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Köln.Sport

Mitten ins Herz

Beim Sport wird alles andere zur Nebensache: Kölner Engagement für Flüchtlinge Foto: Daniel Elke

Beim Sport wird alles andere zur Nebensache: Kölner Engagement für Flüchtlinge
Foto: Daniel Elke

Die Asyldebatte schlägt derzeit hohe Wellen. Allein in Köln leben knapp 7.500 Flüchtlinge. Köln.Sport hat sich in der Stadt umgesehen und festgestellt: Integration funktioniert, wenn man nur will!

Das erste Mal höre ich von der Moselstraße und dem ­dortigen Flüchtlingshotel „Mado“ bei einem Abendessen mit Frank Straßburger, einem ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer. Er ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit ein paar Monaten in der Flüchtlingshilfe tätig, hat sich dieses Projekt ausgesucht und erzählt sichtlich bewegt von einzelnen Schicksalen, dramatischen Fluchtwegen, aber auch von ergreifenden und berührenden ­Momenten in der Zusammenarbeit mit den Bewohnern des ­Hotels.

Die ­Geschichten packen mich sofort an. Wir sitzen ­gemütlich bei Tapas und Wein, und Frank erzählt, erzählt von ­Menschen, die auf dem Weg nach Deutschland alles ­zurücklassen mussten, die bereits vor ihrem Aufbruch aus der Heimat unglaubliche Dinge erleben mussten. ­Ambiente und Erzähltes passen nicht wirklich zusammen. Wie man sich in so einem Moment fühlt? ­Unbeschwert ist man ­jedenfalls nicht. Es sind Realitäten, und all die Nachrichten, die in den letzten Wochen über den Äther schwappten, sind nun auf einmal viel konkreter, greifbarer. Es sind sehr konträre Geschichten, zum Beispiel über ein Fußballprojekt, das Frank intuitiv im Hotel „Mado“ angeboten hat und sich über einen relativ kurzen Zeitraum bei den Bewohnern etabliert hat.

Eine Art Verbundenheit

Jeden Mittwoch wird gekickt, 18 Uhr, das ist fix und auch, wenn es einige Mitspieler mit den Anfangszeiten nicht so ­genau nehmen, am Ende finden sich immer genug Fußballer für ein Spiel auf dem Rasenplatz des Uni-Campus, den die Truppe netter­weise umsonst nutzen darf. In das Spiel integriert werden auch immer wieder Studenten, Freunde und wer sonst ­gerade Zeit hat. In der letzten Woche durfte auch Köln.Sport mit von der Partie sein und vor Ort vor allem eines erleben: Spaß und viele fröhliche Menschen. Selten habe ich bei einem Fußballspiel so viele Menschen lachend erlebt, ein wirklich ansteckendes Lachen und eine absolut offenherzige Art ­aller Beteiligten.

DAS HOTEL „MADO“

Das Hotel „Mado“ dient seit 2014 als Flüchtlingsunterkunft. Im Hotel leben momentan 130 Flüchtlinge. Ehrenamtler und Hotelangestellte helfen Ihnen bei Behördengängen und organisieren Freizeitangebote. Weitere Informationen zur Initiative gibt es unter: www.wiku-koeln.de

Am Ende spielen wir acht gegen acht. Das Ergebnis ist unwichtig, die Art wie Tore herausgespielt werden, nicht. Die Jungs spielen seit rund sieben Monaten zusammen, und man merkt eine Art Verbundenheit. Die jungen Männer stammen aus Nigeria, ­Marokko, Ghana und ­Eritrea. Die Sprachen sind Französisch, Englisch, ­Tigrinya, Deutsch und Dia­lekte. ­Zwischendurch wird diskutiert, sich abgeklatscht, ­­gelungenen Aktionen  ­wird Respekt ­gezollt, fair bleibt es immer. Da spielen Sami, Mohammed, Daniel, Moritz, ­Ibrahim,  ­Obeika, Rahman, und es wirkt sehr vertraut, einfach unkompliziert. Es ist sicher eine der erfolgreichen kleinen Integrations-Geschichten. Initiiert von zahlreichen Ehrenamtlern in Köln, die zahlreiche Stunden dem Thema Asyl widmen, häufig neben ihrer eigentlichen ­Erwerbsarbeit.

Suche nach dem Glück

Es gibt jedoch auch die Kehrseite. Kurz vor dem gemeinsamen Fußballspielen treffen wir uns zum ­Gespräch im Innenhof des Hotel „Mado“. Auch hier ­Freundlichkeit, herzliche  Begrüßungen.  Eventuelle  Unsicher­heiten unsererseits erledigen sich in Sekundenbruchteilen. Die Atmosphäre im Hotel ist durchweg ­positiv, Bewohner begrüßen uns freundlich. Man sieht Kinder spielen, ­Ehrenamtler sitzen mit Bewohnern des Hotels an Tischen, man tauscht sich aus. Hier wird den Flüchtlingen geholfen. ­Neben den Behördengängen werden sie auch in der Freizeit unterstützt. So wurde eine Fahrradwerkstatt eingerichtet, Fußball zählt ebenfalls zu den Angeboten.

Denn nichts ist schlimmer als Lange­weile, wie Frank betont. Die Leute müssten zum Beispiel zu lange auf einen Deutschkurs warten, das liege am jeweiligen Status des Asylsuchenden. Dabei ist dieser Kurs das Wichtigste für eine Integration, wie Frank betont. In der Stufe „Duldung“, geht nahezu nichts. Dies führt natürlich auch zu sozialen Problemen. Die Menschen wollen und können nichts unternehmen, sind auf die „Gnade“ der Behörden angewiesen, teil­weise dauert es bis zu zwei Jahren, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, eine gefühlte Ewigkeit. Einige der Asyl­suchenden wissen, dass sie nicht bleiben dürfen, probieren es dennoch. Wirtschaftsflüchtlinge haben aber kaum eine Chance.

Sichtlich Spaß bei der „Arbeit“: Die Köln.Sportler Ralf Kerkeling (3. v.  links) und Markus Brinkmann (4. v.  links)

Sichtlich Spaß bei der „Arbeit“: Die Köln.Sportler Ralf Kerkeling (3. v.  links) und Markus Brinkmann (4. v.  links)
Foto: Daniel Elke

Schmerz und Hoffnung

Und dann gibt es die Kriegsflüchtlinge. Ihre Chancen auf Asyl sind groß, ihre Geschichten sind meistens ­tragisch. Sie mussten ihr Land verlassen, da sie um ihr ­Leben fürchten mussten. Für diese Chance auf Asyl haben sie ihr Leben riskiert. Im „Mado“ wohnt ein junger Mann aus Eritrea. Drei Versuche hat er gebraucht, um über das Mittelmeer nach Italien zu gelangen, immer wieder wurde er zurückgeschickt, immer wieder musste er neues Geld im Sudan verdienen, um den nächsten Schleuser zu ­bezahlen. Dann, in Deutschland angekommen hört er, dass sein Bruder auch unterwegs ist. Es ist die Zeit, in der erstmalig ausführlich von den Medien gezeigt wird, wie zahlreiche Flüchtlingsboote kentern, die Menschen ertrinken. Er hört nichts von seinem Bruder, wochenlang, bis er doch ein Lebenszeichen bekommt.

Frank hat auch Kontakt zu einer fünf­köpfigen Familie aus Syrien. Den Bürger­krieg dort zu beschreiben, ist an dieser Stelle nicht nötig. Auf dem Weg nach Deutschland im Jahr 2013 haben sie das ­erlebt, was ebenfalls ausgiebig durch die Medien gegangen ist: korrupte Schleuser. Beim Grenzübertritt in die Türkei werden sie verhaftet und vier Wochen hinter ­Gitter ­gesteckt. Danach wieder Schleuser, über Bulgarien nach Deutschland. Zum Zeitpunkt, an dem Frank sie kennenlernt, sind sie in einer Wohnung in Köln unter­gebracht, ­25 ­Quadratmeter für fünf Personen.

Bürokratie schränkt ein

Frank erfährt eine ­unglaubliche Gastfreundschaft, muss jedoch auch hautnah miterleben, wie deutsche Büro­­kratie funktioniert. Bei einem seiner ­Besuche ist die Familie verschwunden, einfach nicht mehr auffindbar. Auch Nachfragen ergeben zunächst nichts als große Ratlosigkeit. ­Irgendwann erfährt Frank, dass die Familie „umgesiedelt“ worden ist. Vom Rathenauplatz nach Longerich in eine Container-Wohneinheit für rund 60 Menschen, von einem Zaun umgeben und bewacht durch Security. Jetzt ist die Wohnung zwar größer, der Weg dorthin ­jedoch fragwürdig. Einen Tag vor dem ­Umzug ­wurde ihnen verkündet, dass es morgen „losgehen“ ­würde. Kinder­garten, Schule, sonstige ­soziale ­Kontakte – mit ­einem Schlag weg. Die Stadt hielt es nicht für nötig, die Familie ausreichend zu informieren.

Als Frank sie nach ­vielem Hin und Her schließlich in Longerich besuchen kommt, stellt sich ein ­Security-Mann zunächst quer. Man könne nicht einfach so das Gelände betreten, das müsse man vorher anmelden, und Freunde einfach so besuchen, nein, nicht möglich. So sieht Integration und Willkommenskultur auch aus! ­Warum werden diese ­Familien in ein­gezäunten Bereichen kaserniert? Wäre es nicht sinnvoller, sie direkter in das Stadt­leben zu integrieren, Wohnraum zu finden, der die Menschen teilhaben lässt an unserem ­Gesellschaftsleben und unserer Kultur und wir folglich auch an ihrer Kultur? Müssen die Asylsuchenden tatsächlich mit Zaun und überforderter Security vor uns ­geschützt werden?

Zufluchtsort der besonderen Art

Dass dies auch anders geht, zeigt die Geschichte des ­bereits erwähnten Hotel „Mado“, Nähe Barbarossaplatz. Das Hotel ist bis zum Jahr 2014 eines der selten gewordenen privat ­geführten Hotels in der Domstadt. Das „Mado“, ­geführt vom Ehepaar Plesser, ist zu diesem Zeitpunkt ein Vier-Sterne-Hotel, das sich zahlreicher Stammgäste erfreut. Als Ralf Plesser dann erfährt, dass in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hotel ein Containerdorf für 80 Flüchtlinge entstehen soll, ist er zunächst verunsichert und befürchtet zudem wirtschaftliche Einbuße. Er und seine Frau machen sich Gedanken und entschließen sich dann, der Stadt Köln zunächst einen Teil des Hotels für diese Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.

Mittlerweile sind dort 130 Menschen untergebracht. Das ganze Hotel wurde zu einer Flüchtlings­herberge umfunktioniert und an die neuen Bedürfnisse angepasst. Der eigentliche Hotelbetrieb wurde eingestellt. Gemeinschaftsküchen sind eingerichtet worden, freies WLAN für den Kontakt in die Heimat bereitgestellt. Einige der Hotelangestellten konnten gehalten werden, mittlerweile fungieren sie mehr als Sozialarbeiter. Es ist zu einer Herzensangelegenheit geworden. Köln.Sport hat vor Ort eine besondere Erfahrung sammeln dürfen, die sicherlich noch nachwirken wird.

Ralf Kerkeling