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„Woods strahlt eine ganz besondere Aura aus“

Seit über 20 Jahren kommentiert Gregor Biernath die größten Golfturniere der Welt. Im GOLFSPIEL-Interview verrät der Sky-Experte, was den Ryder Cup so besonders macht und warum ein starker Tiger Woods wichtig für die Tour ist.
Gregor Biernath

Tiger Woods feierte 2018 ein fulminantes Comeback und bezeichnete das Jahr als eines seiner ­besten überhaupt (Foto: GettyImages)

Egal ob auf der European Tour oder der PGA Tour – wenn die besten Golfer der Welt abschlagen, dann ist eine unverkennbare Stimme meist nicht weit: Gregor Biernath begleitet die Top-Profis seit nunmehr über zwei Jahrzehnten Woche für Woche als Kommentator des Pay-TV-Senders Sky. Auch beim Ryder Cup Ende September wird er wieder das Bindeglied zwischen den deutschen Zuschauern und den Superstars der Tour sein. Im exklusiven GOLFSPIEL-Interview spricht Biernath über die Faszination Ryder Cup, die Chancen des europäischen Teams und das Comeback von Tiger Woods.

Herr Biernath, Ende September steigt der Ryder Cup. Auch für Sie als erfahrener Sky-Kommentator eine ganz besondere Sache?

Das ist der Ryder Cup immer. Er ist das spektakulärste Golfturnier der Welt, und man fiebert ihm zwei Jahre lang entgegen. Der Ryder Cup hat über die Jahrzehnte einen immensen Stellenwert aufgebaut – und das nicht nur in Europa und Amerika. Vor Kurzem habe ich von einem Kollegen aus Singapur, der dort Golf kommentiert, gehört, dass die Asiaten auch riesige Fans sind. Für mich persönlich ist es das Highlight des Jahres. Ich bin ein großer Fan der Majors, allen voran des Masters in Augusta und der Player’s Championship, aber der Ryder Cup steht noch eine Stufe darüber.

Was macht den Ryder Cup so besonders?

Es hängt natürlich mit der besonderen Spielform und dem Format zusammen, aber auch der alten Rivalität zwischen Europa und den USA, die hier auf einer ganz besonderen sportlichen Ebene ausgetragen wird. Auch wenn die Fans beim ein oder anderen Ryder Cup sicherlich sehr laut und vielleicht sogar etwas unfair waren, ist es alles in allem ein fantastischer sportlicher Wettkampf, der nur alle zwei Jahre stattfindet. Zudem lieben die Zuschauer auch einfach das Matchplay-Format. Das gibt es im Golfkalender nicht so häufig, und es ist sehr kurzweilig.

Sie haben den Matchplay-Modus gerade angesprochen. Was macht die Faszination dieser Spielform aus?

Es ist das klassische Format. Früher wurde jedes Spiel im Matchplay ausgetragen. Das Zählspiel kam erst viel später dazu. Wenn man bei einem Zählspiel-Turnier am ersten Tag auf einem Loch eine acht oder eine neun spielt, dann ist die ganze Runde im Eimer. Man hat praktisch keine Chance mehr, das Turnier zu gewinnen. Wenn man aber beim Matchplay drei Löcher mit drei schlechten Schlägen verliert, dann ist der Gesamtsieg immer noch gut möglich. Keine Führung ist sicher, und man kann sich immer wieder zurückkämpfen. Bis zur Entscheidung ist wirklich immer alles offen. Es sind vor allem diese unvorhergesehenen Wendungen, die man mit dem Zählspiel nicht vergleichen kann und die das Matchplay so besonders machen.

Wünschen Sie sich aus Kommentatorensicht mehr Matchplay?

Es gibt mittlerweile das ein oder andere Turnier in dem Modus. Die größten neben dem Ryder Cup sind sicherlich das Dell Technologies und der Presidents Cup. Auch die „Super 6“-Turniere in Australien und England werden zum Teil im Matchplay-Format gespielt. Dort wird versucht, etwas aufzubauen. Aber das sind natürlich noch sehr junge Turniere, die relativ niedrig dotiert sind, sodass die besten der Welt dort nicht mitspielen. Das Format ist nach wie vor spannend, aber diese Aufregung ist ohne Spieler wie Tiger Woods, Dustin Johnson oder Rory McIlroy einfach nicht dieselbe. Das führt zu weniger Zuschauern, und das Ergebnis ist eine Matchplay-Sparversion. Außerdem kann es passieren, dass man zu einem Turnier anreist und dann in der ersten Runde rausfliegt. Die wenigsten Profis dürften Lust haben, dafür um den halben Globus zu fliegen. Ich persönlich mag das Format sehr gerne, auch aus Kommentatorensicht, aber man kann es nicht hochzüchten. Und wenn immer mehr Turniere in diesem Modus ausgetragen würden, dann wäre es doch auch nicht mehr das ganz Besondere wie jetzt beim Ryder Cup.

Wie darf man sich, besonders vor so einem Highlight, Ihre Vorbereitung für die Kommentatoren-Box vorstellen?

Die Vorbereitung ist extrem wichtig. Schließlich haben wir während des Ryder Cups die meisten Zuschauer. Allerdings gibt es auch Vorteile. Bei einem Zählspiel-Turnier auf der Tour treten 150 Spieler an, und man kann sich einfach nicht mit jedem Einzelnen davon beschäftigen. Beim Ryder Cup sind es nur 24. Da fällt es nicht schwer, alle nötigen Informationen zu sammeln und sich mit Statistiken und kleinen Anekdoten zu allen Spielern vorzubereiten.

Wie schätzen Sie die Chancen des europäischen Teams ein?

In diesem Jahr halte ich die Amerikaner für etwas stärker. Wir haben jedoch den Heimvorteil. Der darf nie unterschätzt werden. Manchmal kann es zu großem Druck führen, aber manchmal kann es auch beflügeln und die Jungs wie auf einer Welle durch das Turnier tragen. Ich habe bereits ein paar Bilder von den Tribünen auf einigen Bahnen gesehen – das erinnert an Fußballstadien. Die sind wirklich monströs. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Atmosphäre im „Le Golf National“ viele frühere Austragungen in den Schatten stellen wird.

Martin Kaymers Leistungen haben nicht ganz ausgereicht. Wie schätzen Sie sein Jahr bislang ein?

Das lief wirklich unglücklich. Er musste auf einige Turniere der PGA Tour verzichten, konnte auch nicht ausreichend spielen, um sich die Tourkarte fürs nächste Jahr zu sichern. Das hat ihn zurückgeworfen. Auch die Konstanz fehlte zuletzt. Beim Nordea Masters in Schweden vor ein paar ­Wochen begann er mit zwei sehr starken Tagen und spielte jeweils eine 67. Doch am Wochenende lag er mit 75 und 73 verhältnismäßig weit über Par. (Kaymer wurde am Ende 61.; d. Red.) Um oben mitzumischen, fehlen aktuell noch ein paar Prozent. Aber das kann beim Golf sehr schnell gehen. Da geht es dem Profi nicht anders als dem Amateur, nur auf einem viel höheren Niveau. Es kann ein kleines Gefühl beim Putten sein oder eine winzige Stellschraube am Schwung, die da den Unterschied ausmacht. Und auch wenn Kaymer gerade eine etwas längere Durststrecke durchmacht – er ist noch jung und hat schon mehrfach seine Qualität bewiesen. Er wird wiederkommen.

Tiger Woods ist als Captain’s Pick dabei. Gehört er auch für Sie ins Ryder-Cup-Team der USA?

Ja, auf jeden Fall. Es ist wirklich beeindruckend, wie er sich innerhalb der letzten Monate zurückgekämpft hat, nachdem er zuvor jahrelang fast gar nicht spielen konnte. Er hat die direkte Qualifikation fürs Team nur knapp verpasst, aber ich war mir sicher, dass Jim Furyk (Kapitän des US-Teams; d. Red.) ihn mitnehmen würde. Eine Entscheidung gegen Woods konnte er sich auch gar nicht erlauben. Die Captains sprechen sich natürlich mit ihren Vizekapitänen und Beratern ab, um das bestmögliche Team zusammenzustellen, aber bei Woods hatten sie eigentlich keine Wahl. Den muss man einfach mitnehmen, ansonsten erntet man nur Kopfschütteln. Tiger hat sich den Platz aber auch rein sportlich absolut verdient. Er spielt wieder regelmäßig um den Sieg mit, wie bei der PGA Championship, wo er einen sehr starken zweiten Platz holte.

Welchen Einfluss hat er auf die Tour?

Man muss sich nur mal anschauen, wie viele Besucher am ersten oder zweiten Turniertag mit der Tiger-Gruppe mitlaufen, das ist immens. Da können im Flight vor oder nach ihm Major-Champions oder Weltranglistenerste spielen, aber wenn die Zuschauer sich aussuchen können, ob sie Tiger Woods oder Dustin Johnson folgen, dann laufen mindestens 80 Prozent mit Tiger mit. Er hat strahlt immer noch eine ganz besondere Aura aus und spielt spektakuläres Golf. Die Fans wissen noch, welche Zauberschläge Woods in den letzten 20 Jahren in entscheidenden Momenten hervorgeholt hat. Da will man einfach dabei sein. Aber auch die Tatsache, dass Tiger durch seinen privaten Stress und die gesundheitlichen Probleme menschlicher geworden ist, imponiert vielen. Gerade bei den Amerikanern kommt das sehr gut an. Die Fans sind aktuell genauso heiß auf ihn wie zu der Zeit, als er ein Major nach dem anderen gewann.

Sie sind selbst leidenschaftlicher Golfer im GC Marienburg. Ihr Handicap soll schon fast im Profibereich liegen.

Davon bin ich noch mehrere Ligen entfernt (schmunzelt). Mein Handicap liegt aktuell bei -1,2. Ich habe zuletzt gemeinsam mit Nick Bachem (amtierender Deutscher Lochspielmeister; Anm. d. Red.) ein Turnier gespielt. Nick will es als Profi versuchen. Und da kann ich getrost sagen, dass wir Welten auseinanderliegen.

Wann und wodurch wurde Ihre Golfleidenschaft geweckt?

Als Kind habe ich mit Hockey und Tennis angefangen. Dann wurde Mitte der 80er-Jahre in der Nähe meines Elternhauses in Erftstadt eine Golfanlage gebaut. Wir sind damals direkt in den Club eingetreten, obwohl der Platz noch nicht fertiggestellt war. Als Kind habe ich dann auf den gerade erst gesäten Fairways Steine eingesammelt um ein wenig beim Bau zu helfen und war so schon richtig bei der Entwicklung dabei. Mit elf oder zwölf Jahren war ich dann häufig in England, weil man Vater dort beruflich zu tun hatte. Dort gab es öffentliche Plätze, wo man drei Pfund bezahlen musste, um neun Löcher zu spielen. Da habe ich dann das erste Mal Blut geleckt. Mit 14 Jahren hörte ich dann mit Tennis und Hockey auf und mich habe voll und ganz auf den Golfsport konzentriert. Sie begannen Ihre TV-Karriere im Rahmen von Fußball- und Tennis-Übertragungen.

Wie kamen Sie letztlich zum Job des Golfkommentators?

Zu meiner Studienzeit habe ich für Produktionsbüros gearbeitet, um mein Studium zu finanzieren. Dadurch war ich oft bei Fußball-Europapokalspielen und Tennisturnieren. Ich bin quer durch Europa mitgereist und habe Statistiken geführt. Zum Beispiel Fouls und Ecken beim Fußball oder „Unforced Errors“ und Doppelfehler beim Tennis. Zu Sky kam ich dann durch mein Studium an der Sporthochschule in Köln. Ich habe dort Medien und Kommunikation studiert. Für das Studium brauchte ich ein Praktikum beim Fernsehen, so bewarb ich mich bei Sky – explizit in der Golfredaktion. Die drei Monate haben schon sehr viel Spaß gemacht, und ich konnte erste Erfahrungen mit dem Vertonen von Beiträgen sammeln. Danach wurde ich als Freiberufler übernommen, um aufgezeichnete Events zu vertonen. Nach einem halben Jahr fing ich an, meine ersten Live-Turniere zu kommentieren, und mache das nun mittlerweile seit knapp 20 Jahren.

Das Interview führte GOLFSPIEL-Redakteur Benjamin Stroka

Zur Person
Gregor Biernath

Foto: Social Media

Der gebürtige Hamburger lebt seit knapp 40 Jahren im Rheinland. Biernath arbeitet beim Pay-TV-Sender Sky in München. Dort kommentiert er in er erster Linie die Profiturniere der European Tour und der PGA Tour. Der 45-Jährige ist ambitionierter Golfer und Mitglied im GC Marienburg im Süden Kölns. Sein aktuelles Handicap liegt bei -1,2.