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Amateurfußball: Der illegale 12. Mann

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„Du fühlst dich wie ausgekotzt“

Aus finanziellen Gründen: Im Amateurbereich gibt es keine Dopingkontrollen Foto: imago/imagebroker

Aus finanziellen Gründen: Im Amateurbereich gibt es keine Dopingkontrollen
Foto: imago/imagebroker

„Manchmal hatte ich während des Spiels schon den Eindruck, der Gegenspieler sei, salopp gesagt, ‚drupp wie Jupp’“, gibt Patrick V. zu Protokoll. An Aufputschmittel hat er dabei jedoch nicht gedacht: „So etwas kommt bei uns nicht vor“, ist er sich sicher. Christian P. weiß dagegen aus erster Hand: „In höheren Ligen werden definitiv auch härtere Mittel wie Ephedrin genommen. Ich denke, dass es in vielen Mannschaften ganz normal ist, sich so auf Spiele einzustimmen“, gesteht er. Auch er selbst habe bis vor kurzem bis zu vier Pillen vor dem Auflaufen eingeworfen und sei süchtig nach dem Kick gewesen. „Als ich damals damit begonnen habe, waren mindestens 80 Prozent meiner Mannschaft Ephedrin-Nutzer“, enthüllt der jetzige Hobbykicker.

Es steigere das Laufpensum, der Spieler werde aggressiver und „strapazierfähiger“. „Du brauchst einfach weniger Pausen, bist während der Partie immer auf 100 Prozent oder sogar darüber hinaus“, beschreibt er die Wirkweise. Das böse Erwachen komme erst, wenn der Schiedsrichter längst abgepfiffen habe: „Du fühlst dich wie ausgekotzt. Als hättest du nach einer durchzechten Nacht den übelsten Kater …“, berichtet er von seinen eigenen Erfahrungen mit Ephedrin. „Besonders meine Beinmuskeln taten mir unfassbar weh. Wie nach einem kompletten Marathon“, so der heute 33-Jährige.

Kein Ephedrin, keine Leistung

Die Symptome seien auch völlig nachvollziehbar: Denn mithilfe der unerlaubten Mittel gebe der Körper mehr her, als er eigentlich zu leisten imstande gewesen wäre. „Du bist dadurch so aufgedreht, dass du komplett überpowerst“, erklärt Christian P. Depressive Episoden seien in den Tagen nach dem Spiel üblich gewesen. Und doch nahm er es am nächsten Sonntag wieder. „Ich habe ein Spiel ohne Aufputscher absolviert. Nach 60 Minuten holte mich der Trainer vom Feld, so schlecht war ich.“ Eine Partie ohne Ephedrin konnte er sich damals gar nicht leisten.

Aufgehört hat Christian P. erst vor kurzem. Eine schwere Verletzung („Ich habe auf die Warnsignale meines Körpers wohl zu wenig gehört“) stoppte den ambitionierten Amateur. „Ich will nun sportlich etwas kürzer treten“, nimmt er die Blessur als Zeichen, demnächst werde er ganz auf Hilfsmittelchen verzichten, wenn er spielt. An die Konsequenzen des Konsums für seine eigene Gesundheit hat er keinen Gedanken verschwendet. Kein Trainer oder Verantwortlicher hätte ihn jemals zur Einnahme gezwungen. „Aus meiner Sicht muss jeder mit sich selbst ausmachen, ob es nötig ist oder nicht“, zuckt er bei entsprechender Nachfrage mit den Schultern.

Prävention seitens der Verbände und Vereine oder einen bereitwilligen Ansprechpartner zu diesem Thema gab es jedenfalls nicht. „Ein Programm zur Aufklärung oder Bekämpfung von Doping im Amateurfußball ist mir nicht bekannt“, verdeutlicht fussballdoping.de-Experte Drepper ebenfalls. „Der Einsatz des DFB gegen Doping ist nicht gerade vorbildlich. In den letzten Jahren hat sich der DFB immer erst durch großen öffentlichen Druck dazu bewegen lassen, neue Maßnahmen gegen Doping zu ergreifen“, so Drepper.

In den Amateurklassen wird nicht getestet

Sanktionen haben die gedopten Kicker kaum zu befürchten, die Entdeckungsgefahr geht gegen null. Der Fußballverband Mittelrhein hat zwar einen entsprechenden Anti-Doping-Passus in seiner Satzung verankert, getestet wird in den Amateurklassen jedoch aus finanziellen und organisatorischen Gründen nicht. Den Spielern anderweitig etwas nachzuweisen dürfte angesichts der Masse der Hobbykicker nahezu unmöglich sein. „Es ist an der Zeit, etwas zu ändern – und die Verantwortlichen aufzurütteln“, mahnt Hendrik S.

„Wir spielen alle, weil uns der Sport Spaß macht. Es kann doch nicht sein, dass das einige von uns offenbar nur können, wenn sie sich vorher etwas eingeworfen haben.“ Selbst Christian P. fordert inzwischen zur Umkehr auf: „Da muss etwas geschehen. Sonst nimmt das Problem Überhand.“ Damit das nicht geschieht, sind alle gefordert: Spieler wie Trainer, Vereine wie Verbände, Funktionäre und Förderer. Damit der 12. Mann nicht länger in Tablettenform daherkommt.

Thomas Reinscheid, Mitarbeit: Thomas Werner & Stefan Kühlborn
(Hinweis: Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe 10/2013)

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