fbpx
Köln.Sport

Im Vollgasrausch

Am Wochenende ist es wieder soweit! Das ADAC Zurich 24-Stunden-Rennen am Nürburgring lockt Tausende begeisterte Besucher in die Eifel. Kaum ein Rennen auf der Welt verlangt den Fahrern so viel ab wie die 24-Stunden auf der „grünen Hölle“. Und dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – lieben sie es wie kein zweites. Der Kölner Christopher Brück ist dieses Jahr bereits zum elften Mal dabei. Genug hat er noch lange nicht!
24-Stunden-Rennen

Die Einzigartigkeit der Strecke in einem Bild: Enge Fahrbahn, Höhenunterschiede, einzigartiger Natur – die „grüne Hölle“ ist keine normale Rennstrecke (Foto: Gruppe C GmbH)

Monatelange Vorbereitung, Stress, Schweiß, Nerven – und das alles für 86.400 Sekunden, 1.440 Minuten, oder besser gesagt 24 Stunden. Das 24-Stunden-Rennen in der „grünen Hölle“, wie Jacky Stewart den Eifel-Ring einst taufte, ist für Rennfahrer das Highlight einer jeden Saison. Einer von ihnen ist der Kölner Christopher Brück. Er kennt den Nürburgring wie seine Westentasche und ist beim 24-Stunden-Rennen ein alter Hase. Die Faszination des einen ganzen Tag dauernden Rennens macht für ihn nicht nur die einzigartige Topographie und Streckenlänge der Nordschleife aus.

„Wenn man donnerstags, also zwei Tage vor dem Start des Hauptrennens, das erste Mal die Strecke abfährt und sieht, wie viel da schon los ist, wie die Fans ihre Swimmingpools und Pavillons aufbauen, wie auf der Strecke wieder alles neu bemalt wurde – das ist schon einmalig“, beschreibt Brück die erste Runde am langen Rennwochenende. Viel Zeit zum Genießen bleibt ihm allerdings nicht, denn bereits am Donnerstag stehen das freie Training sowie Qualifyings an, in denen es eine erste Duftmarke zu setzen gilt. „Ein guter Start ins Wochenende ist extrem wichtig. Das Auto ist top vorbereitet, da ist ein neuer Motor drin, neue Antriebswellen, alles neu! Wenn du dann im freien Training merkst, dass das Auto gut geht, dann weißt du, dieses Jahr ist was drin“, so Brück.

So richtig ernst wird es dann allerdings doch erst am Samstag, wenn der Start des Hauptrennens näher rückt. Die Anspannung ist bei allen Beteiligten so hoch, dass in der Nacht vor dem Rennen an Ausschlafen nicht zu denken ist, auch wenn das in Anbetracht des bevorstehenden Konzentrationsmarathons durchaus sinnvoll wäre. Zwar müssen diejenigen Fahrer eines Teams, die nicht das Warm-up um 9:10 Uhr absolvieren, theoretisch erst mittags da sein, doch so lange warten die wenigsten. „Ich habe irgendwie ein schlechtes Gewissen, wenn ich um 10:00 Uhr noch im Hotel bin, während mein Teamkollege schon seit einer knappen Stunde das Warm-up fährt. Außerdem sind die ganzen Fans ja schon da, das will man dann schon aufsaugen. Bis 12 Uhr schlafen, das klappt nicht“, schmunzelt Brück.

Adrenalin pur

Um 15:30 Uhr hat das Warten dann ein Ende. Der erste von in der Regel vier Fahrern eines jeden Teams begibt sich auf die Einführungsrunde, es folgen knapp 160 weitere Runden unter Vollgas. „Den Start zu fahren ist etwas Besonderes. Da hat man noch mal ganz andere Emotionen, als wenn man später einsteigt. Denn in der Einführungsrunde dürfen die Fans ja bis zum Rasen“, erzählt der Kölner Rennfahrer. Dann allerdings bleibt keine Zeit mehr, die Stimmung oder die wunderbare Eifel-Natur rund um die „grüne Hölle“ zu genießen. „Wenn du das Rennen gewinnen willst, musst du ab der ersten Stunde superfokussiert sein und attackieren. Natürlich immer mit der nötigen Ruhe, denn da fahren 170 Autos neben, vor oder hinter dir herum. Wer zu viel Risiko geht, für den ist nach zwei Stunden Feierabend“, weist Brück angesichts der Enge der Strecke auf einen Drahtseilakt hin.

Nach acht Runden und gut 75 Minuten ist der erste sogenannte „Turn“ vorbei, und die Startfahrer kommen in die Box. Volltanken, Reifenwechsel, Fahrertausch – alles in zwei Minuten. Für die Mechaniker ist das jedoch Routine, meistens bleibt sogar noch Zeit für einen kleinen Plausch zwischen dem Fahrer, der aus-, und demjenigen, der einsteigt. Bei einer Streckenlänge von über 25 Kilometern können die kurzen Informationen, die beim Stopp möglich sind, rennentscheidend sein.

„Wenn beispielsweise auf einem Streckenabschnitt Öl liegt, ist das schon wichtig zu wissen“, erklärt Brück. Nach einem Turn hat er circa drei Stunden Pause. Austausch mit dem Ingenieur, umziehen, essen, Massage, zurück in die Box. „Gerade in den ersten Pausen ist man so voller Adrenalin, dass es schwierig ist, runterzukommen und ein bisschen zu entspannen“, beschreibt Brück die Zeit, in der seine Kollegen im Cockpit sitzen.

Durch Grillschwaden und Dunkelheit

Nach ein paar Stunden beginnt die schwierigste Phase des Rennens. Wenn Dunkelheit den Ring umhüllt, trennt sich auf der Strecke die Spreu vom Weizen. Der härteste Kurs der Welt unter maximal schweren Bedingungen – genau das mag der langjährige Fahrer der VLN-Langstreckenmeisterschaft Christopher Brück. „In der Dämmerung zu fahren ist schon sehr anspruchsvoll, weil die Sonne so tief steht. In der Nacht fahre ich gerne, da ist es schön kühl“, grinst der 33-Jährige.

Die schlechten Sichtverhältnisse in der Dunkelheit stören ihn nicht, doch das ist nicht der einzige erschwerende Faktor. „In der Nacht hat man manchmal das Gefühl, das Nebel auf der Strecke ist. Aber das ist kein Nebel, sondern die ganzen Grillschwaden, die über die Strecke ziehen. Und das riecht man auch im Auto, gerade an speziellen Streckenabschnitten. Das ist schon cool“, schildert Brück ein Detail, das das 24-Stunden-Rennen für die Fahrer so einzigartig macht. Besonders bei Regen sind die Anforderungen in der Dunkelheit sehr hoch. Das geht für die Fahrer, die nachts meistens Doppel-Turns fahren und zweieinhalb Stunden im Auto sitzen, an die Substanz.

Dementsprechend ist in den Pausen dann doch mal ein bisschen Schlaf notwendig. „Im Hotel komme ich dann runter, höre mal ein paar Stunden keine Motorengeräusche. Auch wenn ich natürlich nicht in die Tiefschlafphase komme, ist das schon viel wert“, erklärt Brück. Nach einer Dusche geht es zurück an die Strecke, wo für den Kölner der schönste Abschnitt der gesamten 24 Stunden ansteht. „Wenn man im Morgengrauen in die Helligkeit hineinfährt, wenn die Sonne aufgeht – das ist unbeschreiblich und für mich auf jeden Fall der schönste Turn des Rennens.“

Vielen Fahrern bleibt das allerdings verwehrt, circa 50 bis 60 Autos überstehen die Dunkelheit nicht. Für die, die noch dabei sind, eine gute Sache, denn die längste permanente Strecke der Welt ist dann deutlich leerer. Konzentrationsschwächen dürfen sich Profi- wie Amateurfahrer allerdings trotzdem nicht erlauben. Der Klassenunterschied zwischen den schnellsten und den langsamsten Autos ist so hoch, dass die Top-Fahrer etwa 30 Fahrzeuge überholen müssen – jede Runde! „Es kommt ständig zu brenzligen Situationen, man muss im Bruchteil einer Sekunde Entscheidungen treffen und das Risiko abwägen“, erklärt Brück, „entweder du bleibst dahinter, oder du gehst daneben. Wenn er dann reinzieht, fliegst du von der Strecke.“

Currywurst-Pause am Pflanzgarten

Abgeflogen ist Brück in den letzten Jahren nie. Eines gewissen Berufsrisikos ist sich der werdende Vater allerdings durchaus bewusst. Demut und Respekt vor der Strecke und dem Rennen sind da gute Ratgeber. Passieren kann aber immer was, auch ohne eigenes Verschulden. „Vor ein paar Jahren ist mir im Porsche mal der Reifen geplatzt, das Band vom Reifen hat zusätzlich die Beifahrertür rausgerissen“, erzählt Brück. Für einen Reifenwechsel war in der Box Zeit, nicht aber für das Einsetzen einer neuen Tür. „So musste ich einen kompletten Turn ohne Türe bestreiten. Da kam schön viel Wind von der Seite rein“, nennt der Rennfahrer die Folgen des letztlich glimpflich abgelaufenen Malheurs.

An sein erstes 24-Stunden-Rennen erinnert sich der Kölner auch noch gut, denn da lief – wie so oft beim ganztägigen Rennen auf dem Rundkurs in der Eifel – nicht alles nach Plan. „Bei uns ist was schiefgelaufen, deswegen bin ich am Pflanzgarten mit leerem Tank ausgerollt. Bis mein Team aus der Box mit einem Tankkanister dorthin kam, dauerte es eine Weile. Da stand ich also dann eine halbe Stunde mitten unter den Fans, die alle um mein Auto rumstanden und mir was Gutes tun wollten. Einer hat mir dann eine Currywurst angeboten, und da habe ich dann auch nicht Nein gesagt, denn ich hatte wirklich richtig Kohldampf. Das war ziemlich cool! Dann kam mein Team mit dem Sprit, und es konnte weitergehen“, berichtet Brück von Begegnungen der besonderen Art, die die Fannähe beim 24-Stunden-Rennen eindrucksvoll untermauern. Es ist genau diese Kombination aus hochprofessionellem Rennfahren und Motorsport zum Anfassen, die die Faszination des Nürburgrings für Fans und Fahrer gleichermaßen ausmacht.

Sieg im elften Anlauf?

Die letzten Stunden gehören für Christopher Brück und seine Kollegen zu den schwierigsten, denn das stundenlange Fahren am Limit fordert auch von den topfitten Athleten Tribut. Liegt das Team auf einem gesicherten Platz, weil sowohl der Vordermann als auch die Verfolger weit entfernt sind, nehmen die Fahrer bewusst den Fuß etwas vom Gas, um ihre Position nicht durch einen Ausfall aufs Spiel zu setzen. Doch oft ist es auch bis zum Schluss spannend. „Vor zwei Jahren konnte ich in den letzten drei Stunden noch drei Konkurrenten überholen, was zu diesem Zeitpunkt des Rennens sehr ungewöhnlich ist. Über Funk wurde ich ständig von meinem Rennleiter angefeuert, das war schon sehr emotional“, erzählt Brück.

Emotional geht es auch nach der Zielankunft zu. „Dann bist du froh, auch erleichtert. Es bedeutet schon einiges, überhaupt anzukommen. Es wird erst einmal mit dem ganzen Team gemeinsam etwas getrunken, egal wie kaputt du bist. Alle feiern, denn man weiß, dass man einen guten Job gemacht hat“, so Brück, der dieses Jahr für Konrad Motorsport im Lamborghini Huracan GT3 startet. Gewonnen hat der Kölner das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring bislang nicht. Doch was nicht ist, kann ja noch werden …