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Köln.Sport

Geschichte geschrieben

Im Juni diesen Jahres haben Andreas Mies vom KTHC und sein Doppelpartner Kevin Krawietz die French Open gewonnen und Historisches geschafft. Ein Triumph, mit dem niemand gerechnet hat – nicht einmal sie selbst.

Mit ihrem Sieg bei den French Open sprangen Andreas Mies (l.) und Kevin Krawietz (r.) unter die Top 25 der ATP-Weltrangliste (Foto: Getty Images)

Andreas Mies vom KTHC Stadion Rot-Weiss hat viele Talente. Neben dem Tennisspielen hat er unter anderem einen Abschluss im Studienfach „Business“ an der US-amerikanischen Auburn-Universität. Als Urlaubsplaner sollte man Andreas Mies allerdings nicht anfragen. Denn im Vorfeld der French Open, an denen er mit Partner Kevin Krawietz teilnahm und im Doppel antrat, war der gebürtige Kölner für die Reiseplanung zuständig – und das wäre beinahe gründlich in die Hose gegangen.

„Wir haben ein Airbnb gebucht, optimistisch erst einmal für eine Woche“, sagt Mies beim Treffen mit Köln.Sport und lacht. „In Wimbledon haben wir 2018 die dritte Runde erreicht und ich dachte, das könnten wir jetzt wieder schaffen.“ Als sie diese erfolgreich beenden, stehen sie vor einem Problem.

„Da wollte ich verlängern, aber da war das Airbnb leider ausgebucht. Insgesamt waren wir zu neunt. Die zweite Woche haben wir in einem anderen Airbnb geschlafen, das hatte ich zunächst bis Donnerstag gebucht.“ An diesem Tag findet das Halbfinale der French Open statt, welches das deutsche Duo ebenfalls gewinnt. „Das Airbnb konnte ich glücklicherweise bis Sonntag verlängern. Ich hatte schon Sorge, dass ich vor dem Finale unter der Brücke schlafen muss. Dann wäre ich sicher nicht so ausgeruht gewesen“, sagt Mies und lacht.

„Hey, du bist french-open-Sieger“

Und dieses Lachen kriegt er auch heute noch nicht aus dem Gesicht. Denn der Ausgang der abenteuerlichen Airbnb-Reise ist mittlerweile nicht nur Tennis-Fachleuten bekannt: Als erstes rein deutsches Duo seit Gottfried von Cramm und Henner Henkel 1937 gewannen KTHC-Spieler Mies und sein Doppelpartner Kevin Krawietz vom TC Großhesselohe die French Open.

Mit 6:2, 7:6 (7:3) schlug das ungesetzte Duo die Lokalmatadoren und Weltranglisten-Spieler Jeremy Chardy und Fabrice Martin – nicht weniger als eine absolute Sensation. „Um ehrlich zu sein, habe ich noch immer nicht realisiert, was wir da geschafft haben. Nach 82 Jahren wieder ein deutscher Grand-Slam-Sieg im Doppel, das ist immer noch unglaublich. Kevin und ich schicken uns noch gegenseitig Nachrichten, mit: ,Hey, du bist French-Open-Sieger‘, einfach zum Spaß, um uns daran zu erinnern.“

Historischer Triumph

Stattdessen könnten sie auch in die Tennis-Geschichtsbücher schauen, die der 28-Jährige Mies und der um ein Jahr jüngere Krawietz umgeschrieben haben. Selbst waren sie darüber jedoch gar nicht unbedingt im Bilde. „Uns wurde nach Erreichen des Halbfinals gesagt, dass das letzte deutsche Doppel 1993 im Halbfinale stand. Und der letzte Sieg war ja 1937 – daran haben wir aber nicht gedacht und versucht, den Fokus auf der Leistung zu halten. Dass wir auch Historisches geschafft haben, begreift man – wenn überhaupt – erst im Nachhinein.“

Im vergangenen Jahr erreichten beide in Wimbledon die dritte Runde, im Februar 2019 ließen sie dann in der Tenniswelt zum ersten Mal so richtig aufhorchen: Bei der ATP-Tour in New York schlug das Duo im Finale Santiago González und Aisam-ul-Haq Qureshi in zwei Sätzen. Der Startschuss für das Sensationsjahr der beiden.

„Hatten schon das Gefühl, was reißen zu können“

„Wir hatten schon das Gefühl, dass wir auch bei den großen Turnieren etwas reißen können“, sagt Mies rückblickend. „Wimbledon 2018 war der Punkt, an dem wir gesehen haben: Wir können auch auf der größten Bühne gute Ergebnisse erreichen und Top-Leute schlagen. Es war aber auch immer noch unser erstes Mal bei den French Open.

Daher kam es auch sehr überraschend. Natürlich träumt man oft davon. Es soll nicht arrogant klingen, aber wir haben immer daran geglaubt, dass wir so etwas schaffen können. Nur nicht, dass es so schnell klappt.“

„Da waren sie erst mal ruhig“

Doch das tut es. Auch weil sie im Turnierverlauf auch Rückstände wegstecken. In der gefürchteten dritten Runde, nach der sie in Wimbledon abreisen mussten, sieht es zunächst erneut bitter aus: Nach gutem Start geben Mies und Krawietz den ersten Satz gegen die Topspieler Oliver Marach aus Österreich und Mate Pavic aus Kroatien ab.

„Ich würde das Match schon als Knackpunkt-Spiel des Turniers nennen. Wir hatten sehr starke Gegner, das an Nummer vier gesetzte Duo in der Weltrangliste. Nach dem bitter verlorenen ersten Satz haben wir uns gedacht: Lass uns das genießen, wir spielen in der dritten Runde der French Open. Wir wollten positiv an die Sache herangehen. In dem Match sind wir dann locker und cool geblieben, haben es noch nach Hause gebracht. Das hat uns Selbstbewusstsein gegeben und im weiteren Turnierverlauf extrem geholfen.“

Riesenstimmung im Finale

So stürmt das Duo ins Viertel-, dann ins Halbfinale. Und im Endspiel warteten Chary und Martin, zwei Franzosen mit „Heimvorteil“. Kein Problem aber für Mies und Krawietz. „Wir wussten, dass die Atmosphäre sehr gut, die Zuschauer aber fast ausschließlich gegen uns sein werden. Darauf waren wir vorbereitet, haben uns auch beim Einlaufen noch mal darauf eingestellt. Aber unser Anhang von 50 Leuten war nicht weniger laut. Die haben das ganze Match Alarm gemacht, daher haben wir uns gar nicht in der Unterzahl gefühlt. Wir wollten mit unserer Leistung das restliche Publikum ,ruhig stellen‘. Das haben wir mit einem Bombenstart auch direkt geschafft, nach 4:0 mit Doppelbreak waren die erst einmal ruhig“, sagt Mies mit einem Lachen über „die beste Stimmung, in der ich je gespielt habe.“

Der Rest ist Geschichte. Nach dem Matchball im zweiten Satz fallen beide auf den Boden, der Traum hat sich erfüllt. „So viele Glücksgefühle auf einmal sind einfach überwältigend. Wir lagen uns in den Armen, hatten Tränen in den ­Augen, in unserer Box ebenso“, sagt ein vor Glück immer noch völlig euphorisierter Andreas Mies. Er sollte diesen Moment gut in Erinnerung behalten. Spätestens dann, wenn er für das nächste, große Turnier ein Airbnb bucht.