Wimmer: „Ich habe meine Chance genutzt“
Ohne Fehl und Tadel – so sieht Kevin Wimmers bisherige Saison aus. Im ersten Teil des Exklusiv-Interviews mit Köln.Sport spricht der Abwehrstar über die schwierigste Zeit beim 1. FC Köln, über seine Ruhe und die taktische Ausrichtung des Teams.
Sagt Ihnen der 6. April 2013 etwas?
Da fällt mir spontan nichts zu ein.
An diesem Tag sind Sie bei der FC-U21 gegen VfB Hüls in der Regionalliga vom Platz geflogen.
Das habe ich schon aus meinem Gedächtnis gestrichen (lacht).
War das ein Wendepunkt für sie beim FC?
Das war die schwierigste Zeit, die ich hier hatte. Ich kam bei den Profis nicht mehr zum Einsatz und sollte in der U21 Spielpraxis sammeln. Das ist nichts Schlimmes, aber ich hatte keine Perspektive, dass ich wieder in die 1. Mannschaft komme. Die Rote Karte hat sicherlich den Frust widergespiegelt, den ich damals hatte. Aber ich habe mir danach gesagt: Das kann es nicht gewesen sein! Ich wusste, was ich kann. Ich bin nach Köln gekommen, um mich hier durchzusetzen. Das wollte ich allen zeigen. Der Platzverweis war für mich vielleicht nicht der Wendepunkt, aber ein Startschuss. Ich habe danach noch mehr an mir gearbeitet, weil ich so etwas nie wieder erleben möchte.
Also hatten Sie damals keine Zweifel, dass es in Köln für sie nicht reichen könnte?
Ich wurde danach oft gefragt, ob ich nicht nach der ersten Saison schon wechseln wolle. Das kam für mich auf gar keinen Fall in Frage. Ich bin nicht nach Köln gekommen, um Woche für Woche zwischen Ersatzbank und Tribüne zu wechseln, sondern wollte mich etablieren. Ich wusste, dass ich das vom Potenzial her schaffen konnte. Ich habe nie aufgegeben, hatte nie Wechselgedanken, weil ich es auch mir selbst beweisen wollte. Ich wusste, dass ich meine Chance bekommen werde – und die habe ich genutzt!
Jetzt steckt Yannick Gerhardt in einer ähnlichen Situation wie sie damals. Können Sie ihm da als Vorbild dienen, dass es im Fußball zwar nicht immer bergauf geht, aber man sich aus diesem Loch wieder herauskämpfen kann?
Yannick hat wirklich einen Kometenstart hingelegt beim FC und zurecht letzte Saison viele Spiele für uns absolviert. Dass bei jungen Spielern wie uns auch einmal Leistungsschwankungen vorhanden sind, ist völlig normal. Yannick ist ein sehr guter Spieler, der ein Riesenpotenzial hat. Der FC kann sich sehr glücklich schätzen, ein solches Talent aus der eigenen Jugend hochgebracht zu haben. Er arbeitet in jedem Training hart. Ich bin überzeugt, dass seine Zeit wieder kommen wird.
Sie wirken auf dem Platz sehr abgeklärt. Wie bleiben Sie bei 50.000 Zuschauern im Stadion so ruhig?
Das ist nichts, was mich hemmt, ganz im Gegenteil: Wenn ich vor 50.000 Zuschauern bei dieser Atmosphäre spiele, da fühle ich mich einfach wohl. Ich war immer der Typ, der gesagt hat: Je mehr Zuschauer im Stadion sind, desto besser spiele ich. Die Ruhe habe ich von meinem Vater geerbt, der auch ein sehr ruhiger Mensch ist. Er hat sich früher auf dem Platz als Torwart auch nicht schnell aus der Bahn werfen lassen.
Nach Dominic Maroh spielt nun Mergim Mavraj neben Ihnen. Ändert sich dadurch an ihrer Spielweise etwas?
Ich kenne Mergim auch nicht erst seit gestern, wir arbeiten im Training jeden Tag zusammen. Daher ist das für mich nicht so schwer, mich neben ihm einzufügen. Wir verstehen uns auf dem Platz und an meiner Spielweise musste ich nichts ändern.
Sowohl Maroh als auch Mavraj sind einen Tick älter als Sie. Schaut man sich bei den erfahreneren Kollegen noch etwas ab? Ist die Rolle des Abwehrchefs dadurch vergeben oder ergänzt man sich eher?
Man hilft sich auf dem Platz. Es ist nicht so, dass einer sagt: Ich bin der Chef hier und in der Abwehr tanzt alles nach meiner Pfeife! Wir sind gut eingespielt und kennen die Stärken und Schwächen des jeweils anderen. Deswegen funktioniert es bei uns. Mit ihrer Erfahrung können mir Mergim und Dominic sicherlich weiterhelfen. Es gibt bei ihnen immer wieder Sachen, die man sich abgucken kann.
Abgesehen von den Teamkollegen: Von wem schauen Sie sich noch etwas ab? Haben sie ein spezielles Vorbild?
Klar schaue ich mir andere Spieler, die auf meiner Position spielen, an – besonders in den großen Spielen achte ich auf die Innenverteidiger. Für mich war immer Dante mein Vorbild. Er ist – wie ich – ein Linksfuß, hat eine gute Spieleröffnung, ist groß und sehr zweikampfstark sowie jemand, dem ein Stürmer nicht so schnell davon läuft. Das ist ein Spieler, bei dem ich mir gerne etwas abschaue.
Seit August heißt es für Sie: Lewandowski statt Lechleiter. Haben Sie sich in der Sommerpause speziell auf die Bundesliga vorbereitet?
Erst einmal war es schwer zu realisieren, dass wir in der Bundesliga gegen solche Mannschaften und solche Spieler um Punkte spielen werden. Das spornt einen an, noch mehr zu geben. Vor der Saison habe ich mich schon mit den kommenden Aufgaben beschäftigt. Wir kriegen immer Videomaterial zusammengestellt, wo ich als Verteidiger Situationen der Stürmer sehe, mir ihre Stärken und Schwächen einpräge. Da bereitet man sich schon intensiv vor.
Der FC agiert in dieser Saison betont defensiv, die Abwehr gilt als Prunkstück der Mannschaft. Wünscht man sich manchmal einen ruhigeren Arbeitstag oder kommt ihnen diese Ausrichtung entgegen?
Für uns alle wäre es natürlich einfacher, wir würden jedes Spiel früh entscheiden. Aber: Wir wissen, dass die Liga sehr, sehr schwierig ist. Es gibt keine Mannschaft, gegen die man im Vorbeigehen gewinnen kann. Wir haben auch diese Saison wieder eine sehr gute Defensive, das ist eben unsere Spielweise. Wir legen es nicht darauf an, jedes Spiel 3:0 oder 4:0 zu gewinnen, weil die Gefahr groß ist, dadurch auch viele Chancen zuzulassen. Für uns steht im Vordergrund, hinten den Laden dichtzumachen, um offensive Aktionen zu starten.
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