Asphalt Tennis Crew: Tennis für alle!
„Schläger nehmen und mitspielen“ lautet das Motto, wenn die Asphalt Tennis Crew Abend für Abend den öffentlichen Court im Kölner Grüngürtel belebt.
Wenn sich die Nacht über den Grüngürtel legt, spielen sie am liebsten. Finster ist es, nur einige Straßenlaternen erhellen die Umgebung und natürlich der imposante Nachbar Colonius. Zeit, das Flutlicht einzuschalten. „Spot on!“ für Kölns einzigen frei zugänglichen Tennisplatz. Die gut 260 Quadratmeter Asphalt nahe der Venloer Straße sind die Heimat der Asphalt Tennis Crew (ATC). Die Hobbyspieler treffen sich nahezu täglich auf ihrem Court und duellieren sich mit der gelben Filzkugel. Am liebsten spiele er nach Einbruch der Dunkelheit, sagt ATC-Mitbegründer Christoph Tobor: „Alles ist schwarz, nur der Platz ist ausgeleuchtet. Das ist unsere Arena!“
Die Flutlichtanlage für den Tennisplatz hat er gemeinsam mit einigen Mitstreitern in Eigenregie organisiert und gebaut. Überhaupt ist Eigeninitiative das Stichwort, wenn es um die Asphalt Tennis Crew geht. „Wir sind eine Gruppe von Leuten, die Spaß am Tennis haben und dabei unabhängig von Vereinen bleiben möchten“, erklärt der gebürtige Nürnberger die Idee. „Wir haben hier im Grüngürtel diesen schönen öffentlichen Tennisplatz, wo jeder nach Lust und Laune kostenlos spielen kann. Seit sechs Jahren komme ich regelmäßig her und habe schnell andere Stammgäste, aber auch immer wieder neue Leute kennengelernt“, erzählt Tobor.
Nach einigen Monaten sei er gemeinsam mit seinem Freund und Arbeitskollegen Jens Schliwka auf die Idee gekommen, ein Turnier zu veranstalten. „Es gab hin und wieder Witze und Sprüche am Spielfeldrand, wer denn nun der Beste sei. Da war es naheliegend, diese Frage auf dem Platz zu beantworten.“
Seit 2011 mit Herzblut dabei
Gesagt, getan: Christoph Tobor und Jens Schliwka nahmen die Fäden in die Hand und gründeten die Asphalt Tennis Crew. Erstes Projekt der leidenschaftlichen Hobbyspieler: die „Cologne Concrete Competition“, das erste Asphalt-Tennisturnier Kölns, das im September 2011 stattfand. 16 Spieler aus acht Nationen traten auf dem Court gegeneinander an. Kulinarisches, Musik und verschiedene kleine Programmpunkte machten den Wettbewerb zu einem bunten Familienfest. „Das war ein Riesenerlebnis und für mich der Moment, in dem klar war, dass ich der Tennisanlage weiterhin Leben einhauchen möchte“, sagt Tobor.
Um Spielern eine Plattform zu geben, sich zum Tennis zu verabreden, startete er die Facebook-Seite der Asphalt Tennis Crew. Mittlerweile hat sie mehr als 770 Fans, und es werden immer mehr. Vorbeikommen kann jeder, der Lust auf Tennis hat – Schläger und Bälle haben die Jungs von der Asphalt Tennis Crew, so sie denn vor Ort sind, immer in ausreichenden Mengen dabei. Damit keiner den Platz allzu lange blockiert, haben sich stillschweigend Regeln eingebürgert. „Nach 30 Minuten sollte man das Feld räumen und andere spielen lassen. Oder wir spielen halbe Sätze bis drei. Dann muss niemand lange warten, bis er den Schläger schwingen kann“, betont Tobor. Natürlich sei die Anlage öffentlich und für Jedermann frei nutzbar. „Aber in der Regel klappt das gut mit den Absprachen.“
Gerade im Sommer pulsiert das Leben rund um den Tennisplatz: Es wird gegrillt und gechillt, Slackliner feilen an ihrer Balance, nebenan auf dem Streetball-Court zocken Basketballer um Körbe und Punkte. Mit dem 2015 eröffneten Trimm-Parcours, dem größten der Stadt, hat der Bereich des Grüngürtels zwischen Vogelsanger Straße und Venloer Straße ein weiteres Highlight für Freizeitsportler zu bieten. Fußball und Frisbee wird auf den Wiesen ohnehin gespielt. „Dass wir hier einen Tennisplatz haben, ist etwas Besonderes“, sagt Christoph Tobor, der findet, dass es viel zu wenige öffentliche Courts in Deutschland gibt. „Wir sollten im Tennis wegkommen von der Vereinsmeierei, hin in die Öffentlichkeit. Ich wünsche mir, dass viel mehr Menschen, gerade auch in sozial schwächeren Vierteln, Zugang zum Tennis hätten. Wenn ich an die Millionen Straßenkicker denke, aus denen viele Talente hervorgehen, könnten mehr Spielmöglichkeiten auch das Tennis in Deutschland anschieben. Aber dafür ist der Sport viel zu straff organisiert und strukturiert“, findet er.
Projekt Trainerschein
Mit der Asphalt Tennis Crew gehen Tobor und seine Mitstreiter einen ersten Schritt in Richtung „Tennis für alle“. „Es sollte keine Frage der Gesellschaftsschicht, Nationalität oder des Geldes sein, ob jemand Tennis spielt. Wir sagen: Kommt her, habt Spaß, nehmt den Schläger und probiert es aus!“ So hat sich um die Crew mittlerweile ein Stamm von Spielern gebildet, der Multikulti ist und sich durch sämtliche soziale Schichten und Altersklassen zieht. „Es klingt klischeehaft, aber bei uns spielt wirklich der Doktor mit dem Hartz-IV-Empfänger. Der Hintergrund tut gar nichts zur Sache, uns vereint die Leidenschaft fürs Tennis.“
Tobor selbst ist durch seinen Onkel zum Tennisspielen gekommen. „Er hat mich als Kind öfter mitgenommen. Ich habe dann auch im Verein gespielt und war mit zwölf Jahren sogar Jugendvereinsmeister in meinem Heimatklub VfL Nürnberg“, erzählt der gebürtige Franke. Mit 15 aber tauschte Tobor das Racket gegen ein BMX-Rad. „Fast zehn Jahre lang bin ich professionell BMX gefahren. Als ich aufgehört habe, hat mir der Sport total gefehlt, ich bin in ein Loch gefallen. Durch Zufall bekam ich dann mal wieder einen Tennisschläger in die Hand – seitdem bin ich infiziert.“
Um auch als Coach arbeiten zu können, will der Wahl-Kölner demnächst einen Trainerschein machen. „Ich möchte gerne mit Kindern und Anfängern arbeiten und ihnen Spaß am Tennis vermitteln, ohne gleich einem Verein beitreten zu müssen.“ Bei aller Lockerheit, die die Freunde der Asphalt Tennis Crew an den Tag legen, wollten es einige Mitglieder aber dann doch wissen: Wie stehen wir eigentlich im Vergleich zu Vereinsspielern da? Es fanden sich ausreichend ambitionierte Cracks, die neben dem Training auf dem Asphaltplatz einem Klub beitreten wollten. Ihre sportliche Heimat fanden sie 2014 beim ESV Olympia Köln in Nippes. „Wir haben zwei Teams in der Kreisliga angemeldet und festgestellt, dass wir ordentlich mithalten können. Eine Mannschaft ist Zweiter geworden“, freut sich der ATC-Initiator.
„Unbezahlbare Momente“
Eigene Merchandising-Artikel wie T-Shirts und Käppis mit ATC-Logo sind ein weiteres Indiz für das Herzblut, das die Organisatoren ihrem Tennis-Projekt entgegenbringen. Selbstverständlich ehrenamtlich! Mit Geld sei das, was die Asphalt Tennis Crew ihm gebe, aber sowieso nicht aufzuwiegen, betont Tobor. „Jede Minute, die ich investiere, ist es mir wert. Wenn Leute zum Platz kommen und einfach Spaß am Spielen haben, wenn Kinder einen Schläger in die Hand gedrückt bekommen und die ersten Bälle treffen, sich darüber freuen, das sind unbezahlbare Momente“, schwärmt er.
Ganz besonders liegt ihm am Herzen, Menschen zu begeistern, die es im Leben nicht immer leicht haben oder hatten. „Wir haben nachweislich mehr als eine Handvoll Leute, die an einem sozialen Tiefpunkt waren, ein Gemeinschaftsgefühl und ein Stück Lebensfreude gegeben – durch Tennis. Menschen, die uns hier im Park gesehen haben, die zugeschaut haben und dann selbst aktiv werden wollten. Sport hat etwas Heilendes, Therapeutisches. Das habe ich schnell gemerkt, und das ist unheimlich schön.“ Für Schliwka lebt das Projekt vom Geben und Nehmen: „Wir bekommen viel zurück. Sei es ein Würstchen vom Grill, ein Lächeln oder ein einfaches ‚Danke‘.“
Der große Traum: eine WM
In einem nahe gelegenen Schuppen, den Tobor und Schliwka über ihre Arbeit bei der Requisite der TV-Produktion „Alarm für Cobra 11“ bekommen haben, kann die Asphalt Tennis Crew ihre Ausrüstung sowie ihre selbst gebauten Flutlichtmasten lagern. Strom gibt es im Park-Café oder auch von der benachbarten Kleingartenanlage. Die Kosten für Scheinwerfer, Kabel etc. tragen die ATC-Gründer selbst. Schließlich wollen sie ihren Tennisfreunden auch in der dunkleren Jahreszeit oder spätabends die Möglichkeit zum Spielen geben. „Die Night Sessions sind meistens die mit der besten Stimmung“, erzählt Tobor. „Dann konzentriert sich das Leben im Park auf unsere erleuchtete Arena.“
Nach mehreren erfolgreichen Turnieren, die die Crew mittlerweile im Grüngürtel veranstaltet hat, bleibt ein großer Traum: die erste Asphalt-Tennis-Welmeisterschaft überhaupt. „Den Flyer gibt es schon, einen Termin noch nicht“, schmunzelt Tobor. Sein Wunsch: 16 Spieler aus mindestens zehn Nationen sollen auf dem Court gegeneinander antreten und den weltbesten Asphalt-Tenniscrack ermitteln. Es soll ein großes Fest werden, und das muss gut geplant sein – schließlich findet in Köln nicht alle Tage eine WM statt.
Svenja Dahlhaus