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Reker: „Sport braucht eine stärkere Stimme“

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Gilt als Favoritin auf die Nachfolge von Jürgen Roters: Sozialdezernenzin Henriette Reker Montage: Köln.Sport

Gilt als Favoritin auf die Nachfolge von Jürgen Roters: Sozialdezernenzin Henriette Reker
Montage: Köln.Sport

Henriette Reker oder Jochen Ott – wer regiert demnächst die Stadt? Köln.Sport bat beide getrennt zum Sport-Gespräch. Lest hier das Interview mit Frau Reker!

Am 13. September entscheidet Köln: Wer wird Nachfolger von Jürgen Roters im Amt des Oberbürgermeisters? Als aussichtsreichesten Kandidaten gelten Sozialdezernentin Henriette Reker, die von einem Zusammenschluss aus CDU, Bündnis90/Die Grünen, FDP und Freien Wählern unterstützt wird, und Kölns SPD-Vorsitzender Jochen Ott.

Köln.Sport befragte beide im Zuge der neuen September-Ausgabe zu allen Belangen des Kölner Sports: Breiten- wie Spitzensport, Flüchtlingsproblematik, Lobbyprobleme und die Vision für den Sport in der Domstadt. Wer hat die besseren Themen, wer den verständlicheren Standpunkt? Das muss letzlich jeder Wähler für sich selbst beantworten. Nach SPD-Kandidat Jochen Ott ist nun das Interview mit Henriette Reker auf koelnsport.de zu finden.

Frau Reker, wenn man auf Ihre Bewerber-Homepage schaut, findet sich die recht kärglich gefüllte Kategorie „Sport“. Sind die Belange des Kölner Sports für die Wahl tatsächlich so unwichtig?

Unwichtig sind sie auf keinen Fall. Nur aufgrund der Erwähnung auf der Homepage kann nicht darauf geschlossen werden, wie wichtig mir Dinge sind. Der Karneval kommt beispielsweise gar nicht vor, obwohl er für Köln natürlich enorm wichtig ist.

Fehlt dem Sport trotz Stadtsportbund, trotz Sportstadt Köln e.V. und vieler weiterer Gruppen die Lobby in der Stadt, um seine Interessen durchzusetzen?

Jedenfalls braucht der Sport eine stärkere Stimme als bisher. Die Stadt hat in den letzten Jahren viel zu wenig getan, wenn man sich beispielsweise die Jugendbeihilfe anschaut. Mir war das nicht bewusst, ich habe mich erst in den letzten Monaten mit dem Thema beschäftigt. Da werden Cent-Beträge bezahlt, das Ehrenamt braucht größere Unterstützer. Wir können ja froh sein, dass der 1. FC Köln auf seinen Anteil verzichtet und an kleinere Vereine weiterleitet.

Wenn Sie auf sportbegeisterte Kölner und Kölnerinnen treffen: Wie versuchen Sie sie zu überzeugen, am 13. September das Kreuz bei Ihnen zu machen?

Viele fragen mich natürlich, was ich im Sport vorhabe. Nun habe ich zum Sport eine besondere Beziehung, mein Mann ist Profisportler (Anm.d.Red.: Perry Somers, Hickory-Golfprofi). Unter Sportlern herrscht eine Verbindung, untereinander ist die Wertschätzung groß. Für einen Sportler ist der andere Sportler immer ein Ansprechpartner. Und ich versuche das über die gesellschaftliche Dimension zu verdeutlichen. Ich bin seit 15 Jahren Sozialdezernentin, ich kenne gesellschaftliche Prozesse. Mir nimmt man es ab, dass der Sport eine wichtige Rolle spielt.

Welche Vision haben Sie für den Sport in der Stadt? Was planen Sie, um den Kölner Sport voranzubringen?

Der Sport ist aktuell deshalb so wichtig, weil sich immer weniger Kinder und Jugendliche draußen frei bewegen, wie das früher der Fall war. Das ist nicht nur für das eigene Wohlbefinden schlecht, sondern auch ein Gesundheitsrisiko. Speziell ist mir als passionierte Schwimmerin wichtig, dass alle Kinder in dieser Stadt schwimmen lernen. Ich möchte, dass das möglich ist und dass die Stadt das unterstützt. Schwimmen zu lernen gehört für mich zum Entwicklungsprozess eines Menschen hierzulande dazu. Man sieht besonders im Sommer, dass immer Unfälle passieren.

Köln sieht sich gerne als Sportstadt. Trifft das aus ihrer Sicht zu?

Die Kölner sprechen gerne in Superlativen. Darum sagen wir ja auch: Wir sind eine Sportstadt. Aber wir müssen noch viel tun, um den Titel auch wirklich auszufüllen. Wir haben natürlich viele Merkmale einer Sportstadt: Die Sporthochschule, viele tolle Vereine, die die Stadt prägen, und ein gutes Angebot an Breitensport. Das ist schon eine ganze Menge. Aber was wir brauchen, ist eine bessere Vernetzung, durchgängig Sportangebote für Jung und Alt, wohnort-nah und flächendeckend. Das ist der Weg der Zukunft, um den integrativen Charakter des Sports zu nutzen.

Der Sport übernimmt hier in Köln zahlreiche Aufgaben, gerade im Bereich der Jugendarbeit. Sehen Sie ihn dafür gut aufgestellt?

Es muss da eine stärkere Unterstützung geben, das ist ganz klar. Ich glaube es ist ein gutes Beispiel, dass wir einzelne Projekte wie den Mitternachtssport fördern. Der kommt bei den Kindern und Jugendlichen unwahrscheinlich gut an. Wenn man merkt, wie erfolgreich das ist, dann würde ich mich sehr gerne dafür einsetzen, das zu übertragen und mehr Angebote dieser Art zu machen.

Sind denn auch organisatorische Hilfen angedacht?

Um so etwas muss sich natürlich jemand kümmern, das muss jemand koordinieren. Aber wir sollten auch den Ehrenamtlichen ihre eigene Koordination belassen und sie nicht mit Bürokratie überborden. Es muss bei der Stadt mehr Wertschätzung bekommen, welche Aufgaben ehrenamtlich für uns erledigt werden. Ich bin bei der Veranstaltung des Stadtsportbundes gefragt worden, wie es denn mit einer verlässlichen Förderung aussieht. Wer Aufgaben für die Stadt übernimmt, egal in welchem Bereich, der ist für mich Vertragspartner einer Vereinbarung.

Auch das ehrenamtliche Engagement im Breitensport steht angesichts fehlender Zeit unter Druck. Es gibt den Vorschlag, dass städtische Unternehmen ihre Mitarbeiter für zwei Stunden ehrenamtliches Engagement freistellen sollen. Wie wollen sie den Klubs unter die Arme greifen?

Diese Freistellung gibt es bereits bei politischem Engagement, die kann es natürlich auch bei gesellschaftspolitischem Engagement geben. Bei Unternehmen kann die Stadt das immer ideell bewerben und sollte auch als Vorbild vorangehen. Ehrenamtliches Engagement sollte aber nicht noch belastet werden, durch Parkgebühren bei Veranstaltungen beispielsweise. Da muss man die Ehrenamtler auch unterstützen.

Die Diskussionen um die Nutzung von Turnhallen zur Unterbringung von Flüchtlingen ist erneut entflammt. Der Sport fühlt sich dort übervorteilt. Können Sie den Frust der Sportvereine – und verbände nachvollziehen?

Das kann ich sehr gut nachvollziehen, weil es ohnehin wenig Sportflächen in Köln gibt, die nicht alle in gutem Zustand sind, und dann kommt die Stadt mit den Flüchtlingen. Ich habe als Sozialdezernentin Turnhalle nur im absoluten Notfall benutzt und schnellstmöglich wieder freigeräumt. Dazu habe ich auch andere Möglichkeiten gefunden, wir haben beispielsweise das Staatenhaus genutzt. Das war mir dann nicht mehr möglich, jetzt scheint das für die Oper auf einmal wieder zu funktionieren. Auch die Entscheidung, strukturell zu prüfen, welche zwei Turnhallen pro Stadtbezirk zur Nutzung möglich wären, ist nicht meine.

Gerade Sie als Sozialdezernentin wurden oft dafür verantwortlich gemacht, sogar öffentlich attackiert. Akzeptieren Sie die Kritik der schlechten Kommunikation, die auch ihr Kontrahent aufgebracht hat?

Das für viele schwer nachvollziehbare Problem ist, dass wir selber häufig von heute auf morgen mit Flüchtlingszuzügen konfrontiert werden. Da ist überhaupt keine Zeit mehr für eine Kommunikation 14 Tage im Voraus. Wir wissen es buchstäblich auch nicht – und müssen dann die akute Notlage der Obdachlosigkeit verhindern. Und Turnhallen stehen halt für diese Notlagen sofort zur Verfügung. Das ist in anderen Städten auch so, Köln ist ja keine Insel. Das ganze Thema ist durchaus komplizierter: Ich fühle mich zwar dafür verantwortlich, dass wir nicht mehr geschafft haben, jedoch ist das in Köln auch eine Herkulesaufgabe. Man darf aber grundsätzlich die Willkommenskultur in Köln nicht aufs Spiel setzen!

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