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Köln.Sport

OSP-Leiter Scharf: In Rio „viele Eisen im Feuer“

OSP-Stützpunktleiter Michael Scharf

Michael Scharf traut „seinen“ Athleten am Zuckerhut viel zu.
Foto: privat

Rund 80 Sportler schickt der Olympiastützpunkt Rheinland im Sommer nach Rio de Janeiro. Leiter Michael Scharf blickt zuversichtlich Richtung Zuckerhut.

Herr Scharf, in wenigen Wochen beginnen die Olympischen Spiele und die Paralympics in Rio de ­Janeiro. Wie viele Athleten schickt der Olympiastützpunkt (OSP) Rheinland ins Medaillenrennen?

Nach den letzten Qualifikationsrunden am 12. Juli stehen die Zahlen fest: Wir gehen mit 51 Sportlern in die olympischen Wettbewerbe, bei den Paralympics sind es 28.

Welchen OSP-Athleten trauen Sie in Brasilien Edelmetall zu?

Da kann ich eine breite ­Palette ­nennen.  Ich  denke,  dass  die ­Hockey­­teams der Damen und der Herren, beide mit vielen Spielern aus Köln und Umgebung gespickt, sehr gute Medaillenchancen haben. Die Säbelfechter Max Hartung und ­Matyas Szabo werden im Einzel ­Medaillenaussichten haben. Ebenso Peter Joppich, vierfacher Weltmeister im Florettfechten. Mit Aline Focken haben wir eine Weltklasse-Ringerin am Start. In der Leichtathletik muss man die Speerwerferin Linda Stahl auf dem Schirm haben. Und dann ist da noch Lena Schöneborn als Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Modernen Fünfkampf. Wir haben in vielen Sportarten Medaillenchancen.

Und bei den Paralympics?

Auch hier haben wir jede Menge Eisen im Feuer. Markus Rehm etwa, der als Top-Favorit im Weitsprung startet, oder Heinrich Popow, in ­London Goldmedaillengewinner über die 100 Meter, um nur zwei Namen zu nennen. Wir werden sicherlich einige Medaillenerfolge haben im ­paralympischen Wettbewerb.

Werden Sie selbst live in Rio dabei sein?

Dieses Jahr fiebere ich vor dem Fernseher mit. Unser Job ist dann getan, wenn die Athleten im Flieger sitzen und auf dem Weg zum Wettbewerb sind. Dann können wir in Köln mal durchatmen. In einem Olympiajahr sind die Vorbereitungen natürlich betreuungsintensiver als sonst. Vorm Fernseher kann man im Übrigen die Leistungen viel besser analysieren als vor Ort während der Wettkämpfe.

Wie sieht die Förderung der Athleten am Olympiastützpunkt in Köln konkret aus?

Es gibt drei Kernbereiche. Zum einen das Gesundheitsmanagement – unsere Ärzte, Physiotherapeuten, Konditions- und Reha-Trainer kümmern sich darum, die Athleten gesund zu halten, schnell zu regenerieren oder, im Fall einer Verletzung, schnellstmöglich wieder fit zu machen. Der Bereich Leistungsoptimierung be-inhaltet alles, was dazu beiträgt, das Training messbar und effektiver zu gestalten. Dazu gehören auch Kontakte zu unseren Sportpsychologen und Ernährungsberatern – alles im Sinne der Leistungssteigerung ­unserer Athleten. Der dritte Bereich ist die duale Karriere, das Zusammenspiel schulischer oder beruflicher Ausbildung mit dem Leistungssport. Dabei geht es vor allem um eine langfristige ­Planung, damit sich die Belastungskurven nicht gegenseitig stören.

Was tut der OSP Rheinland speziell für Nachwuchstalente?

Wir haben vor vier Jahren das sogenannte Perspektivteam gegründet mit dem Ziel, junge Sportler möglichst früh zu fördern und zu unterstützen. Ein tolles Beispiel ist Mieke Kröger, die vor kurzem mit 22 Jahren Deutsche Straßenmeisterin im Radsport geworden ist und sich damit auch für die Olympischen Spiele in Rio qualifiziert hat. Bei ihr ist alles optimal gelaufen. Grundsätzlich peilen wir mit den Sportlern im aktuellen Perspektivteam die langfristige Vorbereitung auf Tokio 2020 an. Wir werden diese Art der Förderung fortsetzen und neue Perspektivteams gründen. Eines unserer größten Talente zur Zeit ist der Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre vom TSV Bayer Leverkusen, der mit 17 Jahren schon 5,30 Meter springt. Er ist auf einem sehr, sehr guten Weg.

Fußball ist mit Abstand die Sportart Nummer eins in Deutschland. Wie schwer ist es als Olympionike, sich in der öffentlichen Wahrnehmung dagegen zu behaupten?

Natürlich wünscht man sich für die olympischen Sportler etwas mehr Wertschätzung und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, zumal viele Athleten einen hohen Trainingsaufwand haben, oft noch höher als etwa im Fußball. Ich denke aber, dass gerade jetzt zu Olympia die Wahrnehmung doch eine andere sein wird. Namen wie Britta Heidemann oder Lena Schöneborn haben dank ihrer langjährigen Welterfolge auch einen ­hohen Bekanntheitsgrad.

Am Kölner Sportinternat lernen und trainieren Fußballer gemeinsam mit Athleten aus den olympischen Sportarten.

Genau das ist ein tolles Beispiel, wie man die Bereiche verbinden kann. Das ist auch die Idee, die der 1. FC Köln gemeinsam mit uns als Olympiastützpunkt hat, um beides zusammenzubringen. Ich hoffe, dass die Finanzierung des Internats für die nächsten Jahre sichergestellt werden kann, denn das ist ein Musterprojekt dafür, wie man Talenten eine Zukunft bereitet und sie bestmöglich fördert.

Die Moderne Fünfkämpferin Lena Schöneborn gehört zum "Top Team Rio" des OSP Rheinland.

Die Moderne Fünfkämpferin Lena Schöneborn gehört zum „Top Team Rio“ des OSP Rheinland.
Foto: imago/König

Wo sehen Sie den OSP-Standort Köln im Vergleich zu anderen Stützpunkten in Deutschland?

Die Infrastruktur des Standortes ist hervorragend. Wir haben die Nähe zur Deutschen Sporthochschule, zur Sportstiftung NRW und zur Trainerakademie – dort werden die besten Trainer ausgebildet und später bei uns eingebunden. Es gibt wissenschaft­liche ­Kooperationen mit der Sporthochschule in verschiedensten Feldern. Die Wege sind kurz, sprich: Wir haben sehr gute Rahmenbedingungen.

Was ist Ihrer Meinung nach verbesserungswürdig?

Was mir an der einen oder anderen Stelle in Köln fehlt ist die Struktur der Leistungssportförderung in den Vereinen. Rot-Weiss Köln ist da im Hockeybereich eine große Ausnahme. Darüber hinaus muss man schon suchen, um Vereine zu finden, die Leistungssport bis in die Spitze ­unterstützen. Oft fehlt es aber auch an Unterstützung seitens der Stadt, um Vereinen die Entwicklung eines Leistungssportbereiches   finanziell zu ermöglichen. Da sehe ich noch ­Optimierungsbedarf.

Wie sieht der Dialog mit der Stadt in diesem Punkt aus?

Die Entwicklung muss von der Basis ausgehen. Man braucht einen starken Stadtsportbund, der die Themen vor Ort antreibt, auch das Thema Leistungssport. Da könnte sicherlich hier und da ein bisschen mehr kommen. Es ist aber nicht so, dass das in anderen Kommunen alles einfach ist. Man muss für den Sport insgesamt kämpfen, auch in Relation zu anderen geförderten Bereichen, wie zum Beispiel die Kultur. Da ist der Sport im Verhältnis erheblich schlechter gestellt.

Thema Hallenproblematik: Hat sich der Mangel an nutzbaren Sporthallen in Köln auch auf Ihre Athleten ausgewirkt?

Ich finde, dass Köln bei der Frage der Flüchtlingsunterbringung keinen guten Lösungsweg eingeschlagen hat. Die Wertschätzung gegenüber dem Sport gerade als Integrationsmöglichkeit war in anderen Städten erheblich größer. Das war meiner Meinung nach ein falscher Gedanke: Wie kann man die, die durch Sport die beste Integration leisten können, so daran hindern, indem man ihnen die Hallen wegnimmt? Wir haben es für unsere Sportler so organisiert, dass sie keine Nachteile hatten, durch Zusammenlegung mit anderen Vereinsangeboten, die aber häufig außerhalb von Köln waren. Insofern hat die Hallensituation für die Olympia-Vorbereitung keine großen Nachteile gehabt. Dennoch muss ich sagen, dass andere Städte die Flüchtlingsunterbringung eleganter gelöst haben und der Sportbereich deutlich weniger belastet wurde als in Köln.

Das Interview führte Svenja Dahlhaus.