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Köln.Sport

„Ich lasse die Negativ-Stimmung nicht zu“

Trotz der Pleitenserie zum Saisonende bleibt für Drittligist Fortuna Köln am Ende die erfolgreichste Saison seit dem Aufstieg stehen. Im Köln.Sport-Interview erklärt Coach Uwe Koschinat, wie diese beiden Faktoren seine Analyse beeinflussen – und in welcher Hinsicht der Mut der Südstädter nicht belohnt wurde.
Interview Koschinat

Mit 54 Punkten holten Uwe Koschinat und die Fortuna acht mehr als im Vorjahr – dennoch wäre mehr drin gewesen (Foto: Getty Images)

Auf dem Papier hat Fortuna Köln die beste Drittligasaison seit dem Aufstieg 2014 hingelegt – 54 Punkte, Platz acht. Doch die Südstädter kämpften lange um mehr, galten plötzlich sogar als Aufstiegskandidat. Dann gab es nur noch einen Punkt aus den letzten neun Spielen – und plötzlich sogar Kritik am eigentlich so erfolgreichen Team. In Köln.Sport nimmt Coach Uwe Koschinat zu diesem Thema Stellung.

Herr Koschinat, bei Ihnen dürfte der bekannte Fußballspruch gelten: „Vor der Saison hätten Sie sich über Platz 8 gefreut, jetzt – mit dem Eindruck der letzten Saisonwochen – weniger.“ Einverstanden?

Ja, das kann ich definitiv so unterschreiben.

Aus den letzten neun Drittligaspielen gab es nur einen Punkt, dazu das Pokalaus gegen die Viktoria. Was hat zu dem schwachen Saisonendspurt ihrer Mannschaft geführt?

Das geht logischerweise einher mit all dem, was vorher positiv war. Es ist nie nur ein Faktor. Und ich will es mir auch nicht zu leicht machen und sagen, dass wir ohne wichtige Spieler auskommen mussten. Denn auch in den guten Phasen war das oft der Fall. Da haben wir es aber in Einzelfällen geschafft, auf gleichem Niveau zu spielen, zumindest in Sachen Ergebnis. Zum Beispiel hat man uns den Ausfall von Boné Uaferro – eigentlich einer der wichtigsten Spieler – fast gar nicht angemerkt.

Woran lag es dann?

Der erste Punkt ist der, dass unser laufintensives Spiel, gerade in der Offensive, fast durchgehend auf den gleichen Schultern geruht hat. Und mit Ausnahme von Hamdi Dahmani haben wir da eben fast nur Jungs gehabt, die die 3. Liga und deren Anforderungen noch nicht gewohnt waren. Paar Spiele mehr, ganz andere Intensität – das macht einen großen Unterschied. Es gab kaum Ruhephasen für viele Stammspieler. Der zweite Faktor waren brutale individuelle Fehler, die dann regelmäßig auch spielentscheidend waren. Und die haben wir in unseren guten Phasen nie gemacht.

Gibt es noch mehr?

Einen dritten Punkt, der ist nicht zu entschuldigen, vor allem den Fans gegenüber. Aber man muss schon sagen, dass diese absolute Motivation nach den Niederlagen gegen Erfurt und Großaspach nicht mehr da war. Die Mannschaft hatte sich extrem mit dem Ziel identifiziert, bis zuletzt um Platz drei zu spielen. Als klar war, dass das Thema vom Tisch ist, sind wir emotional ins Bodenlose gestürzt. Im Pokalspiel gegen Viktoria hat man gesehen, dass die Mannschaft emotional wieder hochfahren konnte.

Wie fällt demnach Ihr Saisonfazit aus?

Ich werde nicht den Fehler machen, die Saison jetzt zu sehr unter den negativen Eindrücken der letzten Wochen zu bewerten. Auch wenn das aktuell von außen der Blick ist. Aber ich bemühe mich derzeit, die positiven Dinge herauszuarbeiten, das ist ja auch wichtig für 2018/19. Ich lasse es nicht zu, dass die Saison zu schlecht bewertet wird.

Glauben Sie, dass der achte Platz – unter dem Strich die beste Drittligasaison seit dem Aufstieg – das Ansehen der Fortuna in Deutschland weiter hat steigen lassen?

In Deutschland ja, in Köln nein. Ich glaube, in Köln wird ja eher immer nebensächlich über uns berichtet, weil die Berichterstattung über den FC viel unterdrückt. Mit der Formulierung unserer Ziele haben wir aber schon „eine dicke Lippe riskiert“. Und das hat für viele dann eher eine negative Wirkung, denn diese Ziele haben wir verfehlt. Vorher hatte man uns gar nicht so auf dem Schirm. Auf einmal waren wir aber im Gespräch, weil wir in der schwächsten Phase des FC unsere beste Phase hatten. Dann kam die Vorstellung von einem Zweitliga-Derby in der nächsten Saison auf. Deshalb wird die Saison hier vor Ort oft nicht so gut bewertet. Wenn ich mit Menschen von außerhalb rede, wird die Konstellation positiver gesehen. Die sagen: Wer die Fortuna für diese Saison kritisiert, hat den Bezug zu den Möglichkeiten des Vereins verloren. Aber, ich sage es noch mal: Wir haben uns früh aus der Deckung gewagt. Das war aus meiner Sicht auch richtig, denn wir hatten nichts zu verlieren. In unserem inneren Zirkel hat vor der Saison niemand ernsthaft an die 2. Liga gedacht, deshalb konnte uns da auch niemand böse sein.

Was bedeutet Ihnen das persönlich für die Zukunft? Ist zumindest diese Tabellenregion nun der Anspruch für die Zukunft?

Ich bleibe dabei: Solange ich Fortuna-Trainer bin und sich die Finanzen nicht massiv verändern, gibt es einen Eigenanspruch. Und dieser lautet, sich kontinuierlich zu verbessern. Das mögen manche an der Art des Fußballs festmachen, das ist aber immer Ansichtssache. Ich meine, am besten lässt es sich an der Zahl der Punkte ablesen. Da sind wir mit einem Rekord von 54 eingelaufen, auch wenn wir am 10. März schon 53 hatten. Daran möchte ich mich messen lassen. Wenn wir da eine weitere Steigerung hinbekommen, wäre das wieder ein Erfolg.

Haben Sie auch inhaltlich eine Veränderung bzw. Verbesserung der Mannschaft gesehen?

Ja. Ich glaube, dass wir es geschafft haben, unsere Stärken beizubehalten und andere Dinge weiterzuentwickeln. Da hat die Mannschaft einen großen Sprung gemacht. Wir waren in unseren guten Phasen extrem schwer auszurechnen, weil wir in der Lage waren, einen pressenden Gegner am Boden auszuspielen, aber auch unsere DNA des schnellen Umschaltens beibehalten haben. Das war ein guter Mix. Da muss man den Spielern ein Kompliment machen, weil sie unheimlich neugierig und mutig waren, das umzusetzen.

Sie haben – nach dem Umbruch im letzten Sommer – wieder eine unheimlich kompakte Einheit geformt. Hat es Sie überrascht, wie schnell sich die „neue Fortuna“ gefunden hat?

Eigentlich nicht. Weil wir uns wahnsinnig intensiv mit unserem Scouting beschäftigen. Und ich hatte mit unseren Verpflichtungen schon ein klares Bild, wie das neue Team aussehen würde. Ich habe nicht geglaubt, dass die Mannschaft zu dieser hohen Punktzahl in der Lage ist. Aber in Sachen Mentalität habe ich damit gerechnet, dass es so läuft. Da hat es extrem geholfen, dass die neue Führungsachse um Hamdi Dahmani, Maik Kegel, Markus Pazurek und Boné Uaferro einen herausragenden Job gemacht hat. Und ich möchte ganz klar herausstellen, wer einen enorm großen Anteil am Erfolg hatte: André Poggenborg.

Ihre ehemalige Nummer 1 ist jetzt Torwarttrainer. Wie hat er das Team beeinflusst?

„Pogge“ ist freiwillig ins zweite Glied gerückt. Er hat nicht nur seine neue Rolle sehr gut gemacht, sondern war auch für das Team ein wichtiger Faktor, vor allem durch seine Erfahrung und sein Standing im Team. Als er sich nicht mehr so darauf fokussieren musste, selbst seine Leistung zu bringen, hatte er einen großen Einfluss auf die ganze Gruppe. Er sitzt ja auch nicht im Trainerraum, sondern in der Kabine, da konnte er extrem viel steuern.

Sie haben bereits angedeutet, dass Sie – trotz der guten Saison Ihres Teams – im Angriff die nötige Breite vermisst haben. Heißt das, wenn Daniel Keita-Ruel (mit 15 Toren bester Schütze, Anm. d. Red.) geht, dass der Fortuna ein schwieriges Jahr bevorsteht?

Das wäre sicher der Fall, aber derzeit gehe ich nicht davon aus, dass das passiert. In den Medien war ja zu lesen, von welchen Vereinen Interesse da ist – dieses Interesse ist erkaltet. Viele dieser Klubs wie Magdeburg oder Paderborn haben jetzt auch andere personelle Entscheidungen getroffen. Deswegen gehe ich davon aus, dass er noch eine Saison bei uns bleibt. Wenn er doch noch gehen sollte, müssen wir Ersatz für ihn finden, das wird aber mit nur einem Spieler schwierig. Aber es geht mir gar nicht so sehr darum, ihn auf jeden Fall ersetzen zu wollen, als um den generellen Wunsch, mehr leistungsfähige Spieler für die Offensive zu finden, die den Spielstil von Fortuna Köln tragen können.

Zu diesem Plan gehört nun auch doch wieder Thomas Bröker. Er wurde schon offiziell im Stadion verabschiedet, jetzt wollen Sie ihn doch halten. Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Meinung zu ändern?

Als Thomas körperlich wieder in gutem Zustand war, hat er gezeigt, was er noch draufhat. Er hat mir immer versichert, dass er extrem Bock auf die Fortuna hat. Und man hat gesehen, dass er immer noch zu den schnellsten und durchschlagskräftigsten Spielern im Profifußball gehört. Und dass er eine tolle Mentalität auf den Platz und in die Kabine bringt. Es wäre dumm, einen solchen Spieler ziehen zu lassen. Dazu kommt mit Michael Eberwein aus Dortmund ein Spieler, der gute Werte in der Regionalliga hatte – ein typischer Fortuna-Transfer aus meiner Sicht. Das wird noch nicht das Ende sein, in der Breite müssen wir noch in den Kader investieren.

Das Interview führte Thomas Werner.