fbpx
Köln.Sport

Fortuna vs Viktoria: Zeitenwende in Sicht

Regionalligist Viktoria Köln schielt mehr denn je Richtung Aufstieg in die Dritte Liga, während Lokalrivale Fortuna genau dort mitten im Abstiegskampf steckt. Steht der Kölner Fußball etwa vor einer Umkehr der Verhältnisse? Und was würde das für die Zukunft genau bedeuten?
Fortuna Viktoria

Duelle zwischen Viktoria und Fortuna wie hier im Mai letzten Jahres könnte es in der kommenden Spielzeit gleich zweimal geben. (Foto: imago/foto2press)

Kurz vor der Winterpause gelang Fortuna Köln doch noch das lang-ersehnte Erfolgserlebnis. Mit einer kämpferisch und spielerisch überzeugenden Leistung setzte sich der Südstadtklub bei Preußen Münster durch – ein früher Treffer von Michael Eberwein und ein ganz spätes Tor durch den kurz zuvor eingewechselten Moritz Hartmann stellten den enorm wichtigen Auswärtssieg des Drittligisten sicher. Es war der erste „Dreier“ unter dem neuen Trainer Tomasz Kaczmarek, der das schwere Erbe des nach Sandhausen gewechselten Uwe Koschinat angetreten hatte und zunächst große Probleme hatte, die Fußstapfen des „Ewigen Uwe“ einigermaßen auszufüllen.

0:7 gegen Wehen Wiesbaden, 0:6 bei der SpVgg Unterhaching, 0:0 gegen 1860 München und 0:3 in Meppen: Die Bilanz der ersten Kaczmarek-Wochen war für alle, die es mit dem „Vereinche“ aus der Südstadt halten, verheerend. Schnell machten Gerüchte die Runde, die Mannschaft wolle mit dem 34-jährigen Deutsch-Polen nicht zusammenarbeiten – nicht nur wegen seiner Vergangenheit beim Lokalrivalen Viktoria. Kaczmarek und die Fortuna? Das schien von außen nicht zu passen. Und doch raffte sich das Team in der letzten Partie des Jahres noch einmal auf, sicherte sich in Münster drei extrem wichtige Zähler und überwintert auf einem Nichtabstiegsplatz in der Dritten Liga. „Es war ein ereignisreicher Herbst, was wir uns zum Teil sicher selbst zuzuschreiben haben. Aber jetzt fällt Weihnachten für alle etwas schöner aus. Mental kann man jetzt ein bisschen runterfahren“, sagte ein sichtlich gelöster Tomasz Kaczmarek nach dem ersten Sieg der Fortuna unter seiner Leitung.

Fast perfekte Hinrunde

Gänzlich anders sahen dagegen die Vorzeichen zur selben Zeit bei der Viktoria aus: Nach einem äußerst schwachen Auftritt im letzten Spiel des Jahres unterlag der Spitzenreiter der Regionalliga West bei der SG Wattenscheid 09 verdient mit 0:3. Pünktlich zum Weihnachtsfest „beschenkten“ sich die Höhenberger mit der zweiten Saisonniederlage und verpassten es, die Tabellenführung weiter auszubauen. Dennoch: Viktoria blickt – anders als die Rivalen aus der Südstadt – komplett zufrieden auf das vergangene Halbjahr zurück. Kaum verwunderlich angesichts von sechs Punkten Vorsprung auf den direkten Verfolger aus Rödinghausen. Oberhausen (neun) und Dortmund II (zehn) liegen sogar noch weiter zurück. „Es war im Sommer auf jeden Fall nicht vorhersehbar, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt die Liga so souverän anführen würden“, gestand Trainer Patrick Glöckner im Interview mit dem „Media Sportservice West“ und fügte hinzu: „Wir hatten von Beginn an viel Verletzungspech. Umso mehr freuen wir uns darüber, dass der Vorsprung derzeit so groß ist, und wir tun alles dafür, um ihn mindestens zu festigen. Noch ist die Saison aber sehr lang und wir wissen, dass wir noch nicht durch sind.“ Glöckner hatte sein Amt als Cheftrainer vor der Saison von Olaf Janßen übernommen. Für den Ligaprimus, der in den letzten Jahren immer wieder knapp am Sprung in die Dritte Liga gescheitert war, hätte es nun wahrlich kaum besser laufen können: Während in der Südstadt das Abstiegsgespenst umgeht, darf die Viktoria mehr denn je vom langersehnten Aufstieg träumen, denn diesmal braucht der Meister der Regionalliga West nicht in eine Relegationsrunde, sondern steigt direkt auf.

Träumen kann die Viktoria aber nicht nur von der höheren Spielklasse, die Rechtsrheinischen streben auch die Ablösung der Fortuna als bisherige Nummer zwei in Köln an. Denn: Sportlich ist nach aktuellem Stand ein Ligatausch mit den Südstädtern nicht ausgeschlossen. Das wäre für die Fortuna wahrlich der Supergau: Der wirtschaftlich potentere Lokalrivale aus Höhenberg zöge dann auch auf dem Platz an den Zollstockern vorbei und könnte endgültig zur unangefochtenen Nummer zwei hinter dem Platzhirschen 1. FC Köln werden. Und kommt es nicht zum Ligatausch, geht das Ringen um den Platz hinter den „Geißböcken“ sozusagen Auge in Auge erst richtig los. Die Fortuna hätte dann eine durchaus solide Ausgangslage: Als etablierter Drittligist wissen die Südstädter um die Tücken und Härten der Spielklasse, haben sich sowohl an die dortigen Anforderungen als auch an die eigenen Qualitäten und Fähigkeiten gewöhnen können. Und sie haben sich in der Liga durchaus Respekt verschafft: Die Gegner gehen mittlerweile (wieder) mit einer gewissen Portion Unbehagen in die direkten Duelle mit der Fortuna.

Anders dürfte es dagegen für die Viktoria sein, die als Aufsteiger erstmals Drittligaluft schnuppern würde. Leistungsträger wie Mike Wunderlich oder Patrick Koronkiewicz haben länger nicht mehr auf diesem Niveau gespielt, dazu kommen etliche andere Akteure, die oberhalb der Regionalliga keinerlei größere Erfahrungen vorweisen können. Auch wenn die Rechtsrheinischen bereits einen qualitativ hochwertigen Kader besitzen, bleibt die Frage, ob die Mannschaft aus dem Sportpark Höhenberg, die in der Vergangenheit oft größeren Schwankungen unterworfen war, stabil genug für die höhere Spielklasse sein wird.

Unterschiedliche Ansprüche

Auf dem Spielermarkt könnte die Viktoria aber einen unschlagbaren Vorteil haben: Finanziell besser aufgestellt, dank der Zuwendungen ihres großzügigen Mäzens Franz-Josef Wernze, dürfte es für den aktuellen Tabellenführer kein großes Problem sein, passende Verstärkungen an Land zu ziehen. Ein Thema, das auch den ehemaligen Fortuna-Coach Koschinat immer umgetrieben hatte. „Eine Wachablösung habe ich immer befürchtet. Deshalb sagte ich ja damals, dass der Aufstieg von Viktoria eine -Katastrophe für die Fortuna wäre“, erklärte der 47-Jährige zu Jahresbeginn in einem umfangreichen „Express“-Interview: „Wenn du wirtschaftlich mit einem Konkurrenten aus der Stadt in der gleichen Liga nicht mithalten kannst, verschieben sich die Wahrnehmungen. Es gäbe ja keinen logischen Grund für die Viktoria, in der Dritten Liga zu bleiben – bei den Möglichkeiten. Dann gäbe es für gute Drittligaspieler keinen Grund mehr, nicht dorthin zu gehen. Die Fortuna weiß, wo sie herkommt. Wir sind ein Weiterbildungsverein und werden nie eine Spitzenmannschaft per se sein. Viktoria dagegen würde den nächsten Schritt machen wollen“, so Koschinat, der in den vergangenen Jahren bei der Fortuna stets Profis wie Julius Biada, Marco Königs oder Daniel Keita-Ruel derart weiterentwickeln konnte, dass sie ins -Visier höherklassiger Vereine gerieten. Ein Faustpfand der Südstädter. Doch auch genug, um gegen die Power des Lokalrivalen anzukommen, falls es in derselben Liga zur Sache gehen sollte?

Denn diese Tatsache ist unbestritten: Schon seit Jahren bewegt sich der Etat der Viktoria dank ihres Mäzens in Drittligasphären, die Verpflichtung begehrter Spielern ist häufig keine Frage des Geldes. Bei der Fortuna muss dagegen genauer auf die Bilanz geschaut werden: Zwar unterstützt Geschäftsführer Michael W. Schwetje den Südstadtklub seit geraumer Zeit finanziell, doch große Sprünge sind trotz der Finanzspritzen des Software-Unternehmers nicht möglich. Im Drittligavergleich liegt das Fortuna-Budget im unteren Mittelfeld, wenn nicht sogar auf dem Niveau der Kellerkinder.

Auf der „Schäl Sick“ dürfte das bei einem Viktoria-Aufstieg anders aussehen: Viele Kontrahenten befürchten sogar, dass die Rechtsrheinischen im Uerdingen-Stil investieren könnten. Die Krefelder hatten sich für diese Saison die Dienste der ehemaligen Bundes-liga-Profis Dominic Maroh (1. FC Köln, 1. FC Nürnberg) und Maximilian Beister (u.a. Hamburger SV) gesichert, dazu schnürt Weltmeister Kevin Großkreutz für die Niederrheiner seine Stiefel. Selbst wenn eine solche Shoppingtour angesichts des Strategiewechsels am Sportpark Höhenberg kaum zu erwarten ist: Zum Armenhaus der Dritten Liga dürfte die Viktoria sicherlich nicht zählen, ein direkter Durchmarsch steht allerdings bei den Verantwortlichen ebenfalls nicht auf der Agenda.

Der Rivale auf meinem Platz

Dennoch: Trotz dieses drohenden Ungleichgewichts kämen sich die beiden Kölner Rivalen außerhalb des Platzes mitunter auf Augenhöhe in die Quere. Denn bei der Sponsorensuche dürften sich sowohl die Fortuna als auch  die Viktoria im Schatten des übermächtigen 1. FC Köln schwertun, wenngleich die Aufmerksamkeit aufgrund des doppelten Derbys sicherlich größer als bislang wäre. Beide Klubs verfügen über eine loyale Basis an Sponsoren, beide Klubs haben in den vergangenen Jahren viel Arbeit an dieser Front geleistet und wissen um die Schwierigkeiten in diesem Bereich. Investiert wurde sowohl links- als auch rechtsrheinisch in die VIP-Betreuung und in die eigene Spielstätte. Publikumsmagnete sind die Heimspiele hüben wie drüben nicht: Die Fortuna kommt in dieser Spielzeit auf fast 3.000 Zuschauer pro Spiel, bei der Viktoria verirren sich gerade einmal etwas mehr als 1.000 Fans pro Partie in den Sportpark Höhenberg. Um diesen deutlichen Vorsprung müssen die Südstädter allerdings, wenn der Herausforderer den Sprung nach oben schafft, etwas zittern: Abseits des harten Kerns der Anhänger sind es die Gelegenheitszuschauer, die für ein etwas volleres Haus in Zollstock sorgen. Gelegenheitszuschauer, die angesichts derselben Gegner auch auf die Viktoria ausweichen könnten. Für die geht es dann nämlich auch gegen Kaiserslautern oder 1860 München statt gegen Düsseldorf II oder den SV Straelen.

Und das womöglich sogar im selben Stadion: Der Sportpark Höhenberg bleibt trotz aller Investitionen in der jüngsten Vergangenheit untauglich für die Dritte Liga, die Viktoria dürfte bei einem Aufstieg zu 99 Prozent auf das Südstadion ausweichen. Eine Situation, die keiner der beiden Seiten behagt. „Dieser Gedanke, die Viktoria im Südstadion, ist unangebracht. Natürlich ist das ein städtisches Stadion. Aber es ist verdammt noch mal die Heimat der Fortuna allein. Und die hat es zu bleiben! So wie der Höhenberg zur Viktoria gehört“, erklärt beispielsweise Uwe Koschinat und spricht damit vielen Fortuna-Fans aus dem Herzen, die zuletzt eine Petition gegen die Pläne für ein gemeinsames Stadion in Stammheim auf den Weg gebracht hatten.

Aber auch für die Viktoria ist ein Umzug auf die linke Rheinseite nicht gerade die Erfüllung eines Herzenswunsches. „Temporär wäre es die einzige Alternative“, räumt Viktoria-Mäzen Franz-Josef Wernze gegenüber „sportbuzzer.de“ ein, aber er fordert: „Die Stadt Köln muss sich an dieser Stelle bewegen. Köln braucht ein drittes Stadion, das Profiansprüchen genügt.“ Ungewohnte Situationen kommen auf den Kölner Fußball zu – ein Machtkampf, der wahrscheinlich in der angestammten Heimat der Fortuna ausgetragen wird.