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Köln.Sport

„Die Fortuna ist wie ein Schatz“

In der Rolle des „Kalle Grabowski“ erlangte Ralf Richter in der Ruhrpott-Kömödie „Bang Boom Bang“ einst Kultstatus. Privat hat der gebürtige Essener sein Herz allerdings seit vielen Jahren an die Fortuna verloren. Ein Gespräch über die Südstadt, sinkende Schiffe und Nebenbuhler.
Ralf Richter

Ralf Richter ist als gebürtiger Ruhrpottler glühender Fortuna-Fan. (Foto: imago images/Chris Emil Janßen)

Auch wenn Köln bekanntermaßen nicht im Ruhrpott liegt, gibt es auch hier mit Sicherheit Menschen, die Ralf Richter in seinem privaten Umfeld kaum erkennen würden. Mal mit Langhaar-Mähne, mal mit Glatze, jedoch immer mit breitem Schnörres und natürlich funkelnder Goldkette ausgestattet. In der Rolle des fluchenden und prügelnden Proleten Kalle Grabowski wurde Richter in den 90er Jahren zur absoluten Kultfigur, unausweichlich mit dem Ruhrgebiet und seinem einzigartigen Charme verknüpft. Und wer könnte diesen besser verkörpern als der 61-Jährige, der in Essen geboren und in Bochum aufgewachsen ist?

Seit vielen Jahren wohnt Richter allerdings nun auch schon in Köln, genauer gesagt in der Südstadt, Pantaleonsviertel. Er mag das Klima dort, sagt er, die Menschen, den Umgang miteinander. Und als bekennender Fußball-Enthusiast natürlich auch die Fortuna! Der Klub hat es Richter angetan, wenn er in Köln irgendwo ein Stadion besucht, steht dieses in der Südstadt. „Da geht es einfach noch anders ab“, sagt er im Gespräch mit Köln.Sport, am FC reize ihn überhaupt nichts. Vor allem dank des Engagements der Fortuna, welches bereits seit unzähligen Jahren weit über den Fußballplatz hinaus geht.

So stand er beispielsweise 2018 für eine von seinem Kumpel und Kult-Fan Cornel Wachter ins Leben gerufene Vorsorge-Aktion vor der Kamera, auch Schauspielkollegin Annette Frier war mit dabei. Als 2010 unter dem Motto „Wir stricken alle am selben Schal“ eine Benefizparty zugunsten der Jugendabteilung Fortunas veranstaltet wurde, stellte sich Richter als Schirmherr zur Verfügung. So fühlt er sich der Fortuna auch tief verbunden, wenn er es einmal nicht ins Südstadion schafft – er identifiziert sich mit den Werten, die auch den Südstadt-Klub auszeichnen. So muss er nicht lange nachdenken, als ihn die Anfrage von Köln.Sport erreicht. Zu einem telefonischen Interview könne man sich gerne verabreden, „einfach die Tage mal anrufen“. Als er den Hörer abnimmt, ist Rauschen im Hintergrund zu vernehmen. „Nene, alles gut, ich sitze nur gerade in der S-Bahn. Passt aber jetzt, von daher können wir gerne loslegen!“

Ralf Richter, Sie sind in Essen geboren, anschließend in Bochum aufgewachsen, dennoch heute Fortuna-Fan. Kommt man im Ruhrpott nicht eher sofort als RWE- oder VfL-Fan zur Welt?

Ich bin auch VfL-Fan, mir ist die Liga auch letztendlich gar nicht so wichtig. Das ganze Drumherum, die Stimmung, die Fans, der Klub selbst machen das Ganze eher für mich aus. Mein Herz schlägt aber schon auch für den VfL. Da ich jetzt aber auch schon seit vielen Jahren in Köln wohne und in meiner Freizeit auch ganz gern noch auf den Platz gehe, verschlägt es mich dann eher zur Fortuna, als dass ich zum FC gehen würde.

Warum?

Einfach, weil es da anders abgeht. Das hat weniger mit Geschäft zu tun. Und das mag ich sehr gerne, mir ist das sehr sympathisch. Das ist noch richtiger Fußball, wo es nicht wie bei so vielen anderen Klubs und Vereinen darum geht, soviel Geld wie möglich herauszuholen. Der inzwischen verstorbene Präsident Klaus Ulonska ist bei den Spielen mit einem Ball mit Loch drin herumgelaufen, um Geld für die Fortuna zu sammeln. Das hat mir imponiert. Zudem bin ich über meinen Freund, den Kölner Künstler Cornel Wachter, zur Fortuna gekommen. Er hat dorthin ja eine starke Verbindung. Er hat ja auch oft Aktionen ins Leben gerufen, um der Jugendabteilung der Fortuna zu helfen. Da war ich dann im positiven Sinne „Handlanger“, fand das eine tolle Idee. Die holen ja richtig viele Kinder von der Straße und lassen sie lieber im Verein spielen, als dass sie auf der Straße abhängen. So bin ich von einer ganz menschlichen Seite aus an die Fortuna herangeraten. Und das ist auch bis heute so geblieben.

Wo Sie den „ehrlichen“ Fußball ansprechen – haben Sie in ihrer Jugend als bekennender Fußballenthusiast eigentlich auch selbst gespielt?

Ne. Also wir haben so rumgebolzt, mehr aber nicht. Freunde von mir waren auch in verschiedenen Jugendauswahlen, aber so ein starkes Interesse, es selbst als Fußballer zu probieren, hatte ich selbst nie.

Sie wohnen ja auch selbst in der Südstadt. Wie oft schaffen Sie es da, beim Training oder Spielen vorbeizuschauen?

Aus Zeitgründen schaffe ich es leider nur zu jedem vierten oder fünften Spiel. Ich habe ja auch eine große Familie (sieben Geschwister, Anm. d. Red.), habe jetzt auch schon sechs Enkelkinder. Die wohnen alle verstreut, wenn ich dann mal Zeit habe, verbringe ich meine Zeit eher mit der Familie als bei Sportveranstaltungen. Obwohl es bei der Fortuna ja auch schon ziemlich familiär zugeht.

Gibt es eine Zeit ihres Fan-Daseins bei der Fortuna, an die sie sich besonders gern erinnern?

Dadurch, dass ich nicht bei jeder Partie dabei sein kann, ist mir eigentlich fast jedes Spiel, welches ich besucht habe, im Gedächtnis geblieben. Vor allem die vielen wohltätigen Aktionen und Happenings, die wir dort veranstaltet haben. Das ist immer wieder ein schönes Erlebnis.

In der öffentlichen Wahrnehmung der fußballverrückten Stadt Köln kommt die Fortuna oft ein bisschen zu kurz. Ärgert Sie das?

Gerade weil es eben um Geld geht, geht es auch oft um Werbepartner. Beim FC steckt natürlich Rewe drin und steckt mehr Geld rein, als eine Firma in die Fortuna. Da ist es klar, dass man dann anders wahrgenommen wird. Für Fortuna ist das so ein bisschen Segen und Fluch: Der Klub ist ein Schatz, den es aber auch zu bewahren gilt, und ihn nicht durch zunehmende Kommerzialisierung großartig zu verändern.

Nun gibt es ja mit Viktoria Köln eine weitere, durchaus ambitionierte Fußballmannschaft in Köln. Wie blicken Sie auf die Entwicklungen beim Rivalen?

Ach die Viktoria! Diese ewigen Nebenbuhler. Lassen Sie uns nicht mit so billigen Mitteln von der Fortuna ablenken. Und eine Wachablösung wird es auch nicht geben, unabhängig der Ligazugehörigkeit!

Sportlich war es ja eine durchaus turbulente Saison, nach dem Abgang von Uwe Koschinat ging es deutlich bergab, auch sein Nachfolger Tomasz Kaczmarek wurde inzwischen bereits wieder entlassen. Wie beurteilen Sie aus Fansicht die aktuelle Saison?

Offen gesagt: Ich habe keine besonders große Fachkenntnis und würde mir jetzt nicht anmaßen, aus der Entfernung darüber zu urteilen. Mein Zugang dazu ist wie gesagt eher das Drumherum, und wie die Leute mitgehen. Vor allem, wenn man sieht, was die Zuschauer dann schlussendlich davon haben. Das ist bei den Menschen in Bochum und im Ruhrgebiet ja genau so: Es gibt immer mehr Arbeitslosigkeit, da will und braucht man dann noch so etwas wie den Fußball, und das sieht man. So ein bisschen kommt mir das bei der Fortuna auch so vor. Und egal in welcher Liga sie nächstes Jahr spielt: Ich habe mir fest vorgenommen, dann auch mal wieder häufiger ins Stadion zu gehen und mir einige Spiele selbst anzugucken.

Fortuna-Investor Michael Schwetje hatte ja zuletzt auch öffentlich wiederholt geäußert, dass er sein finanzielles Engagement bei einem Abstieg des Klubs beenden würde. Wie ist ihre Meinung zu dieser Situation?

Mein Gott, dann wollen die Ratten das sinkende Schiff verlassen? Was soll in diesem Zusammenhang „Rückzug“ überhaupt heißen? Entweder man ist treu, oder ist es nicht. So sehe ich das.

Ein anderes Thema, welches die Fortuna-Fans schon seit langer Zeit bewegt, ist ja bekanntlich auch die Situation um das Südstadion. Hand aufs Herz: Können Sie sich Fortuna außerhalb der Südstadt überhaupt vorstellen?

Ja wo wollen sie denn dann hin? Auf den Bahnhofsvorplatz, auf den Roncalliplatz oder wo? Nene. Die Fortuna gehört in die Südstadt, das ist ganz wichtig. Sie ist ja auch der Verein der treuen und teilweise auch „kleinen“ Leute, und sollte die Fortuna wirklich umziehen, fällt für solche der Stadionbesuch ja fast schon flach. Das wäre nicht nur schade, ich glaube sogar, das wäre verheerend.

Zum Abschluss muss natürlich noch eine Filmfrage gestellt werden. Wäre die Fortuna nicht auch getreu dem Vorbild „Fußball ist unser Leben“ mal einen eigenen Film wert? Und wie sähe das Drehbuch aus?

Ganz bestimmt! Über das Drehbuch müsste ich aber nochmal nachdenken, bevor ich hier irgendeinen Quatsch erzähle. Auf jeden Fall gäbe es dort auch einen anderen Verein aus Köln, der auch im Film porträtiert und natürlich jedes Spiel verlieren würde. Und wir wissen beide natürlich auch genau, welchem Vorbild dieser Verein nachempfunden wäre (lacht).

Und welche Rolle würden Sie in dem Film spielen?

Stadionsprecher. Weil der am lautesten sein darf (lacht).