hallo, Herr Broich! Wie haben Sie den Saisonstart des FC in der 2. Liga aus der Ferne erlebt?

Ich habe die ganze Situation eigentlich nur im Ticker verfolgt. Aber ich weiß aus eigener Erfahrung, wie hart es als Bundesliga-Absteiger ist – gerade in Köln. Und deswegen haben mich die Probleme zum Saisonstart nicht sonderlich überrascht.

Der FC hat nach dem Umbruch eine Mannschaft mit vielen Youngstern. Was ist Ihrer Meinung nach sportlich möglich?

Ein Platz im Tabellenmittelfeld ist schon möglich. Was ich schon in meiner aktiven FC-Zeit problematisch fand, war stets diese extreme Erwartungshaltung. Selbst wenn man der Mannschaft nun vermeintlich Geduld verspricht. Im Endeffekt geht ein einziges Spiel verloren, und der Druck steigt schon wieder. Wenn man sich die Mannschaft jetzt personell anschaut, darf man wirklich nicht viel erwarten. Das ist ein radikaler Neuaufbau, und trotzdem scheint in Köln schon wieder Unruhe zu herrschen.

Wie ist es, wenn man in der 2. Liga in Aue spielen muss? Gibt es für den Gegner und dessen Fans wirklich nichts Größeres, als dem „großen“ FC ein Bein zu stellen?

Ja, total. Für die Gegner war das immer das Spiel des Jahres. Ich glaube, das hat auch ein bisschen mit der Kölner Überheblichkeit zu tun. Weil es immer irgendwie so gewirkt hat, als würden wir uns „die Ehre geben“. Entsprechend motiviert waren die Gegner, und entsprechend viel hatten wir immer zu verlieren. Deswegen habe ich auch diese Lippenbekenntnisse beim FC vor dieser Saison argwöhnisch verfolgt, weil praktisch klar war: Geht das erste Spiel verloren (der FC unterlag 0:1 in Braunschweig, d. Red.), und auch das zweite (1:1 gegen Sandhausen) wird nicht gewonnen, geht es wieder los. Das spürst du als Spieler einfach, und dann ist der Druck sofort wieder da.

In Köln hat sich die Enttäuschung einiger Chaoten über den Saisonstart an einem Spieler entladen, an Kevin Pezzoni. Warum haben sie ihn an den Pranger gestellt?

Das ist schwierig, aber was mich daran vor allem stört: Im Endeffekt ist „Pezzo“ ein Spieler, der – und das soll jetzt nicht respektlos klingen – nicht durch filigranes Spiel auffällt, sich aber zumindest reingeknallt hat. Dass sich diese Chaoten dann auf so einen Spieler stürzen, ist mir ein totales Rätsel. Es erscheint mir auch relativ willkürlich: Man pickt sich halt einen raus, der nicht unbedingt der Spielmacher ist.

In dieses Raster passen auch andere beim FC. Warum gerade Pezzoni?

Manchmal verselbstständigen sich auch Sachen. Wenn ein paar Leute anfangen zu lästern, springen andere auf diesen Zug auf.

Seine Leistungen in dieser Saison waren nicht überzeugend. Inwieweit spielt das eine Rolle?

Was mich insgesamt an der Sache stört, ist, dass die Medien einfach nicht differenzieren. Spieler, die leistungsmäßig vorneweg sind, denen wird immer die totale Identifikation mit dem Klub unterstellt. Und die, die sportlich ein bisschen straucheln, denen wird im Endeffekt eine Scheißegal-Haltung und Söldnermentalität vorgeworfen.

Wie kommt es, dass solch eine Hetze gegen einen Spieler in der Bundesliga überhaupt möglich ist? Oder ist das ein spezielles Kölner Problem?

Dass so etwas möglich ist, hat mich schon überrascht. Bislang dachte ich, Fans entladen ihren Unmut, indem sie ihren Aggressionen verbal freien Lauf lassen. Im Internet ist mittlerweile ja wirklich alles möglich. Doch dass Chaoten tatsächlich einem Fußballer auflauern, ist für mich eine völlig neue Dimension.

Hat der Respekt von Fans gegenüber Fußballprofis generell abgenommen?

Ja, die Hemmschwelle wird definitiv geringer. Gerade in Zeiten der Social Media. Es ist einfach, eine Facebook-Seite aufzumachen und wirklich jedem gedanklichen Rundumschlag freien Lauf zu lassen. Das ist schon krass und leider auch ungestraft möglich.

Zuletzt hat eine Kölner Tageszeitung Ihre damalige Situation mit der von Kevin Pezzoni verglichen. Sehen Sie Parallelen?

Die beiden Fälle würde ich total voneinander abgrenzen. Körperliche Gewalt war bei mir nie im Spiel und wurde mir auch nie angedroht. Die allgemeine Drucksituation war natürlich immer da, aber ansonsten haben unsere Fälle nichts gemeinsam.

In dem Artikel heißt es, Sie hätten mit Ihrer „Flucht vor dem deutschen Profifußball“ alles richtig gemacht. Ist das die Lösung für alle Bundesligaspieler, die zu scheitern drohen?

Dass ich jetzt hier in Australien gelandet bin, ist für mich ein glücklicher Umstand. Aber ich bin ja erst aus Köln abgehauen, dann aus Nürnberg bzw. aus Deutschland. Das kann aber nicht der Weg für jeden sein. Gerade, was den FC und was mich und Pezzo angeht: So schwierig und beileibe auch nicht besonders erfolgreich die Zeit in Köln für mich war, es ist trotzdem etwas extrem Geiles, für den FC zu spielen. Ich habe auch immer noch das Gefühl, dass viele Spieler sich wünschen, in der Stadt und bei diesem Verein erfolgreich und glücklich zu werden. Es ist nur leider Gottes für die meisten fast unmöglich. Und das ist eigentlich am traurigsten.