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Köln.Sport

Schockschwerenot – der 104-Meter-Wurf von Uwe Hohn

Vor 38 Jahren schockt Uwe Hohn mit einem Speerwurf, der erst nach über 104 Metern auf dem Boden landet, die Leichtathletik-Welt. Mit diesem Versuch ändert er seine Disziplin für die Ewigkeit.

18 Schritte Anlauf nimmt Uwe Hohn, bevor er seinen 800 Gramm schweren Speer am 20. Juli 1984 in den Berliner Himmel feuert. Als er sich abstemmt und den Speer mit brachialer Kraft in die Luft schleudert, ahnt er nicht, welche Konsequenzen dieser Versuch haben wird. Die Metallstange fliegt sekundenlang durch den Wind und landet erst nach 104,80 Metern im grünen Rasen. Nach einigen Augenblicken reißt er seine Arme hoch, denn ihm wird bewusst, dass er historisches geschafft hat. Im Interview nach dem Wettkampf bleibt der 1,98 Meter große und 115 Kilo schwere Potsdamer ganz gelassen: „Ist schon eine schöne Weite. Zuerst frontal gegen den Wind, das gab ihm Höhe, und dann hat er sich hinten schön lang gemacht.“ Dass sein Fabelweltrekord für eine Regeländerung im Speerwurf sorgen wird, erwartet er in diesem Moment der Freude nicht.

Als der damals 22-Jährige sich für das Weltrekordfoto neben die Anzeigetafel stellt, steht dort schwarz auf weiß „04,80“. Die Veranstalter hatten unter keinen Umständen damit gerechnet, dass ein Speerwerfer den dreistelligen Bereich knackt und so fehlt die fünfte Stelle auf der Tafel. Es dauert einige Minuten, bis der Stadionsprecher auch auf den Tribünen für Klarheit sorgt. „Uwe Hohn im zweiten Versuch um 19.54 Uhr. Er hat die 100 Meter nicht nur gekitzelt, er hat 104 Meter und 80 Zentimeter erreicht“, verkündet er im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Ost-Berlin. Auf den Tribünen bricht tosender Jubel aus. Auch jedem Zuschauer wird in diesem Moment klar, dass er Zeuge eines geschichtsträchtigen Ereignisses geworden ist.

Die Leichtathletik-Welt hingegen ist geschockt, denn der Speer wäre fast auf der Tartanbahn gelandet, wo sich die Hochspringer für ihren Wettkampf vorbereiten. Den Athleten steht der Schreck ins Gesicht geschrieben. Ein paar Meter weiter und der Wurf wäre nicht als Fabelrekord, sondern als einer der dunkelsten Momente in die Leichtathletik-Geschichte eingegangen.

Weltverband führt neuen Speer ein

Aufgrund dieser unfassbaren Weite und den damit einhergehenden Gefahren für die anderen Sportler in den Stadien, beschließt der Weltverband den Speer zu ändern. Das Sicherheitsrisiko ist zu groß geworden. Zwei Jahre später präsentieren die Verantwortlichen einen neuen Speer mit verändertem Schwerpunkt. Diese Neuerung sorgt für eine steilere und kürzere Flugkurve. Gewicht und Länge des Speers bleiben unverändert.

Seitdem es den neuen Speer gibt, leben die Athleten im Stadion wieder sicherer. Dass der Speerwurf aber dennoch nicht ganz ungefährlich ist, zeigen verschiedene Vorfälle aus der Vergangenheit. Während des Golden-League-Meetings in Rom 2007 traf der Finne Tero Pitkämäki mit seinem Speer den französischen Weitspringer Salim Sdiri am Rücken. Dank seiner Muskelmasse trug Sdiri zum Glück lediglich eine Muskelverletzung und eine tiefe Wunde davon. Weniger Glück hatte ein Kampfrichter im Jahr 2012: Der 75-Jährige lief noch bevor die Metallstange im Rasen steckte los und wurde im Halsbereich getroffen. Ein tragischer Unfall der beweist, dass auch der abgewandelte Speer nach wie vor eine Waffe und somit ein gefährliches Arbeitsgerät ist.