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Köln.Sport

Finkes Visionen

Quelle: Thomas Fähnrich

Seit Anfang Februar diesen Jahres ist Volker Finke Sportdirektor des 1.FC Köln. Zuvor war der 63-jährige unter anderem Trainer bei Urawa Red Diamonds in Japan und beim SC Freiburg.

Volker Finke polarisiert. Im Gespräch mit Köln.Sport erläutert der FC-Sportdirektor sein Konzept und erklärt, warum er manchmal unpopuläre Entscheidungen treffen muss.

Herr Finke, Sie sind jetzt seit etwa sieben Monaten hier in Köln …

Finke (unterbricht) … ungefähr, ja. Ich habe am 17. Dezember in Japan den Vertrag unterschrieben und im Grunde den ganzen restlichen Dezember und Anfang Januar fast täglich Gespräche mit den Verantwortlichen beim 1. FC Köln geführt.

Für eine Zwischenbilanz ist es vielleicht noch etwas früh. Dennoch: Wie haben Sie die Zeit in Köln bisher empfunden, und wie haben Sie sich eingelebt?

Eine Bilanz zu ziehen, ist tatsächlich immer sehr schwierig, wenn man im Planungsbereich arbeitet. Das ist immer ein Prozess, bei dem man nur beschreiben kann, wo man sich gerade befindet. Ich habe hier im sportlichen Bereich viele Strukturen vorgefunden, bei denen die Entwicklungen der vergangenen Jahre eine Rolle spielen. Der Verein hat beispielsweise im Profibereich viel investiert, jedoch unterm Strich nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen können – in dem Sinne, dass sich die Investitionen in Form eines entsprechenden Tabellenplatzes gegengerechnet hätten.

Sportdirektoren werden gemeinhin verpflichtet, um eine langfristige Strategie kontinuierlich zu verfolgen – unabhängig davon, wer gerade Trainer ist. Wie sieht die Strategie des 1. FC Köln, wie sieht Ihre Strategie konkret aus?

Ich musste zunächst einmal verstehen, wie die Situation, in der sich der 1. FC Köln befindet, entstanden ist und warum das, was man vorfindet, so ist, wie es ist. Dies zu verstehen, ist für eine nachhaltige Entwicklung essentiell. Ein Beispiel: Ich habe hier viele Profiverträge mit langen Laufzeiten vorgefunden. Viele Spieler zu haben, die einen Vertrag mit einer langjährigen Laufzeit besitzen, kann auch eine Belastung sein. Daher musste ich, genau wie ein Trainer, der neu anfängt, erst einmal mit den Verträgen leben, die ich vorgefunden habe.

Die Spieler, die beim 1. FC Köln unter Vertrag stehen, sind Werte des Vereins, Kapitalwerte! Es kommt darauf an, mit ihnen so umzugehen, dass man diese Werte erhält oder im Optimalfall erhöht. Das ist mitunter enorm schwierig. Zum 1. Juli hätten bei uns theoretisch 40 Lizenzspieler mit bestehenden Profiverträgen antreten und fachgerechtes Training eines lizenzierten Profitrainers einfordern können. Da hätten wir als Verein Probleme bekommen.

„Ich bin nicht süchtig danach, geliebt zu werden“

Wie haben Sie denn den Teamgeist innerhalb der Mannschaft wahrgenommen? Entsprachen die Mutmaßungen über eine „charakterlich schwierige Truppe“ und Grüppchenbildungen der Wahrheit?

Das sind Themen, die vor allem in der Berichterstattung eine große Rolle spielen. Dass diese Mannschaft nicht so harmonisch war, lag nicht an Spielertypen, sondern am Misserfolg zu Beginn der Saison. Und die Mannschaft hat sich dann so entwickelt, wie sich eigentlich alle Mannschaften im Misserfolg entwickeln. In einer Mannschaft, die keinen Erfolg hat, gibt es immer Grüppchen! Das ist nicht nur in Köln so und somit auf keinen Fall eine Besonderheit dieser Mannschaft. Und als sich in der Rückrunde mit 29 Punkten dann Erfolg einstellte, konnte man beobachten, dass eine Mannschaft auf dem Platz steht.

Haben Sie das Gefühl, dass die Kapitänsfrage die Mannschaft auch bewegt hat, oder wurde das nur künstlich von außen aufgebauscht?

Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass ein Trainer, der neu zur Mannschaft stößt, sich eine gewisse Zeit nimmt, um sich ein umfassendes Bild zu machen. Für mich als Sportdirektor ist es ebenso selbstverständlich, dass diese Entscheidung komplett dem Trainer überlasse. Das habe ich bei Frank Schaefer so gemacht, und genauso mache ich es bei Stale Solbakken. Und ich sehe, dass Solbakken unheimlich viele Einzelgespräche mit den Spielern geführt hat. Danach hat er seine Entscheidung ausgerichtet, nach dem einzigen Kriterium: Was ist für die Mannschaft das Beste?

Dennoch ist das Thema derzeit in aller Munde, nicht zuletzt, weil es fest mit dem Namen Lukas Podolski verknüpft ist. Hat sich Solbakken mit seiner Vorgehensweise einen Gefallen getan?

Die Kapitänsfrage ist in Köln ein derart emotionalisiertes Thema, dass ich mir wünschen würde, dass wir zu den Selbstverständlichkeiten zurückkehren. Und für mich ist es immer selbstverständlich gewesen, dass es einzig und allein um die Sache gehen sollte! Das heißt: Stale Solbakken ist ein Trainer, der mit einer sehr guten Reputation versehen ist, in den letzten Jahren sehr erfolgreich gearbeitet hat und unser volles Vertrauen hat. Man muss ihm also meiner Meinung nach die Möglichkeit geben, seine Art und Weise der Dinge so durchzuziehen, wie er es für richtig hält.

Die Kölner Presselandschaft ist berüchtigt, dennoch: hätten Sie damit gerechnet, dass Ihnen bereits nach kurzer Zeit derart starker medialer Gegenwind ins Gesicht bläst?

Nein. Damit habe ich nicht gerechnet. Ich bin wirklich kein Mensch, der süchtig danach ist, von den Leuten geliebt oder gelobt zu werden. Aber es gibt eine Grenze an dem Punkt, an dem Personen beschädigt werden, und das gilt nicht nur im Sport, sondern in allen öffentlichkeitswirksamen Bereichen. Dass bestimmte Medien einen „Kessel Buntes“ machen, das ist ok.

Die entscheidende Frage dabei ist, inwieweit Berichterstattung einen Verein unter Druck setzt. Fußball funktioniert immer so, dass eine Gruppe von Leuten mit Kompetenz und professioneller Einstellung versucht, das Optimum für den Verein herauszuholen. Der Einfluss von außen sollte bei Sachentscheidungen nicht so stark sein, dass die Verantwortlichen ihre eigene Überzeugung verleugnen, nur um sich öffentlichen Meinungen anzuschließen. 

Lesen Sie im zweiten Teil des Köln.Sport-Interviews mit Volker Finke: wo er mit dem FC hin will, warum sich Sascha Riether für Köln entschieden hat, wie der Sportdirektor die Nachwuchsarbeit des FC beurteilt, – und was den 63-jährigen antreibt.