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Aufstiegshelden

In dieser Spielzeit gibt es für den 1. FC Köln nur ein Thema: Der Aufstieg zurück in Liga eins! Doch was braucht es dafür wirklich? Wir haben fünf FC-Helden befragt, die es wissen müssen!
Aufstiegshelden

Sie wissen, wie man aufsteigt: Dirk Lottner, Matthias Scherz, Dominic Maroh, Claus-Dieter Wollitz und Alexander Voigt. (Foto: imago/Team2 (2)/Eibner/Chai v.d. Laage/Camera 4)

Mit der Erwartungshaltung in Köln ist das ja seit jeher so eine Sache – besonders, wenn es um den geliebten „Effzeh“ geht. So ist die 2. Bundesliga für die eigenen Ansprüche natürlich viel zu wenig, und ein Abstieg muss sofort korrigiert werden, „domit mer widder do sin, wo mer hinjehüre!“ Doch dass auch eine Spielklasse tiefer dem 1. FC Köln die Punkte für die Rückkehr in die Beletage des deutschen Fußballs nicht einfach zufliegen, sollte bekannt sein. Bei den fünf Aufstiegshelden, die Köln.Sport zum Interview getroffen hat, ist es das definitiv, wie sich auch im großen Köln.Sport-Interview mit den Helden der fünf kölschen Aufstiege zeigt.

Der 1. FC Köln kämpft aktuell um den Aufstieg in die 1. Liga – Herr Lottner, Herr Voigt, Herr Scherz, Sie haben das bereits mehrmals geschafft. Welcher Aufstieg war für Sie der prägendste?

Lottner: Das ist ein Stück weit wie beim ersten Sex, den man hat. Den vergisst man nie, und so ist auch der erste Aufstieg für mich der prägendste. Von der Dramaturgie her, mit dem Spiel in Hannover, das hätte kein Drehbuch besser schreiben können, das war schon etwas ganz Besonderes. Wir lagen 0:2 und 1:3 zurück, da hat niemand mehr damit gerechnet, dass wir das Spiel noch zu einem 5:3 drehen und an dem Abend aufsteigen.

Voigt: Bei mir auch definitiv der erste Aufstieg. Wir sind aus einem beschissenen ersten Zweitligajahr gekommen, das war mein erstes Profijahr gewesen und absolut zum Vergessen. Wir hatten im Abstiegsjahr untereinander keine Beziehung aufgebaut, sind keine Mannschaft gewesen. Das hat sich dann in der Saison darauf schlagartig geändert. Man sagt immer so altmodisch, dass man eine Mannschaft sehen will – und wir waren eine, vom ersten bis zum letzten Spieler. Das hat uns getragen.

Scherz: Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir der Aufstieg 2002/03, wo ich 18 Tore beigetragen habe. Wir wussten natürlich von Beginn an, dass wir genauso wie der aktuelle Kader zum Aufsteigen verdammt sind. Das war ein enormer Druck, und da ist nach dem 30. Spieltag eine Menge abgefallen. Die Truppe war mit vielen Kölnern bestückt, die entweder von hier oder aus dem Umland kamen. Die Mischung im Team passte damals einfach. So hat sich die Truppe sehr eng zusammengerauft und viel gemeinsam unternommen, auch abseits des Platzes.

Herr Scherz, Sie sprechen den Aufstiegsdruck an, der in Köln natürlich größer ist als anderswo. Wie geht eine Mannschaft damit um?

Scherz: Der 1. FC Köln wird als absoluter Erstligist betrachtet, wenn man absteigt, muss der direkte Wiederaufstieg das Ziel sein. Das war er auch vom ersten Tag an, da muss man sich drauf einstellen. Ich konnte das relativ gut, auch gerade in Druckphasen Leistung abzurufen.

Voigt: Bei uns waren damals viele Spieler in ihrem ersten oder zweiten Profijahr. Wir hatten noch nicht so viele erfahrene Spieler, nicht so viele, die so eine Situation schon mal mitgemacht hatten. Dementsprechend sind wir da auch ein wenig mit „jugendlichem Leichtsinn“ herangegangen und haben uns von der Öffentlichkeit gar nicht so beeindrucken lassen. Gerade auch vom Trainer wurde es so gesteuert, dass wir von Spiel zu Spiel schauten – das ist eine Phrase, aber wir haben es wirklich so gemacht, und das hat sehr geholfen.

Wollitz: In der Saison zuvor waren wir gnadenlos gescheitert. Als dann klar wurde, dass Ewald Lienen kommt, haben wir ein Gespräch geführt, in dem ich ihm erklärt habe, woran es damals gelegen hat: Das hatte nichts mit fehlender Qualität zu tun, wir waren als Spieler nicht bereit, uns in den Dienst des Vereins zu stellen. Das Gespräch war auf 30 Minuten angesetzt, hat dann aber vier Stunden gedauert. Ich habe intern mehrmals gesagt: Wenn wir das nicht ändern, werden wir mit dieser Erwartungshaltung von außen nicht aufsteigen. Wenn du in Köln spielst, hast du nun mal mehr Druck als in Ulm oder Güters­loh, verdienst aber auch mehr. Dann musst du mit dem Druck auch umgehen. Das geht aber nur als echte Einheit.

Maroh: Ich bin mit Nürnberg in der 1. Liga Sechster geworden und dann in die Zweite Liga gegangen, da wurde in den Gesprächen signalisiert, dass es die klare Vorgabe gibt, spätestens im zweiten Jahr aufsteigen zu müssen. Aber das war für mich kein Druck, sondern Ansporn und Chance. Wieder mit dem Verein dahin zu kommen, wo er meiner Meinung nach mit seinem ganzen Background auch hingehört.

Lottner: Das ist sehr typenabhängig­. Druck kann schon mal hemmen, aber genauso kann er auch beflügeln. Bei mir war es ein Stück weit leichter in dem Sinne, dass ich von den Fans total anerkannt war, Kölner bin und in Köln wohnte. In meinem Freundeskreis waren damals schon alle FC-Fans. Ich konnte mit Druck eigentlich immer ganz gut umgehen.

Und am Ende ist ja auch trotz Druck jeder von Ihnen aufgestiegen. Was war dafür ausschlaggebend?

Voigt: Dass wir beispielsweise 2000 letztendlich aufgestiegen sind, hat sich im Laufe der Saison entwickelt. Wir sind irgendwann in einen Lauf reingekommen, haben teilweise wirklich entfesselten Fußball gespielt. Aber alles in allem war viel wichtiger, wie es untereinander zwischenmenschlich war. Wir haben uns alle super verstanden, darauf hat auch der Trainer einen Riesenwert gelegt. Und so wurde der Kader auch zusammengestellt.

Lottner: Wenn man erfolgreich spielen will, ist es wichtig, dass man eine sehr harmonische Truppe beisammen hat, das wird jeder Spieler, der einmal aufgestiegen ist, bestätigen. Zudem haben wir, nach der katastrophalen Zweitligasaison zuvor, diesen wichtigen Schulterschluss mit den Fans hinbekommen. Viele Spieler kamen aus der Region, damit konnten sich die Fans identifizieren. Von Heimspiel zu Heimspiel kamen mehr Zuschauer, und mit Ewald Lienen hatten wir einen Trainer, der Zusammenhalt und Identifikation nach außen gelebt hat. Das war schon besonders, und da ist sicherlich vieles entstanden, was auch heute noch vorhanden ist und den Klub auszeichnet.

Wollitz: Wir hatten Kölner Typen, Alex Voigt, Dirk Lottner, Culli, Markus Pröll. Alle brachten ein hohes Maß an Identifikation mit, geführt von Ewald Lienen, den ich als außergewöhnlichen Menschen und Trainer bezeichne. Man sagt ja oft: Die Mannschaft ist größer als der einzelne Spieler – bei uns wurde das wirklich gelebt.

Maroh: 2013/14 waren wir charakterlich eine tolle Mannschaft, es lief alles sehr harmonisch. Wir haben Woche für Woche gut performt, uns kaum Ausrutscher geleistet. Die Mannschaft war sehr gut zusammengestellt, auch die Jungs aus dem zweiten Glied haben sich dem Ziel untergeordnet. Wir hatten einfach jeden Tag Spaß im Training, sind mittags nach dem Duschen mit einer großen Gruppe essen gegangen. Wir haben uns oft privat getroffen. Es war ein Kern, der einen ähnlichen Humor hatte, da hat auch Peter Stöger sein Übriges getan. Deshalb sind wir am Ende sehr souverän aufgestiegen.

Gibt es eine „Checkliste“, anhand der man sagen kann, was ein Team zwingend braucht, um aufzusteigen?

Scherz: Man sollte auf jeden Fall zwei Spieler haben, die gemeinsam 30 Tore schießen. Das war bei all den Aufstiegen vorhanden. Dazu sollte man gute Standardschützen haben, sodass man auch in Phasen, wo es spielerisch nicht so läuft, gerade aus diesem Bereich heraus Tore erzielen kann. Die Mischung auf dem Platz in Verbindung mit der individuellen Qualität sorgt dann dafür, dass man auch schlechtere Spiele mal gewinnt.

Voigt: Charaktere. Und Typen. Das ist ja heutzutage immer so eine Sache, wenn man von Typen redet, denken alle an Basler oder Effenberg. Aber ich meine Typen, die sich nicht unbedingt einen Hut auf den Kopf ziehen, wenn sie eine Ecke schießen wollen, sondern die in einer schlechten Phase vorneweg marschieren. Wir hatten genug Typen, die auch mal gesagt haben: „Jetzt müssen wir die Ärmel hochkrempeln und zeigen, dass wir eine Mannschaft sind.“ Du brauchst diese mentale Stärke, vor allem auch, wenn du Erster bist wie der FC jetzt gerade. Jetzt bist du nicht mehr der Jäger, sondern der Gejagte. Und das ist nicht so einfach.

Lottner: Es fängt bei der mannschaftlichen Geschlossenheit an, wirklich vom ersten bis zum letzten Kaderspieler. Es braucht eine gewisse Hierarchie in der Truppe, Spieler, die in bestimmten Situationen auch mal Tacheles reden. Dinge offen ansprechen, wenn sie mal nicht funktionieren. Natürlich brauchst du auch individuelle Qualität. Da kannst du taktisch noch so viel arbeiten, die brauchst du immer. Die hatten wir auch besonders im ersten Jahr auf vielen Posi­tionen. Unter Friedhelm Funkel waren wir dann sehr gut bei den Standards. Du brauchst immer etwas Herausragendes. Und wenn man sich die aktuelle Mannschaft anguckt, entscheidet dort auch individuelle Qualität. Es ist nicht mehr so, dass die Mannschaft mit Leichtigkeit spielt. Die Spiele werden aktuell über die Stürmer entschieden, also individuelle Qualität nach vorne hin.

Maroh: Man braucht immer bedingungslose Bereitschaft, sich dem Ziel unterzuordnen. Es gibt natürlich in einer Mannschaft, wo maximal 14 spielen können, auch Härtefälle. Gerade mit der Rückkehr von Tony hat der FC jetzt schon ein kleines Luxusproblem. Alle drei haben die Berechtigung, vorne zu spielen, da ist wichtig, dass die Jungs bereit sind, auch mal zurückzustecken. Aber jeder Spieler, der die Qualität erhöht, ist willkommen, schließlich haben am Ende des Tages alle dasselbe Ziel: den Aufstieg. Und das kannst du auf lange Sicht nur gemeinsam erreichen.

Was muss denn in Phasen, in denen das Erreichen des Ziels gefährdet ist, dringend passieren?

Voigt: Da müssen die Leitwölfe dann das Kommando übernehmen. Bei uns war das Dirk Lottner, allein wegen seiner Erfahrung und Identifikation. Oder Thomas Cichon, der in der Kabine einen Riesenjob gemacht hat, das unterschätzt man oft. Dazu kamen Jungs wie Culli, Christian Springer, Scherzi oder Pascal Ojigwe. Keine Lautsprecher, aber wenn es drauf ankam, haben sie Leistung gebracht.

Scherz: Während einer Saison hat eine Mannschaft immer schwächere Zeiten, aber da ist es wichtig, mit der individuellen Qualität die Spiele noch zu drehen. Sei es durch eine Standardsituation, eine gute Einzelaktion, einen Freistoß oder Ähnliches. Das ist gerade in so ­einer Phase sehr wichtig und war bei uns auch immer gegeben, ob wir mit Lukas Podolski aufgestiegen sind, der, glaube ich, 25 Tore gemacht hat, oder mit anderen Spielern, die den Unterschied gemacht haben.

Wollitz: Die Unruhe im Umfeld macht es natürlich nicht einfach, am Ende glaube ich aber, dass nach 34 Spielen immer die Qualität entscheidet. Dass man mal Phasen hat, wo es nicht so läuft, ist nun mal so. Köln spielt jede Woche gegen haushoch motivierte Spieler, für die allein nicht zu verlieren in der 2. Liga schon eine Sensation ist. Da hast du immer Druck. Aber um auf das Aktuelle Bezug zu nehmen, bin ich auch ein großer Fan von Armin Veh. Er ist brutal ehrlich und hat auch das Recht, öffentlich einmal zu sagen, wenn er als Sportdirektor enttäuscht ist.

Maroh: Die Führungsspieler müssen, wenn sie merken, dass man in eine schwierige Situation kommt, das Wort in der Kabine ergreifen. Auch mit Spielern sprechen, für die die Situation­ ein bisschen neu ist und denen es schwerfällt, da die Erwartungshaltung ja auch eine andere ist als bei vorigen Vereinen. Gerade in so Phasen wie nach dem Paderborn-Spiel musst du dann den Turnaround schaffen und wieder punkten. Deswegen ist es der Mannschaft in so einer englischen Woche dann auch egal, wie diese Siege zustande gekommen sind. Aber Spieler wie Timo Horn und Jonas Hector haben jetzt auch schon die Erfahrung eines Aufstiegs, das kann für den Rest der Saison auch ein Faustpfand sein.

Lottner: Im Saisonverlauf gibt es immer wieder Spiele und Phasen, wo es nicht so rund läuft. Wichtig ist, dass man sensibilisiert, die Punkte offen anspricht und immer wieder im Austausch mit den Trainern ist. Wie ist die Stimmung in der Mannschaft? Wo können wir ansetzen? Dieser Austausch innerhalb der Mannschaft inklusive Trainerteam muss immer wieder vorhanden sein, um eine gemeinsame Linie gehen zu können, mit der sich die Mannschaft voll identifizieren kann.

Zum Abschluss: Wie intensiv verfolgen Sie den FC heute noch? Und ist er bereit für den Aufstieg 2019?

Scherz: Dass ich Großberichte in den Boulevardblättern lese oder den „Kicker“ studiere, davon bin ich weit weg. Natür­lich schaue ich mir aber noch viele ­Spiele an. Man muss nicht immer die besten Spiele machen, aber für mich gab es da nie groß einen Gedanken, dass die Mannschaft nicht aufsteigt.

Voigt: Die Mannschaft hat überragende Qualität für diese Liga. Wenn man sich die drei Stürmer anschaut, von denen ja in der Regel nur zwei auf dem Platz stehen können, da würden sich viele Mannschaften auch in der Ersten Liga die Finger nach lecken. Die Mannschaft ist individuell so gut besetzt, dass ich ganz sicher bin, dass es wieder hochgeht. Ich versuche, es so häufig wie möglich zu verfolgen, ob am Fernseher oder auch mal im Stadion.

Maroh: Es ist ja kein Geheimnis, dass mich der Verein noch bewegt, ich wohne ja auch nach wie vor in Köln. Es ist auch kein Geheimnis, dass ich zu Timo ein enges Verhältnis habe, das ist eine sehr wichtige Freundschaft für mich. Natürlich reden wir auch oft über den FC – aber die Situation von außen zu beurteilen ist schwierig. Es ist klar, dass solche Dinge wie der Rücktritt von Herrn Spinner jetzt ums Geißbockheim herumschwirren, ich glaube aber nicht, dass es einen großen Einfluss auf die Mannschaft hat. Es wird an der täglichen Trainingsarbeit nichts ändern. Und eines ist ohnehin klar: Vom Kader her ist Köln für einen der ersten beiden ­Plätze bestimmt. Am Ende des Tages wird der Aufstieg nur über den FC gehen.

Wollitz: Ich kann über den FC nichts Schlechtes sagen, gerade für den verstorbenen Herrn Caspers oder Ewald Lienen empfinde ich großen Respekt. Köln ist eine Stadt, die Fußball lebt, Leidenschaft lebt und Menschen in die Stadien zieht. So ein Verein, abgesehen von meiner persönlichen Vergangenheit und Sympathie, ist wichtig für den Deutschen Fußball und gehört einfach in die 1. Bundesliga. Das wird er am Ende auch schaffen – und hat danach auch gefälligst nicht mehr abzusteigen!

Lottner: Ich verfolge den FC nach wie vor sehr intensiv, auch wenn ich nur noch selten im Stadion sein kann, weil wir hier in Saarbrücken fast immer parallel spielen. Man nimmt aber auch wahr, dass trotz der hohen Qualität, die die Mannschaft hat, sie doch Probleme hat, sich fußballerisch durchzusetzen. Das war zu Saisonbeginn alles noch ein bisschen leichtfüßiger, man merkt, dass der Druck mit der ein oder anderen Niederlage etwas größer geworden ist. Ich denke, dass die Mannschaft diesen Zwiespalt hinbekommen muss zwischen der Leichtfüßigkeit – die Qualität dafür haben sie zweifelsohne – und diesem Druck, dem sie standhalten muss. Sechs Niederlagen sind Stand heute mit Sicherheit zu viel – trotzdem wird es am Ende der Saison reichen, um einen der ersten beiden Plätze zu belegen. Davon bin ich fest überzeugt.